Mittersill. Schalkes-Manager Christian Heidel über Geld, Ziele – und sich selbst. Er ist sehr angetan von seinem neuen Klub. „In manchen Bereichen muss ich sagen: Besser geht es nicht.“
- Schalke-Manager Heidel im Interview über Geld, Ziele – und sich selbst.
- Der neue Chef ist merklich angetan von "seinem" S04.
- „In manchen Bereichen muss ich sagen: Besser geht es nicht.“
Im Schlosshotel von Mittersill gibt es ein Turmzimmer, von dem man eine herrliche Aussicht über den ganzen Ort hat. Und, ganz wichtig in diesen Tagen: Einen guten Handy-Empfang. Hier lädt Schalkes Manager Christian Heidel (53) zum Exklusiv-Interview mit der WAZ ein.
Herr Heidel, das Drama des Trainingslagers war die Kreuzbandverletzung Ihres Neuzugangs Coke. Wie geht es dem Spieler inzwischen?
Christian Heidel: Ich habe am Samstag lange mit ihm gesprochen, danach hatte er den Kopf schon wieder etwas weiter oben. Zuerst dankt man ja: Oh Gott, was bedeutet das für uns? Aber man vergisst leicht, was das für den Jungen bedeutet: Der wechselt den Klub, kommt in ein fremdes Land, wo er keinen kennt, und nach zwei Tagen liegt er da und ist verletzt. Wir werden keinen neuen Spieler für ihn holen - da hätte ich Coke gegenüber ein schlechtes Gefühl. Er kommt ja spätestens zur Rückrunde zurück, aber wir hoffen früher.
Wird das zumindest angerissene Kreuzband operiert?
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Heidel: Das steht noch nicht fest. Wir haben die Bilder von seinem verletzten Knie einigen Spezialisten geschickt und werden die Entscheidung nach deren Urteil treffen.
Sie selbst sind jetzt seit fast drei Monaten auf Schalke. Im Trainingslager gab es einmal Christian-Heidel-Sprechchöre von den Fans. Das schien Ihnen fast peinlich zu sein…
Heidel: Der Eindruck ist richtig, weil ich das nach so kurzer Zeit auch noch gar nicht verdient habe. Ich freue mich riesig, wenn die Mannschaft gefeiert wird, doch mir persönlich ist das ein bisschen unangenehm. Ich glaube aber, die Zuneigung ist ein Zeichen, dass die Leute verstanden haben, was wir hier künftig machen wollen, und dass sie auch zu unserem Weg stehen.
Heidel über seinen Eindruck von Schalke
Ist Schalke so, wie Sie das jahrelang von außen wahrgenommen haben?
Heidel: Das muss man differenzieren. Diese Emotion und diese Größe habe ich mir so vorgestellt, aber ich wusste nicht, wie es sich anfühlt, wenn zum Beispiel in Mittersill quasi der ganze Ort für eine Woche von unseren Fans eingenommen wird und fast an jedem Balkon eine blau-weiße Fahne hängt. Den Verein an sich habe ich anders erwartet.
Inwiefern?
Heidel: Die Wahrnehmung von außen ist: Typisch Schalke steht für Chaos. Aber diese Wahrnehmung müssen wir ändern, denn sie entspricht einfach nicht der Wahrheit. Ich war sehr, sehr positiv überrascht über diese Vereinsstruktur, wie alles aufgebaut ist. Vom Marketing über die Medienarbeit bis hin zu den Finanzen. In manchen Bereichen muss ich sagen: Besser geht es nicht. Wir haben uns zu meiner Zeit in Mainz alle Mühe gegeben, den Verein bestmöglich aufzustellen. Aber hier auf Schalke habe ich Dinge kennengelernt, die ich in Mainz auch gerne gehabt hätte - von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Außerdem habe ich gedacht, dass man mir auf Schalke mit mehr Skepsis begegnet.
Nach dem Motto: Was will der aus dem kleinen Mainz?
Heidel: Ja, genau. Vielleicht habe ich die richtige Ansprache mit den Leuten gewählt, dass man nach sehr kurzer Zeit mir gegenüber sehr offen und ehrlich war - ich bin nicht als Oberlehrer und Besserwisser gekommen. Ich finde, dass auf Schalke eine sehr familiäre Atmosphäre herrscht - und die brauche ich auch. Das hängt mit den Leuten zusammen, die sich von den Mainzern gar nicht so sehr unterscheiden.
Woran machen Sie das fest?
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Heidel: Das merke ich an meinem Wohnort in Essen, angefangen vom Briefträger bis zu vielen anderen Menschen. Und auch in Gelsenkirchen in der Innenstadt. Manche haben mir gesagt: Da brauchst du gar nicht hinzugehen. Es hat mich aber trotzdem interessiert, also bin ich in die Stadt gegangen und im Kaufhof beim Friseur gelandet.
