Gelsenkirchen. Der neue Kapitän Ralf Fährmann hat mit Schalke viel vor. Zu Vorgänger Benedikt Höwedes hält Fährmann nach wie vor Kontakt. Ein Interview.
Schalkes Urgestein Ralf Fährmann führt die Mannschaft seit Beginn dieser Saison als Kapitän durch die Bundesliga. „Das macht mich noch selbstbewusster“, sagt er. Im Interview spricht der 29-Jährige über die neue Rolle, Vorgänger Benedikt Höwedes, Nationalspieler Leon Goretzka – und er sagt, warum er ein richtig gutes Gefühl hat.
Sie sind seit Jahren Führungsspieler. Ihre Position wurde durch die Kapitänsbinde zusätzlich hervorgehoben. Erleben wir jetzt einen anderen Ralf Fährmann auf Schalke?
Ralf Fährmann: Nein, das nicht. Die Binde am Arm zu tragen, macht mich wahnsinnig stolz. Ich empfinde das als Aufwertung. Natürlich ist man jetzt ein bisschen mehr im Fokus. Das finde ich aber nicht schlimm. Ich verhalte mich genau wie vorher. Ein Kapitän ist kein Lehrer, der zu seiner Klasse spricht und sagt: Du musst das machen, du musst das machen. Man arbeitet in einer Mannschaft zusammen.
Können Sie das näher erläutern?
Fährmann: Ich bin zwar Kapitän, aber Leon Goretzka übernimmt zusammen mit Naldo oder auch Guido Burgstaller ebenso viel Verantwortung. Der Kapitän ist eher einer, der dann gefragt ist, wenn es nicht so gut läuft. Er tritt dann in Erscheinung, wenn Dinge konkret angesprochen werden müssen. Jetzt sind wir in einer Phase, in der sehr vieles okay ist. Trotzdem spreche ich natürlich Dinge an. Aber für mich als Spieler hat sich nicht so viel verändert. Es ist auf gar keinen Fall so, dass für mich ein roter Teppich in der Kabine ausgerollt wird (lacht).
Sie haben jahrelang mit Benedikt Höwedes, der jetzt bei Juventus Turin sein Glück versucht, zusammengespielt. Haben Sie sich vom Weltmeister in Sachen Mannschafts-Führung etwas abgeschaut?
Fährmann: Das Wichtigste im Leben ist, authentisch zu bleiben. Würde ich versuchen, so zu sein wie Oliver Kahn, Michael Ballack früher oder jetzt Benedikt Höwedes, würde ich mich verstellen. Wir haben auf Schalke in den vergangenen Jahren viele Sachen zusammen besprochen, sind auch als Team aufgetreten. Ich bin ich. Und Bene ist Bene.
Haben Sie noch Draht zu Benedikt Höwedes?
Fährmann: Ja, wir haben uns ab und zu geschrieben. Für ihn ist es natürlich bei Juventus blöd gelaufen mit der Oberschenkel-Verletzung. Es kann jetzt nur besser werden. Bene ist ein Typ, der keine halben Sachen macht. Er hat sich für den Schritt Juventus entschieden und lernt jetzt so schnell wie möglich Italienisch, um ganz in Italien anzukommen.
Mussten Sie eigentlich lange überlegen, das Kapitänsamt anzutreten?
Fährmann: Nein. Ich glaube einfach, dass bei uns insgesamt im Verein vieles festgefahren war. Letztlich war es nur eine kleine Veränderung, um neue Impulse zu geben. Wenn man sich mal die anderen Bundesligisten anschaut: Da findet häufiger ein Kapitänswechsel statt. Man darf nicht nach dem Motto verfahren: Das war immer so. Warum ist das jetzt anders? Im Fußball – und auch für mich selbst – gilt das Motto: Stillstand ist der erste Rückschritt. Man muss sich immer weiterentwickeln.
Viele Experten bemängeln, dass ein Torwart als Kapitän kaum auf Teamkollegen oder Situationen einwirken kann, weil er zu weit weg vom Geschehen ist. Wie sehen Sie das?
Fährmann: Da gebe ich Ihnen recht. Man kann nicht so mit dem Schiedsrichter kommunizieren, wenn es eine strittige Situation gibt. Aber wir sind ein Team von Führungsspielern. Deswegen übernehmen Naldo, Goretzka und Burgstaller auch Verantwortung.
Wie verhalten Sie sich in der Halbzeit? Sind Sie jetzt auch mal lauter?
Fährmann: Es kommt auf die Situation an. In erster Linie geht es darum, in der Pause erst mal kurz runterzukommen, die Emotionen etwas sacken zu lassen und sich die Sachlage neutral-nüchtern anzuschauen. Dann kommt der Trainer dazu und man bespricht den Plan, das Konzept für die zweite Halbzeit.
Kann es sein, dass Sie unheimlich genervt in die Kabine kommen und einen Hallo-Wach-Effekt herbeiführen?
Fährmann: Könnte sein, kam aber noch nicht vor. Der Kapitän ist gefragt, wenn man unterirdisch spielt. Ich bin eher ein Freund davon, dass man viele Dinge unter vier Augen anspricht. Wenn gerade vor einer Gruppe mit dem Finger auf einen gezeigt wird, nimmt jener automatisch eine Schutzhaltung ein. Man erreicht mit Sachlichkeit im Einzelgespräch mehr. Aber sicherlich gehört beides dazu, also auch die Variante, Klartext vor allen zu reden.
Haben Sie viel Arbeit als Spielführer?
Fährmann: Klar hat man mehr Sachen, die auf einen zukommen, wo man um Rat gefragt wird. Ich mache das gerne und bin ohnehin jemand, der als einer der Letzten die Kabine verlässt.
Mit Benedikt Höwedes und Klaas-Jan Huntelaar sind zwei Eckpfeiler weg. Leon Goretzka könnte ab Sommer der nächste wichtige Spieler sein, der Schalke verlässt. Sind Sie irgendwann die letzte Galionsfigur auf Schalke?
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Fährmann: Klar ist es schade, wenn die Zahl der Spieler, die lange beim selben Klub spielen, abnimmt. Aber im Vergleich zu anderen Vereinen haben wir Profis, die lange auf Schalke bleiben. Wenn man sich mal Eintracht Frankfurt ansieht, da ist die Fluktuation richtig extrem.
Haben Sie Hoffnung, dass Leon Goretzka über das Jahr 2018 Schalker bleibt?
Fährmann: Leon ist ein Spieler mit tollen Voraussetzungen. Er kann einer der besten Mittelfeldspieler der Welt werden und muss einfach abschätzen, welcher Schritt für ihn am besten ist und was für ihn wichtig ist. Wenn man mit Leon spricht, glaubt man, dass er gefühlt schon Ende 20 und nicht 22 Jahre alt ist.
Warum?
Fährmann: Er ist vom Kopf unheimlich weit und sehr intelligent. Ich würde mir wünschen, dass er noch lange hier bleibt. Aber man muss auch ehrlich sein. Ein Mann mit seinen Qualitäten ist auf lange Sicht schwer zu halten. Auf Dauer wird er bei den Topklubs landen. Die Frage ist nur: Wann?
Wenn sich Schalke auch diesmal nicht für den europäischen Wettbewerb qualifizieren sollte, was hätte das für Sie persönlich für Konsequenzen?
Fährmann: Natürlich würde mich das frustrieren. Ich finde einfach, dass Schalke mit in die europäische Spitze gehört. Aber so weit denke ich gar nicht, weil ich einfach ein gutes Gefühl habe, dass wir erfolgreich sein können.