Gelsenkirchen. . Radio-Kommentator Manni Breuckmann hat schon in der Glückauf-Kampfbahn Spiele kommentiert. Schalke ist für ihn immer mehr als nur ein Arbeitsplatz gewesen. Gewisse Entwicklungen nerven ihn.
- Radio-Kommentator Manni Breuckmann hat schon in der Glückauf-Kampfbahn Spiele kommentiert
- Schalke ist für ihn immer mehr als nur ein Arbeitsplatz gewesen
- Gewisse Entwicklungen nerven ihn
36 Jahre (von 1972 bis 2008) hat Manfred „Manni“ Breuckmann für WDR 2 Fußballspiele im Radio kommentiert. Am liebsten die Spiele mit Schalker Beteiligung. Am allerliebsten Revierderbys. Der gebürtige Dattelner ist Fan der Königsblauen. Im Interview spricht der 66-Jährige über alte Hinweisschilder in der Glückauf-Kampfbahn, singende Spielerfrauen und über das, was ihn am Fußball mittlerweile stört.
Haben Sie eigentlich mal nachgezählt, wieviele Schalke-Spiele Sie im Radio kommentiert haben?
Manfred Breuckmann: Nachgezählt habe ich nicht. Ich weiß nur, so über den Daumen, dass ich rund 1000 Spiele übertragen habe. Wie hoch der Schalke-Anteil davon war, kann ich nicht sagen. Der Schwerpunkt war aber schon das Ruhrgebiet: Schalke, Dortmund, Bochum. Ich bin immer lieber im Pott als in Köln, Mönchengladbach oder Leverkusen gewesen. Die Spiele konnte ich mir aber nicht aussuchen, auf Vorlieben wurde da nicht groß geachtet.
Erinnern Sie sich denn noch an Ihren ersten Einsatz auf Schalke?
Manfred Breuckmann: Oh ja, da habe ich eine Probereportage auf Band aufnehmen müssen, die sich der große damalige WDR-Hörfunk-Sportchef Kurt Brumme angehört hat. Das muss 1971 gewesen sein, es war auf jeden Fall noch in der Glückauf-Kampfbahn. Ich bin einer der letzten Lebenden, der das Schild gesehen hat: zu die Presseplätze. Jeder hat seinen Platz gefunden (lacht). In dem Spiel, das weiß ich noch genau, ist tatsächlich ein ganz klassisches Tor gefallen: Flanke Stan Libuda, Tor durch Klaus Fischer. Wie Fischer das Tor gemacht hat, weiß ich allerdings nicht mehr. Sicher war es kein Fallrückzieher.
Sie haben Spiele in drei Schalker Stadien kommentiert. In welchem Stadion hat es ihnen am besten gefallen?
Manfred Breuckmann: Eindeutig in der Arena. Das Parkstadion mochte ich nicht so sehr. In den ersten Jahren saßen wir noch unter dem Dach in Kabinen, in einer Art Wohnzimmer. Da warst du auch stimmungsmäßig abgekapselt. Du hast auch nichts gesehen. Freitagabend, Schalke gegen Saarbrücken, wallender Nebel, dreckverschmierte Trikots, da musstest du lügen wie ein Weltmeister. Das waren ja 100 Meter bis zur Eckfahne.
Gab es eigentlich nie ein böses Wort von den Dortmundern, weil Sie Schalke-Fan sind?
Manfred Breuckmann: Den meisten war ja lange Zeit nicht klar: ist er Dortmunder, oder ist er Schalker? Als Reporter eines Senders für ganz NRW war ich der Neutralität verpflichtet. Ich glaube, dass ich das auch ganz gut durchgehalten habe. Ich habe ja auch erlebt, wie Schalke in Dortmund verloren hat. Was sollte ich denn da sagen, als die Dortmunder ein Tor erzielt haben? ‘Und Tor’ mit leichenbitterer Stimme? Nein, du schreist dann auch wie am Spieß. Da bist du kein Vereinsreporter, sondern Fußballreporter.
Sie haben live über bittere Niederlagen, aber auch über große Schalker Siege berichtet. Was war der Höhepunkt?
Manfred Breuckmann: Der emotionale Höhepunkt war eindeutig 1997 in Mailand, der Sieg im Uefa-Cup-Finale. Beim Flug von Mailand zurück ist der Pokal im Flugzeug durch die Reihen gewandert. Dabei ist ein Foto entstanden. Ich habe 20 Jahre lang nicht gewusst, wer das Foto gemacht hat und wo es ist. Beim Spiel der Eurofighter vor kurzem hat es mir ein Kollege gegeben. Da bin ich sehr stolz drauf.
Und wie haben Sie die Vier-Minuten-Meisterschaft 2001 erlebt?
Manfred Breuckmann: Das war der emotionale Tiefpunkt mit Schalke. Ich saß in Gelsenkirchen und habe über Kopfhörer alles aus Hamburg mitbekommen. Es war ja die Konferenz, wo jeder jeden hörte. Plötzlich fingen im Parkstadion alle an zu feiern. Ich bin noch aufgestanden und habe beschwichtigende Gesten gemacht. Aber das war natürlich Quatsch. Die Fans waren ja schon in der kollektiven Raserei angekommen, sie waren Deutscher Meister.
