London. Mesut Özil ist Weltmeister und mit dem FC Arsenal englischer Pokalsieger. Im Interview verrät er, dass sein Herz an einem anderen Verein hängt.
- Mesut Özil ist Weltmeister und mit dem FC Arsenal englischer Pokalsieger
- Uns hat er verraten, dass sein Herz an einem anderen Verein hängt
- Ein Interview
Ein Gitter-Käfig. Mitten in Gelsenkirchen-Bismarck. Auf einem staubigen kleinen Bolzplatz begann die Karriere von Mesut Özil (28). Mit seinen Brüdern jagte er dem Ball hinterher, und ein bisschen wollte er so sein wie sein großes Vorbild Zinédine Zidane. Aus dem Käfig hat er sich herausgezaubert auf die große Bühne. Erst Schalke, dann Bremen, Real Madrid, jetzt FC Arsenal. Weltmeister ist er geworden, ein Buch hat er geschrieben („Die Magie des Spiels“). Aber wie geht es weiter mit der Karriere des sensiblen Technikers? Ein Gespräch mit dem Mann, der Urlaub machen darf, während eine verjüngte Nationalmannschaft heute in Dänemark und dann beim Confed-Cup in Russland spielt.
Sie haben die Saison bei Arsenal mit dem englischen Pokalsieg beendet. Wie fühlt es sich an, einen Titel gewonnen zu haben?
Mesut Özil: Fantastisch. Und wir haben ja nicht gegen irgendeinen Gegner gewonnen, sondern gegen Chelsea, den aktuellen Premier-League-Meister. Ich glaube, es war ein richtig gutes Spiel von uns.
Sie haben die Mannschaft angeführt. Dabei heißt es doch immer, dass Sie sich in wichtigen Spielen verstecken würden?
Özil: So, heißt es das? Es ist ja kein Geheimnis, dass meine größten Stärken im letzten Drittel des Spielfeldes liegen. Wenn wir dann einmal nicht so viel Ballbesitz haben, kommt meine Stärke nicht immer so sehr zum Tragen wie vielleicht in anderen Spielen. Das liegt aber in der Natur der Sache und nicht daran, dass ich mich verstecken würde. Vielleicht sieht das dann von außen wie Abtauchen aus, wenn dadurch zusätzlich noch die Leichtigkeit abhanden kommt. Ich gebe aber immer alles auf dem Platz, weil ich das Spiel liebe.
In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie Ihnen in London ständig von Fotografen aufgelauert wird. Ist es immer noch so schlimm?
Özil: Das gehört in London einfach mit dazu. Sie warten immer noch darauf, dass ich herauskomme, um mich abzuschießen. Manchmal warten sie auch vor dem Restaurant, in dem ich esse. Klar ist das stressig, weil ich mir einfach wünschen würde, auch einmal ein ganz normales Privatleben zu haben.
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Wie sehr schränkt Sie das ein?
Özil: Man muss sich einfach anpassen: Zum Beispiel gehe ich zur Prime Time so gut wie nie ins Kino. Das fängt schon am Ticketschalter an. Wenn ich einmal erkannt werde, habe ich keine freie Sekunde mehr für mich oder meine Freunde. Deshalb suche ich mir späte Filmzeiten aus.
Und wie ist es, wenn Sie in Ihre Heimat nach Gelsenkirchen kommen, um Ihre Familie zu besuchen?
Özil: Nicht so extrem wie in London. Es ist ja auch oft so, dass meine Mutter und meine Geschwister zu mir nach London kommen. Das ist herrlich. Meine Mutter kocht türkische Gerichte, wir sitzen zusammen am großen Tisch und genießen die Zeit.
Auf Schalke begann Ihre Karriere. Verfolgen Sie die Entwicklung Ihres Ex-Klubs?
Özil: Natürlich. Schalke ist mein absoluter Lieblingsklub, ich bin immer noch ein großer Fan. Schließlich bin ich auf Schalke aufgewachsen.
Der Klub hat riesiges Potenzial, enttäuschte in dieser Saison aber maßlos. Wundert Sie das?
Özil: Vom Potenzial her ist Schalke nach Bayern München und Borussia Dortmund für mich in Deutschland die Nummer drei. Sie gehören nach oben. Der Klub ist einfach geil. Sie haben wunderbare Fans und ein tolles Stadion. Deshalb ist es schade, dass sie im Mittelmaß stecken. Dieser fantastische Klub hätte mehr verdient.
Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie auf Schalke Ihre Karriere beenden und sich der Kreis für Sie damit schließen würde?
Özil: Im Moment mache ich mir darüber keinerlei Gedanken. Aber im Fußball kann man nichts ausschließen. Meine Familie würde sich natürlich sehr über eine Rückkehr freuen.
