Gelsenkirchen. Manuel Neuer ist das Schalker Gesicht, er verkörpert die Schalker Seele wie kein anderer Spieler. Und er steht vor der wichtigsten Saison, seit er für die Königsblauen spielt: Am Ende dieser Spielzeit wird sich entscheiden, ob Neuer bei der nächsten WM im Tor der Nationalelf steht.

Manuel Neuer geht immer noch gerne ins Kino. Auch wenn alles etwas schwieriger geworden ist. Es war einfacher, als ihn kaum jemand kannte. Heute bleiben die Menschen stehen. Sie gucken, sie starren, die Mutigen sprechen ihn an. Es ist der Preis der Popularität, den der Torhüter des FC Schalke 04 zahlt, gerne zahlt übrigens. Denn Manuel Neuer ist ja nicht nur längst Stammkeeper, er ist mehr. Er ist das Schalker Gesicht, er verkörpert die Schalker Seele wie kein anderer Spieler. Und er steht vor der wichtigsten Saison, seit er für die Königsblauen spielt: Am Ende dieser Spielzeit wird sich entscheiden, ob Manuel Neuer bei der nächsten WM in Südafrika im Tor der Nationalelf steht. „Das”, sagt Neuer, „ist mein Ziel.”

Der Preis der Popularität

Muss es ja sein. Vier Keeper stehen zur Wahl, und in der Runde gelten der Bremer Tim Wiese und der Hannoveraner Robert Enke als die Routiniers, aber der Leverkusener Rene Adler und Manuel Neuer als die Jahrhunderttalente. Als die, die irgendwann das Rennen unter sich ausmachen werden.

Vor ein paar Monaten schien Manuel Neuer hinten dran zu hängen, ihm unterliefen Patzer während Adler alles fing, doch längst hat auch Adler erfahren müssen, dass junge Keeper anfällig sind. Neuers souveränes Länderspiel-Debüt gegen die Vereinigten Arabischen Emirate, bei dem er „überraschend viel” zu tun bekam, und seine erstklassigen Spiele bei der U 21-EM vor ein paar Wochen haben ihn wieder gleichziehen lassen, die neue Saison wird alles entscheiden.

Das weiß der Schalker Keeper, und dafür ist er erstaunlich locker. Manuel Neuer sitzt auf einer Bistro-Bank und wirkt wie die personifizierte Gelassenheit. Vielleicht liegt es am Alter, mit 23 ist man wohl auch unbekümmert, wenn man schon Woche für Woche vor zehntausenden von Menschen aufläuft und Kino- oder Restaurant-Besucher einen unverwandt anstarren. Was, wie Neuer anmerkt, seine Freunde längst mehr stört als ihn. „Ich kann damit umgehen”, sagt er, und der Satz besitzt eine gewisse Allgemeingültigkeit.

Er passt zu Neuers Gedanken über die WM 2010: Er kann nur seine Leistung anbieten, die Entscheidung trifft ein anderer. Der Satz passt zur neuen Spielzeit, die für Schalke am Samstag in Nürnberg beginnt und die Neuer nüchtern abwägt: Das Vorjahr war nicht gut, aber man müsse einer Mannschaft auch mal eine schwache Phase zugestehen. Dass es mit Felix Magath besser laufen wird, setzt er trotz durchwachsener Testspiele voraus: „Lasst uns doch erstmal machen. Wir reden dann nach sieben Spielen noch

einmal, dann sieht man, wohin es geht.”

Es ist auch nicht so, als könne der neue Trainer dem so Hochveranlagten den Angstschweiß auf die Stirn treiben: Magath sei eine Persönlichkeit, sagt Neuer, man könne ihm nichts vormachen. Wer mag, kann daraus etwas über die Vorgänger Mirko Slomka und Fred Rutten herauslesen, aber Manuel Neuer hat die Regeln des Geschäfts schnell verinnerlicht: Das habe er nicht gesagt, korrigiert er. Und was bringe es noch, über die Vergangenheit zu reden? Reden wir also weiter über Felix Magath: Das Training sei manchmal sehr hart. Also was? „Ein Profi muss sich darauf einlassen können, dass ihm unter diesem Trainer viel abverlangt wird”, sagt Neuer, „und dann kann man das Programm ohne weiteres durchziehen.”

Was Manuel Neuer für sich in Anspruch nimmt: Ehrlichkeit im Umgang mit den Fans, mit der Öffentlichkeit. Hat also Uli Hoeneß gelogen, als er sagte, Schalkes Keeper habe unbedingt nach München wechseln wollen? Auch das ist nicht das Thema, das Manuel Neuer aus der Ruhe bringt, aber immerhin eines, über das er nicht mehr groß reden mag. Er habe niemanden belogen, sagt er, im Übrigen sei das alles vom Tisch.

Wer weiß. Wenn Schalkes Keeper sein großes Talent weiter ausschöpft, wird Bayern nicht der letzte Verein gewesen sein, der um ihn buhlt. „Das ehrt mich ja auch”, sagt Neuer, und er will gar nicht abstreiten, dass es für einen Spieler seiner Klasse immer Argumente geben kann, die für einen Verein wie Bayern sprechen: Die Aussicht auf Titel, die nahezu garantierte Teilnahme an der Champions League. Aber ein Wechsel sei kein Thema: „Ich habe Vertrag bis 2012.” Es wäre jedenfalls eine hoch emotionale An-

gelegenheit für ihn. Manuel Neuer ist in Gelsenkirchen aufgewachsen, er spielt seit seinem vierten Lebensjahr für Schalke, die Freunde von heute sind die Freunde von früher aus der Kurve, weil man mit neuen Bekanntschaften aufpassen muss. Manuel Neuer ist nun mal, was kein anderer in der Mannschaft ist. Schalkes Gesicht.