Das müssen Sie erzählen.
Heidel: Vor der Mitgliederversammlung wollte ich zum Friseur, in Mainz hat jeder Friseur samstags bis um sechs Uhr geöffnet, aber hier ist das nicht so. Der einzige Friseur, der geöffnet hatte, war im Kaufhof, und so bin ich dahin gegangen. Die Leute haben mich zwar etwas ungläubig angeguckt, aber das ist egal. Ich war jetzt auch schon zum zweiten Mal da. Danach habe ich mich in ein Cafe gesetzt, habe mir die Gelsenkirchener Innenstadt angesehen und einmal alles beobachtet. Es ist nicht die Kö, das stimmt. Aber die brauche ich auch nicht. Mit den Menschen hier werde ich klarkommen.
Hat die Schalker Mannschaft Ihre Erwartungen erfüllt?
Heidel: Ich muss zugeben, dass ich gedacht habe: Das ist eine junge Mannschaft, in der die Spieler alle viel Geld verdienen und die Nase vielleicht etwas hoch tragen - aber das ist überhaupt nicht der Fall. Ich finde, dass das eine sehr angenehme, auch pflegeleichte Mannschaft ist - zumindest Stand jetzt. Eine Mannschaft, die auch in Mittersill ohne jegliches Murren trainiert hat. Und eines weiß ich: Markus Weinzierl hat sehr, sehr hart trainiert. Ich habe auch den Eindruck, dass die Spieler an das glauben, was wir machen - auch das ist wichtig. Das einzige, wovon ich negativ überrascht war, waren die infrastrukturellen Arbeitsbedingungen für die Mannschaft zu Hause auf Schalke. Aber da sind die Veränderungen schon eingeleitet.
Heidel über die Zusammenarbeit mit Clemens Tönnies
Wie ist die Zusammenarbeit mit Clemens Tönnies?
Heidel: Von ihm besteht in der Öffentlichkeit ein total falsches Bild. Man glaubt ja, dass Clemens Tönnies jede Entscheidung trifft, aber das ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Ich habe ihn nach meinem Amtsantritt ganze zweimal auf der Geschäftsstelle gesehen. Clemens Tönnies erwartet gar nicht, dass ich ihm immer berichte, aber natürlich interessiert es ihn, was wir machen - er ist ja schließlich nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender, er ist selbst Fan von Schalke 04. Bisher hat er mir nicht einmal irgendwie reingeredet. Ich suche hier und da seinen Rat. Dann ist er für mich da. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zwischen uns Probleme geben wird.
Wann haben Sie Tönnies denn zum Beispiel vom Sané-Verkauf informiert?
Heidel: Wir haben immer mal wieder darüber telefoniert, wobei der Anstoß meistens von mir kam. Ich glaube, bei solchen Dimensionen ist das keine Geschichte, die allein den Manager betrifft. Ich habe ihn informiert, was ich vorhabe, wo ich bei den Verhandlungen hin will und dass das mit gewissen Risiken verbunden ist.
Hatten Sie zwischendurch mal Bedenken, dass der Sané-Transfer platzt?
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Heidel: Ja, das kann ich ganz ehrlich sagen. Am Anfang lagen wir sehr weit auseinander. Wenn dann irgendwann die andere Seite sagt, mehr als 40 Millionen zahlen wir nicht, dann kann das Taktik sein, aber man weiß es nicht. Ich habe versucht herauszubekommen, was noch geht. Irgendwann hatte ich das Gefühl, jetzt geht nichts mehr. Jetzt müssen wir sagen: Ja oder Nein. Dann habe ich meine Vorstandskollegen und den Aufsichtsrat über den Stand informiert, und wir waren uns alle einig: Wenn Manchester City das so akzeptiert, dann stimmen wir auch zu. In dieser Frage wollte ich eine große Zustimmung im Klub haben. Zum Schluss war das schon nervenaufreibend.
Für Fans wirkt Fußball mittlerweile wie Monopoly.
Heidel: Ich glaube, es hat sich gar nicht so viel verändert: Es hängen bisweilen nur zwei Nullen mehr an den Beträgen für den gleichen Vorgang dran - so brutal einfach ist das. Ansonsten ist es im Endeffekt unverändert: Das Geld, das in den Markt hereinkommt, wird wieder verteilt. Früher gab es für die erste und zweite Liga mal 10 Millionen Euro TV-Geld, heute ist es über eine Milliarde. Die Zahlen erschrecken zunächst, das kann ich nachvollziehen. Mich fragen die Leute auch oft: Ist der Spieler das wert? Dann sage ich: Nein, ist er nicht. Aber wie will man den Wert eines Fußballers bemessen? Wir müssen uns nichts vormachen: Wir sind Teilnehmer an einem Markt, der sich verändert hat, und müssen versuchen, für unseren Verein das Beste herauszuholen.
