Gelsenkirchen. . Der Eurofighter Olaf Thon über das Halbfinale gegen Teneriffa und den verschossenen Elfmeter von Johan de Kock, der heiße Diskussionen auslöste.

Die Geschichte der Eurofighter: Das ist die Story einer Mannschaft, die zusammen gehalten hat wie Pech und Schwefel und mit ihrem gemeinsamen Willen das ganz große Ding gedreht hat. Dass es zwischendurch auch mal ein bisschen gerumst hat, erzählt Olaf Thon im nächsten Teil der WAZ-Serie. Es geht um einen verschossenen Elfmeter auf Teneriffa, um die Debatten davor und danach. Und um die starken Charaktere, die Schalke vor 20 Jahren so felsenfest stehen ließen, dass der Elfmeter-Fehlschuss im Hinspiel des Halbfinales nur eine kleine Episode auf dem Weg zum großen Triumph war.

Der Gegner

CD Teneriffa – die Fans dachten nach der Auslosung fürs Halbfinale an Urlaub, Olaf Thon dachte an Jupp Heynckes, den Coach auf den Kanaren. Thon kannte Heynckes aus gemeinsamen Zeiten bei Bayern München, „er war zusammen mit Huub Stevens und Franz Beckenbauer der beste Trainer, den ich je hatte”. Unglücklicherweise nahm Heynckes auch seinen Co-Trainer Egon Coordes mit nach Teneriffa, den hat Thon nicht ganz so gut in Erinnerung. „Ein Schleifer vor dem Herrn. Als zu unseren Bayern-Zeiten sein Schäferhund gestorben ist, haben wir in der Mannschaft gesagt: Der hat den tot trainiert.”

Das Hinspiel

Coordes stand zum Glück nicht auf dem Platz, Martin Max und Youri Mulder leider aber auch nicht: Beide hatten sich drei Tage vorher beim Spiel in Karlsruhe schwer verletzt, Schalke stand ohne Sturm da. Und nach sechs Minuten auch mit einem Rückstand, weil Teneriffas Torjäger Juanele im Strafraum nach einem leichten Kontakt mit Thon zu Boden sank und Felipe den Elfmeter zum 1:0 verwandelte. Immerhin resultierte aus diesem geschenkten Elfmeter ein Versprecher für die Ewigkeit, wie Olaf Thon 20 Jahre später noch weiß. „Aus diesem Spiel stammt mein Spruch: Ich habe ihn nur ganz leicht retuschiert.”

Schalke aber sprach nach dem Spiel vor allem über den Elfmeter, den Johan de Kock in der 78. Minute zum möglichen 1:1-Ausgleich vergab. Denn der Holländer war gar nicht als Schütze vorgesehen, „er hat sich einfach den Ball geschnappt”, berichtet Thon. Ingo Anderbrügge habe ihn auf dem Platz geradezu bekniet, in seiner Rolle als Kapitän doch einzuschreiten. „Aber ich habe zu Ingo gesagt: Ich kann Johan doch jetzt nicht den Ball aus der Hand nehmen, damit macht man mehr kaputt. Im Nachhinein gab es aber Riesentheater.”

Olaf Thon erzählt diese Geschichte so ausführlich um zu verdeutlichen, was für starke Jungs Schalke damals gehabt hat. „Johan und Ingo waren beide keine einfachen Typen”, sagt Thon: „Johan wollte mit dem Elfmeter Verantwortung übernehmen und mit seinem unbändigen Willen die Macht an sich reißen. Ingo hat danach kein Blatt vor den Mund genommen.” Was aber viel bezeichnender für das Schalke von damals war: Es gab die unterschiedlichsten Charaktere, auf die alle gehört haben. Rudi Assauer als Manager, Huub Stevens als Trainer, Charly Neumann als ausgleichendes Element und Olaf Thon als Kapitän. „Wir vier waren so stark, dass wir solche Probleme regeln konnten”, sagt Thon: „In der Kabine hat es gerumst, und auf dem Rückflug wurde schon wieder geflachst.” Schalke flog damals stets noch in der Nacht nach dem Spiel zurück, Stevens saß immer in Reihe eins. Thon: „Wir haben ihn von hinten mit Papierkugeln beworfen, das hat er nicht verstanden, da wurde er fuchsig. Aber wir hatten viel Spaß.” Und die Stimmung war wieder so, dass Schalke sich schwor: Diese 0:1-Niederlage auf Teneriffa wird noch gedreht.

Das Rückspiel

„Sportlich war es vielleicht die schwierigste Situation im ganzen Wettbewerb”, glaubt Thon: „Wir mussten dem Rückstand hinterherlaufen und durften hinten keinen reinlassen. Und das gegen Teneriffa, das ein schwerer Brocken war – die standen oben in der Liga.” Doch Schalke löste die knifflige Aufgabe mit Bravour: Mit dem 1:0 durch Thomas Linke wurde in der 68. Minute der Gleichstand hergestellt, mit dem 2:0 köpfte Marc Wilmots Schalke in der Verlängerung ins Finale.

Beide Tore fielen nach Standardsituationen von Thon: „Diese Standards hat uns Huub Stevens vorher schon auf die Tafel geschrieben, das war unsere Waffe”, sagt Thon: „Und wir waren so fit, dass wir auch in der Verlängerung über Grenzen gehen konnten.”

Die Erinnerung

Man bekommt heute noch eine Gänsehaut, wenn man dran denkt: „Steht auf, wenn ihr Schalker seid – das wurde beim Rückspiel zum ersten Mal im Parkstadion gesungen”, erinnert sich der Kapitän. Der Gesang hat sich bis heute gehalten, wenn er auch jetzt in der Arena leider nicht mehr so gewaltig klingt. Thon weiß aber, wie es damals auf Schalke war: „Unsere Fans waren auf Entzug.”

Der Held

„Für mich war das Marc Wilmots, weil er das entscheidende Tor in der Verlängerung erzielt hat”, sagt der Kapitän: „Mit seinem unbändigen Willen ist er hoch über seinen Gegenspieler gesprungen, der einen Kopf größer war als er.” Wilmots ist bis heute eine der größten Figuren bei diesem Schalker Ritt durch Europa vor 20 Jahren, „er”, sagt Thon, „hat ja nicht umsonst im Finale dann auch den letzten Elfmeter verwandelt.” Doch darum geht es erst in der nächsten Folge.