Gelsenkirchen. . Ausgleich verweigert, Finale verpasst: Königsblau schiebt Frust. Doch S04 sucht nicht alle Schuld beim Schiedsrichter. Am Sonntag wartet Köln.

Nach dem Abpfiff ließ sich Leon Goretzka auf den Rasen fallen. Das Gesicht vergrub er zwischen den Knien, minutenlang saß er da, allein und verzweifelt. Als sich die anderen schon versammelten, um wie üblich einen Kreis zu bilden, scherte der verletzte Breel Embolo aus und holte Goretzka ab. Dann hörte auch er Trainer Domenico Tedesco zu.

„Wir haben das Ziel nicht erreicht, ich habe das Ziel nicht erreicht“, bilanzierte Goretzka verzweifelt, als er vom Duschen kam. Der künftige Bayern-Profi hatte sich vorgenommen, sich beim Pokal-Endspiel von Schalke zu verabschieden. Aus der Traum. Eintracht Frankfurt gewann das Halbfinale mit 1:0, fährt schon wieder nach Berlin und fordert die Bayern heraus. „Das tut richtig weh“, sagte der Nationalspieler.

„Für solche Situationen wurde der Video-Schiedsrichter erfunden“

Wie alle Schalker hatte auch er sich noch nicht entspannt. „Ich kann nicht verstehen, dass der Schiedsrichter mit dem Pfiff nicht noch eine Sekunde wartet, bis der Ball hinter der Linie ist“, ereiferte sich Goretzka. „Für solche Situationen ist der Video-Schiedsrichter doch erfunden worden.“

Die Szene aus der vierten Minute der Nachspielzeit hatte ganz Schalke aus der Fassung gebracht. Franco Di Santo hatte den Ball mit dem Bereich oberhalb der Brust gestoppt und dann zum vermeintlichen 1:1 in letzter Sekunde ins Netz gefeuert, doch Schiedsrichter Robert Hartmann pfiff schon, als der Ball noch unterwegs war. Er war sich sicher, Di Santo habe sich den Ball mit dem Oberarm vorgelegt. Weil Hartmann sofort pfiff, galt das Spiel als unterbrochen. Deshalb durfte der Video-Schiedsrichter nicht korrigierend eingreifen. Regeltechnisch war also alles in Ordnung. Schlimm für Schalke: Die reflexartige Reaktion des Schiedsrichters beruhte auf einer falschen Wahrnehmung.

Ein paar Minuten nach Spielschluss war Christian Heidel in der Kabine von Robert Hartmann. Schalkes Sportvorstand berichtete, der Schiedsrichter habe ihm gegenüber seinen Fehler eingeräumt: „Er machte keinen glücklichen Eindruck.“

Franco Di Santo ließ sich nicht mehr beruhigen, er fühlte sich um den Erfolg gebracht. „Da war nichts, es war kein Handspiel“, beteuerte der Argentinier. „Es ist eine Schande, dass dieses Tor nicht gegeben wurde.“

Doch auch Selbstkritik zählte zum Schalker Analyse-Repertoire. „Es ist eine Fehlentscheidung, aber jetzt alles auf den Schiedsrichter zu schieben, ist die einfachste Ausrede“, sagte Kapitän Ralf Fährmann. „Ich will ihn nicht an den Pranger stellen.“ Trainer Domenico Tedes­co gab sich genauso fair wie sein Torwart. „Es war kein Handspiel, ich will aber mal eines klarstellen: Der Schiedsrichter ist nicht schuld. Wir sind schuld, wir müssen vorher das Tor machen. Wir hatten ab der 60. Minute drei Großchancen. Das müssen wir uns vorwerfen.“

Tedesco verschwieg allerdings auch nicht, dass er sich sehr über die Umstände geärgert hatte, die zu Frankfurts Siegtor durch den feinen Hackenschuss von Luka Jovic in der 75. Minute geführt hatten: Vorher sei Yevhen Konoplyanka „klar gefoult“ worden, und Marco Fabian sei danach „mit der Faust in Benjamin Stambouli gelaufen“.

"Spielen eine so geile Saison, die lassen wir uns nicht kaputtmachen"

Auch von Frankfurter Seite bekam das Schiedsrichter-Team sein Fett weg. Die Rote Karte in der 81. Minute für den erst drei Minuten zuvor eingewechselten Gelson Fernandes, der den Knöchel von Leon Goretzka getroffen hatte, nannte Fredi Bobic „zu hart“. Der Videobeweis hatte den Eintracht-Sportvorstand so sehr auf die Palme gebracht, dass er betonte: „Das ist nicht mehr mein Fußball.“

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Aber Bobic hatte ja wenigstens etwas zu feiern. Die Schalker hingegen, denen durch den verpassten Final-Einzug Zusatz-Einnahmen in Höhe von rund vier Millionen Euro entgingen, schoben Frust. Doch den können sie sich nicht lange leisten: Am Sonntag geht es in der Bundesliga beim 1. FC Köln weiter, für den Champions-League-Aspiranten ist ein Sieg beim voraussichtlichen Absteiger Pflicht. „Wir dürfen heute enttäuscht sein, aber dann müssen wir sofort den Fokus auf Köln richten“, forderte Trainer Tedesco. „Wir möchten dieser Saison die Krone aufsetzen.“

Und wieder war er sich einig mit Ralf Fährmann. Auch der blickte nach dem Pokal-Ärgernis nach vorne: „Wir spielen eine so geile Saison, die lassen wir uns von diesem einen Spiel nicht kaputt machen.“