Wissen Sie denn, wo Sie in der kommenden Saison spielen werden? Bleiben Sie bei Arsenal?
Özil: Mein Berater wird sich mit den Klub-Verantwortlichen zusammensetzen. Außerdem habe ich ja noch ein Jahr Vertrag bei Arsenal.
Toni Kroos erklärte zuletzt, dass er nicht mehr in der Bundesliga spielen wolle. Schließen Sie auch eine Rückkehr nach Deutschland aus?
Özil: Nein. Die Bundesliga ist hochinteressant und gehört zu den Top-Ligen der Welt.
2010, also vor sieben Jahren, ging Ihr Stern bei der WM in Südafrika richtig auf. Bundestrainer Joachim Löw vertraute Ihnen. Können Sie beschreiben, was Sie an Löw schätzen?
Özil: Er ist ein wichtiger Trainer und Mensch für mich. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir damals vertraut hat. Ohne ihn würde ich jetzt nicht da stehen, wo ich stehe. Menschlich schätze ich besonders seine Ehrlichkeit. Er sagt mir, wenn ihm etwas nicht passt. Sein Urteil ist wichtig.
Und als Trainer?
Özil: Früher kämpfte Deutschland Fußball, seit Löw spielt Deutschland schönen Fußball. Das sagt doch alles über seine Qualitäten aus. Bei ihm fühle ich mich gut aufgehoben, ich kann befreit aufspielen. Er ist der perfekte Trainer. Zuletzt haben viele starke Spieler ihre Karriere in der Nationalmannschaft beendet. Aber Löw hat es geschafft, die Mannschaft weiter auf einem ganz hohen Level zu halten.
Reicht das, um 2018 noch einmal Weltmeister zu werden?
Özil: Klares Ja. Wir haben die Qualität dafür. Wir wissen, was wir können.
In Russland wären Sie 29 Jahre alt, bei der EM 31 Jahre – beenden Sie danach Ihre Länderspielkarriere?
Özil: Meine Freunde fragen mich auch, wie lange ich noch Fußball spielen möchte. Ich sage ihnen: Solange mein Körper mitmacht und ich Spaß am Fußball habe. Da spielt das Alter keine Rolle. Sollte ich aber müde werden und spüren, dass der Spaß weg ist und der Körper streikt, höre ich auf.
Mario Götze leidet unter einer Stoffwechselkrankheit. Fehlt er der Nationalmannschaft?
Özil: Ja. Und nicht nur als Fußballer. Mario ist ein wunderbarer Mensch, der – viele glauben es ja nicht – total auf dem Boden geblieben ist. Seine Qualitäten als Fußballer stehen für mich außerhalb jeglicher Diskussion. Deutschland braucht ihn.
Wo werden Sie nach Ihrer Karriere einmal leben?
Özil: Ich könnte mir gut vorstellen, nach meiner Karriere in London zu leben. Die Stadt gefällt mir sehr gut. Düsseldorf wäre ebenfalls eine Option, weil ich dann in der Nähe meiner Familie wäre.
Vor sieben Jahren begann in Südafrika Ihre große Karriere. Wie hat sich der Mensch Mesut Özil seitdem verändert?
Özil: Ich bin immer noch der alte Mesut. Ein Familienmensch, der das Leben genießt, Spaß am Fußball haben will, und der respektvoll und höflich mit seinen Mitmenschen umgeht.
Haben Sie außerhalb des Fußballs einen großen Lebenstraum, den Sie sich einmal erfüllen möchten?
Özil: Ganz ehrlich?
Natürlich!
Özil: Ich möchte einmal eine Weltreise unternehmen. Einfach mal abtauchen und reisen. Ich würde gerne einmal die Chinesische Mauer sehen, mal durch Tokio gehen, nach Mauritius fliegen oder Angeln gehen. Ja, das sind so Träume, die ich mir nach der Karriere erfüllen möchte.
Gibt es Persönlichkeiten, die Sie gerne treffen möchten…
Özil: Michael Jackson und Muhammad Ali – leider sind diese großen Persönlichkeiten bereits verstorben.
Waren Sie als Kind denn mal auf einem Konzert von Michael Jackson?
Özil: Dafür hatte ich damals kein Geld.
Sie hatten ein Angebot aus China, sie hätten 100 Millionen Euro verdienen können. Sie lehnten ab. Muss der Fußball nicht aufpassen, dass er den Bezug zur Realität nicht völlig verliert?
Özil: Als Spieler kann man es leider nicht beeinflussen. Natürlich sind diese Zahlen übertrieben. Aber die Menschen lieben diesen Sport und gehen doch gerade für einen Spieler wie Ronaldo ins Stadion. Fußball ist weltweit ein Zuschauermagnet.