Gelsenkirchen. . Schalkes Trainer André Breitenreiter warnt davor, dass sich ein Fall Draxler wiederholen könnte. Er fragt: „Inwieweit werden die Talente verbrannt?“
Man kann sich von Julian Draxler so verabschieden, wie es Roman Neustädter gemacht hat: „Ich habe ihm gratuliert und alles Gute gewünscht. Er soll gesund bleiben.“ Man kann es aber auch so machen wie André Breitenreiter. Schalkes Cheftrainer stellte am Mittwoch die Frage, wie es soweit kommen konnte, dass Julian Draxler Schalke unbedingt verlassen wollte. „Wir haben unseren besten Spieler verloren“, sagte Breitenreiter – und aus seinen Worten sprach viel Nachdenklichkeit.
„Julian war vom ersten Tag an sehr offen und hat das klar kommuniziert, dass er weg möchte“, berichtete Breitenreiter. Und weiter: „Verein und Umfeld müssen sich die Frage stellen: Warum passiert sowas? Wir haben noch andere große Talente – inwieweit werden die ein Stück weit verbrannt?“
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Der Trainer fürchtet, dass gerade auf Schalke die Erwartungen an die jungen Spieler zu groß sind – vielleicht auch, weil der Verein manchmal übers Ziel hinausschießt. Konkret bei Julian Draxler erinnert er an das laute Tamtam um dessen Vertragsverlängerung vor zwei Jahren: „Mit dem Lkw durch die Gegend zu fahren, das muss man nicht machen. Das ist meine persönliche Meinung.“
Schalke-Trainer Breitenreiter nennt die Namen Meyer, Goretzka und Götze
Aber auch generell sieht Breitenreiter Alarmsignale beim Hype um die jungen Talente, der nicht nur von den Medien veranstaltet werde. Er nennt die Namen Max Meyer, Leon Goretzka und Mario Götze und fragt: „Macht ein Götze den Schritt nach vorne? Die Spieler werden von klein auf gepudert. Das ist ein schmaler Grat. Bei der Generation mit Robben oder Müller funktioniert das anders. Wir müssen uns alle in die Pflicht nehmen bei den jungen Spielern.“
Breitenreiter möchte, dass es als normale Entwicklung angesehen wird, wenn ein junger Spieler wie derzeit Max Meyer auf Schalke auch mal ein paar Spiele auf der Bank sitzt: „Wo ist das Problem?“ Doch die Spieler würden stattdessen spüren, dass sie den hohen Erwartungen nicht gerecht würden.
Julian Draxler hatte bei seiner Präsentation in Wolfsburg erklärt, er habe „eine Luftveränderung“ gebraucht. Breitenreiter hatte es trotzdem bis zuletzt nicht geglaubt, dass ein Wechsel tatsächlich zustande kommt – schließlich hatte sich Juventus Turin nicht mehr gemeldet und der VfL Wolfsburg war erst nach dem Spiel am Freitagabend in den Poker eingestiegen. „Ich bin davon ausgegangen, dass er bleibt“, versichert Schalkes Trainer: „Wenn ich am vergangenen Donnerstag gewusst hätte, dass er wechseln würde, wäre er nicht mitgefahren.“
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Dass sich der Transfer dann so kurzfristig ergeben hatte, sei natürlich „nicht so glücklich gelaufen“, denn so konnte Schalke kaum mehr reagieren – der VfB Stuttgart gab Wunschkandidat Filip Kostic nicht frei. Und nur aus Aktionismus viel Geld für zweite oder dritte Wahl auszugeben, wollten weder Trainer noch Manager.
Schalke sind zwei Leistungsträger weggebrochen
So zieht Breitenreiter unterm Strich eine ernüchternde Bilanz des Transfer-Endspurts: „Wir haben unseren besten Spieler verloren, die Qualität ist gesunken. Jetzt werden wir versuchen, das Bestmögliche daraus zu machen.“
Genauer genommen sind ihm ja sogar zwei absolute Leistungsträger aus seinen ursprünglichen Planungen weggebrochen, da auch Matija Nastasic mit seinem Achillessehnenriss die komplette Saison ausfällt. Damals hatte Breitenreiter angeregt, mit Gökhan Inler wenigstens noch einen erfahrenen Defensivspieler dazu zu holen, doch weil sich da der Draxler--Verkauf noch nicht abgezeichnet hatte, wäre der finanzielle Aufwand zu hoch gewesen. „Ich kann nur Empfehlungen aussprechen“, sagt der Trainer.
Was sich nun ereignet habe, „ist nicht schlimm“, versichert der 41-Jährige: „Geben wir den großen Talenten die Chance, sich zu entwickeln. Das kann auch erfolgreich sein und vor allem Spaß machen.“ Aber man merkt: Optimal waren die vergangenen Tage für Breitenreiter nicht.