Vier Minuten später nicht mehr.
Manfred Breuckmann: Ich habe wochenlang gebraucht, um das Ereignis einigermaßen zu verpacken. Danach habe ich beschlossen, den Fußball nicht mehr so nah an mich heranzulassen. So wichtig ist Fußball auch nicht. Fußball hat mein Leben zwar stark bestimmt, mein Leben ist es aber nicht. Ein bisschen Distanz habe ich schon, angesichts der Entwicklungen im Fußball sowieso.
Welche Entwicklungen meinen Sie?
Manfred Breuckmann: Ich nehme mal das Spiel der Eurofighter als Beispiel. Jeder Spieler, mit dem ich dort gesprochen habe, hat mir versichert, dass das damals wirklich eine Mannschaft war. Wenn der Wilmots sagt: ‘in der Mannschaft hätte ich auch ohne Geld gespielt’, ist das eine dreckige Lüge. Aber es gab schon einen sehr großen Zusammenhalt, die Spieler haben auch mal etwas zusammen unternommen. Auch die Spielerfrauen haben sich gut verstanden. Ich sehe das noch vor mir: sie standen im Spielertunnel und sangen das Eurofighter-Lied, während ihre Kerle auf den Platz gingen.
Und wie sehen Sie den Fußball 20 Jahre nach dem Uefa-Cup-Sieg?
Manfred Breuckmann: Ich bin weit davon entfernt, ein Fußball-Romantiker zu sein. Es ist auch früher nicht alles besser gewesen. Aber die Tendenz geht wirklich dahin, dass es nur noch um Kohle geht, dass man den Fußball nur noch unter ökonomischen Gesichtspunkten sehen kann. Fußball ist ein Produkt, man hat Kunden und keine Fans - in diese Richtung geht’s.
Sie haben einmal gesagt: Wenn die Eckfahne eines Tages Nutella-Eckfahne heißt, hören Sie auf. Mögen Sie etwa keine Nuss-Nougat-Creme auf dem Brötchen?
Manfred Breuckmann: Auch das nicht, das Zeug ist mir mittlerweile echt zu süß. Nein, im Ernst: Es wird doch mittlerweile alles von irgendeiner Firma präsentiert - die Zuschauerzahl von Firma XY, die Ecke dann von einer anderen Firma. Da sind wir ja schon fast bei der Eckfahne angekommen.
Lesen Sie auf Seite 2, was Manni Breuckmann über den neuen Schalke-Trainer Tedesco denkt
Breuckmann über den neuen Schalke-Trainer Tedesco
Auch der Satz „An Weihnachten werden sich in Dortmund die Kinder um den Großvater scharen, um sich die Geschichte vom letzten BVB-Sieg gegen Schalke erzählen zu lassen“, stammt von Ihnen. Haben Sie keine Angst, dass der Großvater in Gelsenkirchen bald zur Erzählstunde gebeten wird?
Manfred Breuckmann: Nein, Angst davor habe ich da nicht. Es ist ja schon so, dass beide Vereine häufig unentschieden gegeneinander spielen. Schalke wird immer mal ein Derby gewinnen. Damals waren es ja viele Jahre, in denen der BVB kein Spiel gegen Schalke gewann.
In der vergangenen Saison endeten beide Derbys unentschieden. 0:0 in Dortmund, 1:1 auf Schalke. Der BVB wurde am Ende Dritter, Schalke ist Zehnter. Damit kann kein Blau-Weißer zufrieden sein.
Manfred Breuckmann: Nein, bin ich auch nicht. Man hat in der Saison einfach zu oft gesehen, dass die Schalker nicht gebissen haben. Wenn es spielerisch nicht hinhaut, dann musst du doch wenigstens beißen und aggressiv sein. Zusammengenommen war die Saison eine riesengroße Enttäuschung. Es sind für 70 Millionen Euro Spieler gekauft worden, da muss Schalke mindestens Siebter werden.
Finden Sie es denn richtig, dass Christian Heidel mit Domenico Tedesco einen neuen Trainer verpflichtet hat?
Manfred Breuckmann: Warum gab’s die Entlassung von Weinzierl nicht direkt nach Saison-Ende? Ist noch irgendwas passiert, von dem wir nichts wissen? Und zum neuen Trainer: Da ist ein gewisses Lotto-Toto-Element drin, wie bei einer Aktie. Der Mann könnte auf Schalke etwas ganz Großes erschaffen, er ist ja ein Riesen-Trainertalent. Aber wir wissen es leider noch nicht, unter anderem deswegen, weil er ja bislang nur Jugendliche und die Aue-Kicker trainiert hat. Ich bin skeptisch, aber immerhin: Die schöne Schalker Tradition, Trainer schnell rauszuschmeißen, wurde gewahrt.