Benidorm. Im Interview spricht Schalke-Manager Christian Heidel über die Herausforderungen im Fall Goretzka und sagt: “Ohne ihn bricht nichts zusammen.“

Am letzten Tag des Schalker Trainingslagers in Benidorm trübte kein Wölkchen den Himmel. Nur Manager Christian Heidel (54) hatte eine Erkältung erwischt. Trotzdem nahm er sich ausführlich Zeit für eine Zwischenbilanz über die Transferaktivitäten und das erste Halbjahr von Trainer Domenico Tedesco.

Herr Heidel, Sie haben mit Cedric Teuchert und Marko Pjaca zwei Neuzugänge binnen weniger Tage geholt. Steht damit der Schalker Kader für die Rückrunde in der Fußball-Bundesliga?

Christian Heidel: Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir immer noch ein bisschen für die Position hinten links überlegen. Aber es kann durchaus sein, dass wir jetzt so in die Saison gehen. Es gibt auch keinen Zeitdruck. Wir brauchen jetzt niemanden, der schon am Samstag zum Rückrundenstart in Leipzig spielen kann. Es geht darum, eine Alternative zu haben, falls Bastian Oczipka einmal ausfallen sollte.

Wie weit sind die Gespräche mit Abdul Rahman Baba?

Heidel: Der Spieler möchte zu uns. Es geht jetzt um grundsätzliche Dinge, ob sein Stammverein FC Chelsea ihn abgeben möchte. Wir streben bei Baba eine längere Ausleihe als bei Marko Pjaca an, der bis zum Saisonende von Juventus zu uns kommt.

Wie locken Sie solche Profis nach Schalke?

Heidel: Es gibt zwei gute Argumente. Das erste ist Schalke 04. Unser Verein ist für jeden Fußballer, außer vielleicht für einen, der bei Bayern München spielt, etwas Außergewöhnliches. Das hat aber manchmal auch den Nachteil, dass ein Spieler sagt: Oh, nicht gleich Schalke. Dann ist es mein Job, ihn zu überzeugen und zu erklären, dass wir hier genauso arbeiten wie in Nürnberg, Bremen oder Freiburg. Also ihm eigentlich so ein bisschen die Angst zu nehmen, dass Schalke für ihn zu groß sein könnte.

Und das zweite Argument?

Heidel: Unser Trainer ist das nächste Pfund, mit dem wir wuchern können, in dem wir belegen, was Domenico Tedesco im ersten halben Jahr aus den Spielern gemacht hat. Profis, die vorher vielleicht im Mittelmaß angesiedelt waren, sind auf einmal in der Spitze. Das haben wir Cedric dargelegt. Ich habe ihn vor dem Jahreswechsel noch angerufen. Er war in Dubai, ich in Abu Dhabi. Cedric war zufällig mit Daniel Caligiuri im selben Hotel. Da habe ich ihm geraten: Gehe doch mal einen Kaffee mit Caligiuri trinken und lasse dir von ihm mal erzählen, wie Schalke so ist.

Trotz der Neuzugänge war Leon Goretzka wegen seines bevorstehenden Bayern-Wechsels das große Thema im Trainingslager.

Heidel: Für uns ist wichtig, dass wir mit dem Thema sehr souverän umgehen, egal, was da am Ende für eine Entscheidung herauskommt. Wir können mit beiden Szenarien umgehen.

Wann wird Goretzkas Entscheidung offiziell?

Heidel: Es wird nicht mehr lange dauern und sich nicht bis zum 31. Januar hinziehen.

Haben Sie das Schalker Angebot noch einmal nachgebessert?

Heidel: Nein. Um es mal klar zu sagen: Wir sind uns wirtschaftlich einig. Es kam irgendwann der Punkt, an dem ein finales Stück Papier aufgesetzt wurde. Da ist ein Haken dran. Wir reden überhaupt nicht mehr über Geld. Das einzige, worum es ging, war: Leon wollte abwarten, wie die sportliche Entwicklung bei Schalke ist. Jetzt sind sechs Monate rum. Wir stehen auf dem besten Tabellenplatz, den es hinter Bayern München geben kann. Und wir sind ins Viertelfinale des DFB-Pokals eingezogen. Schalke 04 kann nicht mehr bieten und mehr machen, als das, was wir getan haben.

Schalkes Sportvorstand Christian Heidel (Mitte) im Gespräch mit Manfred Hendriock (l.) und Thomas Tartemann (r.).
Schalkes Sportvorstand Christian Heidel (Mitte) im Gespräch mit Manfred Hendriock (l.) und Thomas Tartemann (r.). © DeFodi

Funktioniert Schalke auch ohne Goretzka?

Heidel: Ich bin ganz sicher, dass ohne Leon hier überhaupt nichts zusammenbrechen würde. Leon ist ein überragender Spieler, aber Fakt ist auch, dass wir leider seit Wochen ohne Ihn spielen und kein Spiel verloren haben. Fakt ist auch: Leon hat für uns in der Hinrunde elf Spiele gemacht. Unsere Spieler entwickeln sich alle weiter und wir können noch besser spielen.

