Gelsenkirchen. Schalke qualifizierte sich vorzeitig für die Europa League - aber niemand freute sich. Wir haben die Stimmen zum 1:0 über Paderborn gesammelt.
Eine Minute vor Schluss fiel doch noch das Tor des Tages. Der Paderborner Kapitän Uwe Hünemeier verlängerte eine Planlos-Flanke von Tranquillo Barnetta ins eigene Tor. Schalke 04 besiegte den Abstiegskandidaten Paderborn unverdient mit 1:0 (0:0), sicherte sich die Teilnahme an der Europa League. Die meisten Vereine hätten ihren Fans Freibier spendiert - an diesem seltsamen Nachmittag verabschiedeten die Schalke-Fans ihre Mannschaft trotzdem mit einem lauten Pfeifkonzert in die Kabine. Dorthin verschwanden die Spieler, ohne sich in der Kurve sehen zu lassen.
Erst nach knapp 15 Minuten kehrten die Spieler doch noch zurück. "Das hat die Mannschaft mit dem Trainer entschieden", erklärte Manager Horst Heldt. Trainer Roberto Di Matteo, der sich auch zeigte, ergänzte: "Es war nicht angenehm für uns. Aber es war wichtig, dass wir wieder nach draußen gegangen sind. Die Fans haben uns sehr, sehr lange unterstützt in dieser Saison." Torwart Ralf Fährmann sagte: "Das war so emotional, man wusste nicht, wie man sich richtig verhält. Wir sind als Mannschaft reingegangen, dann haben wir beschlossen, uns den Fans zu stellen, eine Runde zu drehen, den Emotionen der Fans freien Lauf zu lassen." Fährmann wurde als einziger Spieler von der bösen Kritik ausgenommen. "Außer Fährmann könnt Ihr alle gehen", riefen die Anhänger immer wieder.
Wir haben die Stimmen zum Spiel gesammelt.
Roberto Di Matteo (Trainer FC Schalke 04): "Wir haben ein schwieriges Umfeld vorgefunden. Man hat gesehen, dass es uns ein bisschen bedrückt hat. Wir waren sehr verkrampft in der ersten Halbzeit, konnten nicht viel Spielzüge zustande bringen. In der zweiten Halbzeit war es deutlich besser, da haben wir auch Torchancen herausgespielt. Am Schluss haben mit ein bisschen Glück gewonnen. Das Glück, das wir in anderen Spielen nicht hatten, haben wir heute erzwungen. Die Art und Weise war heute nicht das Wichtigste. Wichtig waren die drei Punkte, um das Mindestziel, was wir uns gesteckt haben, zu erreichen."
Horst Heldt (Manager FC Schalke 04): "Wir haben versucht, die Mannschaft im Vorfeld auf dieses Spiel vorzubereiten. Wir haben es aber mental nicht hinbekommen, es wegzublenden. Es wurde in der gesamten ersten Halbzeit nicht besser. Es ist klar, dass sich die Fans etwas anderes vorgestellt haben und dass es sich dann alles aufgeladen hat. Auch wenn es in der zweiten Halbzeit ein bisschen besser geworden ist, bleibt unter dem Strich, dass wir die Erwartungen heute nicht erfüllen konnten. Deswegen ist es zum emotionalen Ausbruch gekommen. Das ist ein schwieriger Moment für alle. Auf der anderen Seite ist es auch ein bisschen paradox, wenn man sich für die Europa League qualifiziert hat. Doch es bleibt ein fader Beigeschmack. Den müssen wir annehmen und respektieren."
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Heldt über den Graben zwischen Mannschaft und Fans: "Die Herzen der Fans sind erst einmal verloren. Es liegt an uns, sie zurückzugewinnen. Da muss man sich wieder vorsichtig herantasten. Von heute auf morgen geht das nicht. Dafür hat sich zu viel aufgestaut. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir diese Chance bekommen. Wir brauchen die Fans, sie sind sehr, sehr wichtig."
