Gelsenkirchen. . Draxler hat seine schwere Verletzung überwunden und kann seinem Körper wieder vertrauen. Gegen Freiburg will der Weltmeister sein Comeback feiern.
Julian Draxler setzt sein spitzbübisches Grinsen auf, schaut in die Kamera und lacht: „Schön, euch alle wiederzusehen.” Nach fünf Monaten Verletzungspause ist der Schalker Nationalspieler am Mittwoch auf der vorletzten Etappe seines Comebacks angekommen: Zum ersten Mal spricht er über seine „Leidenszeit”, die nun „hoffentlich vorbei” sei. Die letzte und wichtigste Etappe soll aber am Samstag folgen: Dann will Julian Draxler beim Heimspiel gegen den SC Freiburg (15.30 Uhr/im Live-Ticker) sein Comeback in der Fußball-Bundesliga feiern.
Ein Weltmeister ist zurück.
Rückblende: Am 31. Oktober, einem Freitagabend, traf es Julian Draxler wie ein Stich in den Oberschenkel. Beim Heimspiel gegen den FC Augsburg verletzte er sich schon nach wenigen Sekunden: Nach einem Zweikampf knickte er mit dem rechten Bein weg und wusste sofort, dass da etwas Schlimmes passiert war. Immer wieder hatte er sich danach gefragt, warum er sich so früh im Spiel verletzten konnte – Warnsignale des Körpers hatte er vorher nicht gespürt und am Aufwärmen habe es auch nicht gelegen. „Es war wohl eine unglückliche Bewegung, einfach nicht zu verhindern”, vermutet er.
Fünf Monate der Ungewissheit
Was aber zu denken gab: Ein Jahr vorher hatte es ihn schon einmal an der gleichen Sehne im anderen Oberschenkel erwischt. Damals heilte die Verletzung auf konservativem Wege aus – diesmal war es schlimmer: „Die Sehne wäre von alleine nicht mehr angewachsen. Deswegen musste ich mich operieren lassen.” Und dadurch wurden aus einigen Wochen Pause quälend lange fünf Monate. Auch fünf Monate der Ungewissheit.
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Nachdem er das Bein wieder belasten durfte, horchte der 21-Jährige immer wieder bange in seinen Körper hinein, wie weit er schon wieder gehen könnte: Wie groß ist das Risiko, dass die Verletzung bei einem scharfen Sprint wieder aufbricht, oder bei einem kernigen Torschuss? Vor einigen Wochen, im späten Winter, spürte er, dass immer noch nicht alles wieder ganz in Ordnung war: Da nahm er nochmal das Tempo raus und kehrte zurück in die Reha nach Regensburg. „Diesen Warnschuss”, sagt er heute, „habe ich gehört”. Jetzt sind die Warnschüsse verstummt: „Ich habe keine Schmerzen mehr.“
"Der Kopf ist wieder frei"
Julian Draxler hat gelernt, mit seinem Körper, der sein Kapital ist, vorsichtig umzugehen. Am Anfang, als er wieder mit der Mannschaft auf dem Platz stand, war da noch eine Bremse im Kopf – etwa, wenn ein rustikaler Geselle wie Sead Kolasinac auf ihn zugeflogen kam. „Da habe ich gemerkt, dass man den Zweikämpfen noch aus dem Weg geht“, erinnert er sich: „Aber jetzt traue ich mich wieder, zu schießen und zu sprinten. Der Kopf ist wieder frei.“
Wie sensibel er noch ist, verdeutlicht aber eine Episode vom vergangenen Sonntag: Als Leon Goretzka, der ja eine ähnliche Leidensgeschichte hinter sich hat, beim Spiel in Augsburg schon nach wenigen Minuten wieder verletzt vom Platz ging, da schrillten auch bei Julian Draxler die Alarmglocken: Er nahm sofort Kontakt zu Goretzka auf, um sich zu erkunden, wie schwer dessen erneute Verletzung sei. Die Entwarnung, die Goretzka am Dienstag erhielt, war auch für Draxlers Psyche gut. Denn sie zeigte auch ihm selbst, dass man nach solchen Verletzungen irgendwann die Phase der Über-Vorsicht überwinden muss. Wenn es Goretzka wieder schlimmer erwischt hätte, „wäre das für meinen Kopf auch schwierig gewesen“, gibt Draxler zu. Dann, erzählt er, hätte er sich selbst womöglich auch erneut die Frage gestellt: „Bist du schon wieder soweit?“
Eine Einwechslung in der Schlussphase traut sich Draxler zu
Nun hat Julian Draxler die Frage für sich positiv beantwortet und möchte am Samstag beim Heimspiel gegen Freiburg das erste Mal nach 162 Tagen wieder im Schalker Kader sein. „Natürlich werde ich mit Sicherheit alles andere als in Top-Form sein“, weiß er, aber eine Einwechslung in der Schlussphase traut er sich schon zu – „hoffentlich“, schmunzelt er, „führen wir da schon 2:0 oder 3:0.“
Es wird Zeit für ihn, in den vergangenen fünf Monaten ist er auf der Tribüne oder vor dem Fernseher fast verrückt geworden, wenn er bei den Schalker Spielen nur zuschauen konnte. Die Sehnsucht nach dem Rasen, nach der Arena und nach der ganz großen Bühne wurde immer größer. „Wie sehr einem alles fehlt“, sagt der 21-Jährige, „merkt man immer dann, wenn man es eine lange Zeit nicht hatte.“
Karriere-Planung steht hinten an
Für Julian Draxler war es die erste richtig große Verletzung seiner Karriere – sie bremste ihn ausgerechnet in der Saison aus, in der er auf Schalke eigentlich ganz weit voran gehen wollte: Als frisch gebackener Weltmeister, als gereiftes Super-Talent. Nun stehen in dieser Spielzeit bislang gerade einmal acht Bundesliga-Einsätze (2 Tore) für ihn zu Buche. Was auch immer seine Karriere-Planung vorgesehen hatte, es musste anstehen hinter der Gesundheit. Auch die Ausstiegsklausel, die ihm einen Vereinswechsel erlaubt, kann aktuell gar kein Thema sein, weil er sich in dieser Saison überhaupt nicht für andere Vereine interessant machen konnte. „Ich hatte andere Probleme“, sagt er: Vielleicht werde er sich im Sommer mal hinsetzen und darüber nachdenken, wie es weitergehen soll – „wie immer“.
Als Ankündigung einer möglichen Untreue muss man das nicht auslegen. Eher als Erkenntnis, dass im Moment nur die Gesundheit zählt – und sonst nichts. „Die fünf Monate haben auf jeden Fall lange genagt“, gibt Julian Draxler zu.
Aber schön, dass er wieder da ist.