Sead Kolasinac ist im letzten Sommer zu Arsenal gewechselt, bei Leon Goretzka droht der nächste ablösefreie Abgang. Wird Max Meyer, dessen Vertrag im Juni 2018 ausläuft, jetzt Ihre größte Herausforderung?

Heidel: Es geht dabei gar nicht um mich. Der Verein Schalke 04 wird dem Spieler Max Meyer ein Angebot unterbreiten. Das erste Angebot ist abgelehnt worden, er bekommt ein neues. Und dann wird Max entscheiden: Ja oder Nein. Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist, dass diese Personalie eine Bewertung meiner Arbeit sein soll. Ich kann doch nicht mehr machen, als mit diesem Geld, was mir zur Verfügung steht, zu versuchen, den Jungen zu halten. Wenn das nicht geht, hat das nichts mit Christian Heidel zu tun, sondern eben mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die wir auf Schalke haben. Wir müssen sehen, dass dieser Verein rentabel arbeitet.

Die Verträge von Thilo Kehrer, Alessandro Schöpf, Franco Di Santo und Matija Nastasic laufen 2019 aus. Gibt es Bestrebungen, vorzeitig zu verlängern?

Heidel: Hier und da ja, aber nicht in jedem Fall. Ab und zu muss man auch mal ein bisschen kitzeln.

Sie hatten bei der Ausleihe von Marko Pjaca Kontakt zu Juventus Turin. Ist dabei auch über Schalkes Leihgabe Benedikt Höwedes gesprochen worden?

Heidel: Nein. Das sind zwei Personalien, die nichts miteinander zu tun haben.

Also wird die Pjaca-Leihgebühr auch nicht von einer möglichen Kaufsumme für Höwedes abgezogen?

Heidel: Es wird null verrechnet.

Höwedes war lange verletzt und wird kaum die Anzahl von 25 Spielen erreichen, die erforderlich sind, damit Juventus ihn kauft.

Heidel: Es geht gar nicht um die Klausel. Wenn Benedikt fit ist – das wünsche ich ihm – und Stammspieler bei Juventus Turin wird, dann muss man reden. Genauso sprechen muss man, wenn der umgekehrte Fall eintritt. Er hat einen Vertrag bei uns. Wenn er im Sommer wieder auf Schalke ist, werden wir weitersehen. Dass es als Leihgeschäft insgesamt nicht ganz so glücklich war, weiß ich. Aber es war der ausdrückliche Wunsch von Benedikt Höwedes, zu Juventus ausgeliehen zu werden.

Für Sie läuft aktuell die vierte Transferperiode seit Ihrem Amtsantritt. Ist das jetzt Christian Heidels Schalke?

Heidel: Nein, es darf auch nie Heidels Schalke werden. Ich musste ja Schalke erst einmal kennenlernen. Jetzt habe ich einen ganz anderen Blick, ein ganz anderes Gespür, wie man diesen Verein führen muss. Was passt bei Trainer und Mannschaft am besten? Ich finde, dass sich alles schnell gefunden hat. Wir befinden uns noch nicht im Ideal-Zustand, aber auf einem sehr guten Weg.

Ist Domenico Tedesco ein Glücksfall?

Heidel: Glücksfall hört sich eher nach Zufall an. Das war so nicht. Ich habe vor der Verpflichtung von Domenico eine Telefonkonferenz mit dem gesamten Aufsichtsrat gemacht. Da habe ich den Sachverhalt in einer Stunde erklärt und gesagt: Ich hatte 14 Trainer. Und vier richtig gute. Und ich bin felsenfest überzeugt, dass Tedesco der Fünfte ist. Ich hätte die Zustimmung nicht gebraucht, aber der gesamte Aufsichtsrat hat gesagt: Wir gehen diesen Weg mit. Das war mir dieser sicher nicht Schalke-typischen Entscheidung wichtig.

Sie haben sich abgesichert und können Tedesco länger als zwei Jahre binden, wenn Sie es wünschen. Ziehen Sie diese Option?

Heidel: Über Vertragsinhalte spreche ich öffentlich nie. Domenico ist gerade mal ein halbes Jahr da und kann sich aktuell nichts Spannenderes und Besseres vorstellen, als Schalke 04 zu trainieren. Domenico wird sich weiterentwickeln. Wie entwickelt man sich weiter? Indem man dem Trainer die Freiheit gibt, sich zu entwickeln. Die bekommt er. Er soll und wird Tedesco bleiben, und darf auch durch Fehler lernen, vielleicht auch durch Rückschläge. Er hat bei uns vollste Rückendeckung.

Wenn jetzt ein Klub bei Ihnen wegen Tedesco anfragen würde: Was müsste er bieten, um ihn zu bekommen?

Heidel: Gar nichts. Es geht darum, Schalke für die Zukunft aufzustellen. Und die sehen wir mit Domenico Tedesco.