Wird das im nächsten Jahr noch extremer werden, wenn in Deutschland der neue Fernsehvertrag greift und die Vereine noch mehr Geld haben?
Heidel: Da bin ich ganz sicher. Ich glaube, dass es noch einmal ein größerer Markt wird. Aber ich habe auch teilweise das Gefühl, dass manche deutschen Vereine heute schon vorzeitig das Geld ausgeben, weil sie wissen, dass es im nächsten Jahr reinkommt.
Sie wollen noch einen Sané-Nachfolger und einen defensiven Mittelfeldspieler verpflichten. Merken Sie bei Verhandlungen mit anderen Vereinen, dass die wissen: Schalke hat gerade einen Haufen Geld?
Heidel (zögert): Ja, es spielt eine Rolle. Aber eher merke ich es daran, wer uns jetzt so alles angeboten wird. Da gibt es Berater, die sagen bei dem Spieler X: Der kostet nur 20 Millionen Euro. Solche Spieler wären uns früher gar nicht angeboten worden, weil jeder gesagt hätte: Ihr könnt doch eh keine 20 Millionen investieren. Eigentlich sage ich in jedem Gespräch als Erstes zu dem Berater, dass er dieses Thema mal schön abhaken soll. Wir werden sicherlich jetzt nicht sinnlos investieren. Die Kunst ist ja, dass du mit Geld besonders sorgfältig umgehst, wenn du es hast. Wobei wir wissen, dass die Preise anders geworden sind. Heute bekommst du kaum noch einen Spieler auf einer gewissen Qualitätsstufe unter fünf, sechs Millionen Euro.
Heidel über den Ablauf bei Transfers
Wie groß ist eigentlich der Kreis der Personen, die Sie bei Transfers vorher einweihen?
Heidel: Bei Vorgesprächen sind es zunächst nur der Trainer und unser Sportdirektor Axel Schuster. Es kann natürlich sein, dass der Trainer dann auch mal mit seinem Co-Trainer spricht oder mit dem Analysten, der den Spieler unter die Lupe nimmt. Wenn es bei dem Transfer ein bisschen konkreter wird und auch Zahlen auf den Tisch kommen, kommt Arnd Hovemann ins Spiel, der das Vertragswesen macht. Dann natürlich auch meine Vorstandskollegen Peter Peters und Alex Jobst. Und wenn es soweit ist, dass wir es versuchen wollen, einen Spieler zu holen, dann telefoniere ich auch mit Clemens Tönnies. Das mache ich, weil ich ihm auch das Gefühl geben möchte, dass er weiß, was wir hier so tun. Sonst weiß eigentlich niemand Bescheid. In diesem Kreis halten alle dicht, da bin ich zu 100 Prozent sicher.
Transfers sind bei Ihnen geheime Kommandosache?
Heidel: Wenn ich merke, dass Spieler oder Berater etwas nach außen tragen, obwohl es anders abgesprochen war, ist das Thema in der Regel durch. Ich führe einfach keine Gespräche unter dem Druck der Öffentlichkeit, Und die Spieler und Berater, die wirklich an einem Wechsel interessiert sind, halten sich auch daran.
Das Trainingslager geht am Montag zu Ende. Wenn ich Sie jetzt nach einem Saisonziel frage, dann werden Sie vermutlich nicht sagen: Wir wollen die Bayern jagen, oder?
Heidel: Nein, das wre ja Quatsch, das wird kein Verein als Ziel ausgeben. Ohne, dass das bedeutet, dass wir die Waffen strecken, wenn wir gegen sie spielen. Man muss anerkennen, dass Bayern München momentan wenig bis gar keine Fehler macht, und wenn sie das so durchziehen, wird es für jeden Verein schwierig, da mal dranzukommen.
Was stellen Sie sich für Schalke vor?
Heidel: Das oberste Ziel muss sein, einen Weg einzuschlagen, der nachhaltig erfolgreich ist. Ich bin kein Saisondenker: Es darf nicht sein, dass man zum Beispiel einen Spieler holt, der uns nur ein Jahr weiterhilft und bei dem man danach froh ist, wenn man ihn wieder los ist. Alles muss darauf ausgerichtet sein, dass wir uns nachhaltig im oberen Bereich festsetzen.
Die Champions League wäre aber schon schön?
Heidel: Schalke 04 muss den Anspruch haben, nachhaltig im internationalen Bereich zu spielen. Natürlich geht es jetzt darum, eine gute Saison zu spielen. Die ist aber ganz, ganz schwierig an einem Tabellenplatz festzumachen oder an einer bestimmten Punktezahl. Man sieht doch, mit wie wenig Punkten Schalke im vergangenen Jahr Fünfter wurde.