Ralf Fährmann (FC Schalke 04): "Ich bin seit 2003 auf Schalke, habe jedes Spiel gesehen, wenn ich konnte – aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Das sind pure Emotionen. Man darf nicht vergessen, dass Schalke der zweitgrößte Verein in Deutschland ist. Wenn das Fass überläuft, passiert so etwas. Wir haben eine sehr, sehr schlechte Rückrunde gespielt, nicht das erreicht, was wir uns als Ziel gesetzt haben. Die Pfiffe galten nicht einem Spiel, sondern der ganzen Rückrunde. Trotzdem haben wir die Europa League erreicht, und haben die Kurve bekommen. Das zählt. Da muss man die ganzen Emotionen beiseite schieben und es sachlich betrachten."
Fährmann über die Zukunft: "Ich will jetzt keinen Schlussstrich ziehen, denn wir haben noch ein Spiel in Hamburg (Samstag, 15.30 Uhr, live in unserem Ticker). Wir müssen aus den Fehlern lernen, uns weiterentwickeln. Ich kann nicht sagen, was wir uns für die neue Saison vornehmen, wir müssen ein anderes Gesicht zeigen. Das ganze Team ist erst einmal erleichtert, dass wir die Europa League sichern konnten."
Fährmann über die Suspendierungen: "Für uns als Team ist es hart, wenn auf einmal Spieler nicht mehr da sind. Wir haben versucht, mit der Situation umzugehen und am Ende das Beste daraus zu machen. Mann kann nicht verlangen, dass wir auf einmal wie Barcelona hinten rausspielen, dass wir Gala-Fußball spielen. Wir hatten kein Selbstvertrauen."
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Dennis Aogo (FC Schalke 04): "Es herrschen gemischte Gefühle, aber im Moment überwiegt die Freude, dass wir zumindest das Minimalziel noch erreicht haben. Wir sind sehr selbstkritisch und beschäftigen uns selbstverständlich mit unseren Leistungen. Wir kriegen es im Moment einfach nicht auf den Platz. Das ist das Problem."
Joel Matip (FC Schalke 04): "Die Freude hält sich in Grenzen. Ich bin froh, dass wir die drei Punkte holen konnten. Die Stimmung war sehr merkwürdig für uns alle. Klar merkt man dann noch mehr eine gewisse Verunsicherung."
Leon Goretzka (FC Schalke 04): "Es fällt mir schwer, das Spiel zu erklären. Das Wichtigste war, dass wir drei Punkte geholt haben. Wir wissen, dass wir keine gute Leistung abgeliefert haben. Der Fuß ist manchmal etwas wackelig."
So analysiert Paderborns Trainer André Breitenreiter das Spiel auf Schalke
André Breitenreiter (Trainer SC Paderborn): „Ich habe es nie erlebt in meiner aktiven Karriere, dass sich nach Spielende das gesamte gegnerische Stadion erhebt und die Gast-Mannschaft mit großem Applaus und Anfeuerungsrufen verabschiedet. Das zeigt, was wir heute auf den Platz gebracht haben. Die Jungs haben unser Vorhaben perfekt umgesetzt. Wir haben dem Gegner kaum Luft zum Atmen gegeben, wir waren dominant, spielfreudig, mutig, haben uns zahlreiche gute Torchancen herausgespielt. Die haben wir leider nicht genutzt. Fußball ist ein Ergebnissport. Deshalb ist die Enttäuschung sehr groß, gerade weil wir heute der klare Sieger hätten sein müssen. Wir haben einen hohen Aufwand betrieben, eine superstarke Leistung gezeigt - aber letztendlich, wie auch schon im Hinspiel, gehen wir mit null Punkten aus dem Spiel. Und zeichnet aber aus, dass wir den Kopf immer hochnehmen. Wir haben nächste Woche noch ein Heimspiel, wo wir zumindest mit einem Sieg es möglich machen können, die Relegation zu erreichen. Da sind wir auf die Hilfe von Schalke 04 angewiesen, dass sie in Hamburg eine Top-Leistung abliefern."
Breitenreiter über die Chancen am letzten Spieltag: "Die anderen Mannschaften haben gewonnen, deshalb sind unsere Chancen nicht gestiegen. Aber es ist noch möglich. Auch wenn die Enttäuschung groß ist, werden wir daran glauben. Es wird Tage dauern, die Köpfe freizukriegen. Da muss ich mich auch nicht verstellen oder Parolen rausdonnern. Das ist nicht meine Art. Es ist klar, dass das sehr tief sitzt. Die Jungs werden wieder aufstehen und eine Top-Leistung abliefern in unserem eigenen Stadion. Da bin ich mir sicher."
Schalke schlägt Paderborn