Benidorm. . „Unsere Mannschaft muss immer in der Lage sein, an der Spitze der Bundesliga mitzuspielen“, sagt Schalkes Manager Christian Heidel im Interview.
Im zweiten Teil des großen WAZ-Interviews mit Christian Heidel spricht Schalkes Manager über die Entwicklung der Mannschaft, den Rückrundenauftakt am kommenden Samstag in Leipzig – und über eine kleine Sonderpräme.
Schalke liegt vor dem Start in die Rückrunde auf Platz zwei. Ist die Mannschaft schon wegen einer Prämie für die Champions League auf Sie zugekommen?
Christian Heidel: Nein, und das ist auch nicht nötig, weil alles geregelt ist. Ich habe aber auch wirklich nicht den Eindruck, dass die Mannschaft jetzt schon daran denkt, was am 34. Spieltag sein könnte – das hat der Trainer den Spielern so eingeimpft, und diese Verhaltensweise ist auch genau richtig. Eine kleine Extra-Motivation haben wir den Spielern allerdings schon gegeben.
Und die wäre?
Heidel: Wir haben den Jungs vor den letzten Spielen im alten Jahr gesagt: Es gibt eine kleine, wirklich kleine Sonderprämie, wenn wir in der ersten Halbserie mindestens 30 Punkte holen – das haben wir geschafft. Darüber haben sich die Spieler sehr gefreut, denn es war eine freiwillige Anerkennung Ihrer Leistung, So etwas fördert auch den Geist der Mannschaft.
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Ein Plus in der Hinrunde war der kleine Kader…
Heidel: ...einige haben ihn Schrumpfkader genannt (lacht).
Jeder Spieler hatte die Chance auf Einsätze und war dadurch noch mehr motiviert. Könnte dieser Vorteil jetzt, wo Sie den Kader durch Marko Pjaca und Cedric Teuchert vergrößert haben, verloren gehen?
Heidel: Ich bin mir sicher, dass hier niemand motzen wird, nur wenn er mal draußen sitzt – die Charaktere in diesem Kader sind einfach nicht so. Von diesen Jungs versteht jeder, dass auch mal ein anderer spielt, weil der auf dem gleichen Niveau ist.
Von welchen Spielern erwarten Sie in der Rückrunde Steigerungen? Ist Breel Embolo zum Beispiel jetzt an dem Punkt, wo man sagt: Da muss mehr kommen?
Heidel: Es geht nicht darum, dass mehr kommen muss, sondern darum, dass Breel seine Verletzung überwunden hat: Embolo ist jetzt wieder Embolo – von ihm kann man im Winter 2018 etwas anderes verlangen als im Sommer 2017. Aber das wird der Junge bringen – der explodiert jetzt wieder, das sieht man im Training. Die Verletzung ist vorbei, die Aufbauphase ist vorbei, Breel ist jetzt wieder dick auf dem Zettel.
Als Sie Embolo im Sommer 2016 geholt haben, haben Sie gesagt: Schalke braucht wieder Typen, und er wird einer davon werden. Wer sollen die anderen Gesichter sein, die für Schalke 2018 stehen?
Heidel: Da will ich niemandem einen Rucksack aufsetzen und es wäre anderen Spielern gegenüber auch nicht fair, wenn ich jetzt jemanden herausheben würde. Nehmen wir als Beispiel Daniel Caligiuri: Den haben wir im vergangenen Winter für wenig Geld geholt, er hat fast jedes Spiel gemacht und ist inzwischen auch im Spiel nach vorne richtig gut. Das ist ein total mannschaftsdienlicher, wertvoller Spieler, aber er ist nicht der spektakuläre Spieler, von dem sich 30 000 Trikots verkaufen lassen, aber er ist enorm wichtig. Wegen ihm spielen auch andere so gut. Ich glaube, wir haben genügend Typen in dem Kader, die die Gesichter von Schalke werden können.
Wie hat sich Ralf Fährmann aus Ihrer Sicht als Kapitän bewährt?
Heidel: Gut. Für mich ist immer maßgebend, wie die Stimmung in der Mannschaft ist, und die hat Naldo jetzt ganz gut auf den Punkt gebracht. Wenn ein 35-Jähriger sagt, dass er noch nie so viel Spaß gehabt hat, zum Training zu gehen und er hier in dieser Saison den besten Trainer seiner Karriere hat, dann spricht das für sich und für die gesamte Atmosphäre in Mannschaft und Club.
Naldo war der erste Spieler, den Sie nach Schalke geholt haben.
