Gelsenkirchen. Als Torwart-Scout ist Christof Osigus seit Saisonbeginn beim FC Schalke 04 tätig. In der Knappenschmiede wird der nächste Manuel Neuer gesucht.
Beim Gang durch das Gebäude der Knappenschmiede bleibt der Blick schnell haften. Auf Schränken stehen goldene und silberne Pokale, die Wände sind voll von Auszeichnungen und Fotos von Spielern, die den Sprung von der Talentschmiede in den Profikader beim Revierklub geschafft haben. Auch der mehrfache Welttorhüter Manuel Neuer hängt hier aus - und dient als Vorbild für die aktuellen Torwarttalente beim FC Schalke 04. Mit Ralf Fährmann hat der Verein aktuell einen ambitionierten Keeper und ein Publikumsliebling im Kasten. Doch was kommt danach? Die Suche beginnt für Torwartscout Osigus schon ganz früh.
Rund 100 Torhüter bereits gesichtet
„Uns stehen theoretisch bis zu den U9-Mannschaften Videos zur Verfügung“, sagt der ehemalige U16-Torwarttrainer der Schalker. Seit rund vier Monaten ist Osigus, der selbst während seiner aktiven Zeit im Schalker Nachwuchs spielte, hauptverantwortlich für das Torwartscouting der Knappenschmiede auf Schalke: „Wir haben bisher gut 100 Torhüter gesichtet. Sowohl in Live-Spielen vor Ort als auch per Video von zu Hause aus.“ Dabei versucht der glühende Schalke-Fan eine gute Mischung zwischen dem Kontakt zu den eigenen Talenten und der Suche nach neuen Kandidaten zu finden. Osigus arbeitet hauptberuflich bei einer Bank. Der Scouting-Job auf Schalke ist für ihn eine Herzensangelegenheit, die er mit viel Leidenschaft angeht.
„Ich stehe morgens um fünf Uhr auf und schaue mir die Spiele von potenziellen Kandidaten an. Das mache ich in vierfacher Geschwindigkeit. So schaffe ich es, ungefähr zwei bis drei Partien pro Tag zu verarbeiten und zu analysieren.“ Am Wochenende geht es für Osigus dann aber auch auf die Plätze, um sich vor Ort ein genaues Bild zu machen. Dabei hat er aber gar nicht so wirklich talentierte Torhüter aus dem Ausland im Blick. Vielmehr Wert legt Osigus auf die Kandidaten vor der Haustür - beziehungsweise in Deutschland. Um sich von der Flut an Scouts abzusetzen und die Talente nach Schalke zu lotsen, verfolgt er einen klaren Plan.
Suche nach den Perlen im Verborgenen
„Ein wirkliches Ausnahmetalent - so wie es ein Manuel Neuer war - erkennt jeder. Das ist nicht die Kunst“, sagt Osigus: „Ich versuche, die Perlen im Verborgenen zu finden. Dafür braucht man viel Fleiß, Willen, Geduld und Kommunikation.“ Ebenso sei es unerlässlich, ein potenzielles Talent schon so früh und so lange wie möglich zu sichten. Bestimmte Kriterien machen einen guten Torwart für den Gelsenkirchener aus: „Ich schaue mir nie nur die besten oder schlechtesten Szenen an, sondern betrachte das Spiel als Ganzes. Wichtige Punkte sind dabei zum Beispiel welches Stellungsspiel der Torwart hat und natürlich auch seine fußballerischen Qualitäten schaue ich mir genauer an. Für mich ist aber zunächst am wichtigsten: Kann der Keeper auch einen Ball halten? Das wird mir manchmal zu schnell vergessen.“
Während seiner Zeit als Nachwuchstrainer hatte er mit dem Ex-Schalker Manuel Neuer ein sehr gutes Verhältnis, begleitete ihn bei seiner Zeit zum Profi. Beide pflegen noch heute einen regelmäßigen Kontakt: „Unmittelbar nach Manuels Zeit wurde auf Schalke eigentlich alles mit ihm in Verbindung gebracht. Jeder Torwart, der kam, wurde an ihm gemessen.“ Genau das sei in der Vergangenheit immer mal wieder ein Problem gewesen: zu hoher Erwartungsdruck, ständige Vergleiche. Doch jetzt würde man sich auf Schalke auch wieder mit neuen Aspekten beschäftigen. Das Thema Manuel Neuer sei mittlerweile eher weiter weg. Vielmehr beschäftigt Osigus ein anderes Feld, das die Suche nach echten Krachern erschwert.
Osigus wünscht sich mehr echte Typen
Das Problem sei, dass keine echten Typen mehr aus dem Nachwuchs nachkommen: „Wir haben kaum mehr einen Torwart in Deutschland oder flächendeckend, bei dem der Stürmer Angst hat, auf ihn zuzulaufen. Früher war es so: Da hattest du hinten einen Bekloppten im Tor stehen - da hatten die Stürmer dann keinen Bock mehr.“ Die Gründe dafür sieht Osigus generell auch in der Gesellschaft. Gerade die jüngeren Leute seien zu oft mit sich selbst beschäftigt. Deswegen versucht er, die Spieler dahingehend zu fördern: „Dazu gehört dann auch mal, dass du einen Spieler provozierst, damit er mal aus sich heraus kommt. Das alles ist ein laufender Prozess.“
Genau so ist der Scouting-Job für Osigus ein Prozess, bei dem er sich selbst ständig weiterentwickeln möchte, um dann am Ende vielleicht wirklich den neuen Manuel Neuer zum FC Schalke 04 zu holen.