Heidel: Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir damals in Hamburg in einem Hotel gesessen haben und ich ihm gesagt habe: Du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder bleibst du in Wolfsburg und unterschreibst dort einen Rentenvertrag – oder du erlebst zum Ende deiner Karriere noch einmal etwas Spektakuläres. Heute sagt mir Naldo: Alles ist eingetreten – er ist der glücklichste Mensch auf dem Planeten und möchte am liebsten noch zehn Jahre hier spielen. Solche Dinge sprechen auch dafür, wie Ralf Fährmann die Mannschaft als Kapitän führt. Das ist ein Team.
Sonst könnte man in solchen Spielen wie in Dortmund ja auch nicht mehr zurückkommen.
Heidel: Von außen betrachtet, hatte Schalke ja immer dieses Mentalitätsproblem. Zwei solche Spiele wie gegen Dortmund und Frankfurt verändern dieses Bild total. Natürlich läuft noch nicht alles optimal, es wird auch Rückschläge geben und wir haben spielerisch immer noch viel Luft nach oben. Das Schöne ist: Wir haben die Luft noch nicht ausgenutzt und sind trotzdem Zweiter. Außer Bayern München hat keiner mehr Punkte geholt als wir – auch wenn wir der punktschlechteste Zweite seit Jahren sind. Aber das ist uns völlig egal.
Wann kommt Schalke wieder an den Punkt, einen Spieler wie Marko Pjaca zu kaufen und nicht nur zu leihen?
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Heidel: Wir wissen nicht, wie die Preise weiter steigen werden. Ich persönlich glaube, dass der Weg bei den Ablösesummen in eine andere Richtung gehen wird. Es wird zwar immer wieder mal komplette Ausreißer wie jetzt in Liverpool geben, aber immer mehr Spieler werden künftig ablösefrei wechseln, weil weniger Vereine bereit sein werden, die aufgerufenen Summen zu bezahlen. Für Schalke wird es aus dem reinen Wirtschaftsbetrieb schwierig, Ablösesummen in den aktuellen Größenordnungen darzustellen. Auch ein Spieler wie Pjaca wäre für uns unerschwinglich. Ihn haben wir jetzt für ein halbes Jahr ausgeliehen. Da geht es darum, dass er uns jetzt hilft, in dieser Saison möglichst gut abzuschneiden. Und wenn das gelingt, haben wir auch wieder mehr Geld.
Sehen Sie im Sommer noch einmal einschneidende Veränderungen im Kader?
Heidel: Wir haben jetzt eine gute Basis gelegt, und die Idee ist natürlich, dass wir uns im Sommer nochmal verbessern. Wir müssen da zweigleisig planen: Zum einen geht es darum, Spieler langfristig zu entwickeln und zu verbessern – so wie jetzt etwa Cedric Teuchert. Zum anderen müssen wir sehen, dass unsere Mannschaft immer in der Lage ist, an der Spitze der Bundesliga mitzuspielen. Das muss das Ziel von Schalke sein. Aber wir merken auch, dass es eine ganze Reihe von Bundesligisten gibt, die enorm aufrüsten mit ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten.
Zum Beispiel der erste Rückrunden-Gegner RB Leipzig?
Heidel: Nicht nur. Wenn ich etwa die Zahlen des VfB Stuttgart höre, dann müssen wir uns da schon strecken, um mitzuhalten. Dort will man den Lizenzspieleretat auf 100 Millionen Euro hoch bringen – damit würden die Stuttgarter weit über Schalke liegen. Aber natürlich auch Leipzig. Red Bull kauft dort jetzt gerade mal das Stadion für 120 Millionen Euro.
Ist Leipzig für Sie auf Sicht der erste Bayern-Herausforderer?
Heidel: Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten müsste das eigentlich so sein.
Und sportlich?
Heidel: Das ist eine Top-Mannschaft, die sehr schwer zu bespielen ist. Man stellt sich ein klein wenig besser auf Leipzig ein, wenn man einmal die Erfahrung gemacht hat, gegen sie zu spielen. Das haben wir beim Hinspiel gesehen.
Ralf Rangnick hatte danach gemäkelt, dass Schalke kaum Ballbesitz gehabt hätte…
Heidel: Es war ja unser Plan, mit weniger Ballbesitz zum Erfolg zu kommen. Früher hat Rangnick immer gesagt, Ballbesitz sei unwichtig – es gehe um die Effizienz. Wir hatten beim Hinspiel ein Chancenverhältnis von 5:2. Leipzig ist ganz schwer zu bespielen. Trotzdem fahren wir ganz sicher nicht chancenlos dahin.