Gelsenkirchen. Mehrere junge Spieler haben Kevin-Prince Boateng den Rang abgelaufen. Ob Schalke noch auf ihn setzt, wird sich im Topspiel gegen Leverkusen zeigen.

Wer verstehen will, warum Kevin-Prince Boateng seinen Stammspieler-Status beim FC Schalke 04 verloren hat, dem sei eine Erinnerung an das mit 1:0 gewonnene Bundesligaspiel Anfang Februar gegen Borussia Mönchengladbach empfohlen. In dieser Partie bereitete Boateng nicht nur den Siegtreffer vor, sondern er glänzte auch mit vorbildlichem Einsatz: Er lief, als würde er nach Kilometern bezahlt, er jagte jedem Ball und jedem Gegner hinterher.

So eine Haltung wird auf Schalke traditionell honoriert. Wer sich für Königsblau robust reinhaut, wer den Slogan vom Kumpel- und Malocherklub mit Grätschen und Grasfressen unterstreicht, der darf sich der Zuneigung gewiss sein.

Kevin-Prince Boateng kann mitreißen, er will ja auch als Führungsspieler gesehen werden. „Ich habe immer im Mittelpunkt gestanden, die anderen haben sich immer an mir hochgezogen“, erzählte er im vergangenen Sommer und fügte hinzu: „Ich bin ganz froh darüber.“

In der Rolle des Sündenbocks nach dem Schalker 0:3 beim BVB

Auch interessant

Öffentlich spricht der 28-jährige Deutsch-Ghanaer schon seit längerer Zeit nicht mehr. Ein gewichtiger Grund dafür dürfte sein, dass er es in dieser Saison bisher nicht geschafft hat, sich häufiger in der Form des Gladbach-Spiels zu präsentieren und seinem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Wenn er Selbstkritik zulässt, wird er wissen, dass besonders sein Auftritt beim 0:3 vor drei Wochen in Dortmund unterirdisch war. Doch nicht nur er lief an diesem schändlichen Schalker Tag neben seinen Schuhen her, und deshalb konstatierten Trainer Roberto Di Matteo und Manager Horst Heldt, dass „alle gemeinsam verloren“ hätten und „kein Sündenbock gesucht“ würde.

Beim nächsten Spiel aber saß Boateng draußen und sah, wie Schalke ohne ihn Hoffenheim mit 3:1 bezwang. Bei der 4:3-Sensation bei Real Madrid war er gesperrt. Und als sich vor einer Woche, beim 2:2 in Berlin, unmittelbar vor der Partie Eric Maxim Choupo-Moting verletzt abmeldete, verschaffte Di Matteo dem 19-jährigen Leroy Sané ein Startelf-Debüt. In Minute 57 wurde Boateng weiter degradiert: Der Trainer nahm den 19-jährigen Max Meyer vom Feld – und brachte den 20-jährigen Leon Goretzka. Für Routinier Boateng blieben später noch elf Minuten Einsatzzeit.

Schalke wirbt offen um Sami Khedira

So wurde er doch zum großen Verlierer nach der Blamage beim BVB. Dass er, nachdem er 2013 für rund zehn Millionen Euro vom AC Mailand geholt wurde, trotz einer guten ersten Saison für Schalke oft härter beurteilt wird als zum Beispiel Dortmunds stiller 25-Millionen-Euro-Flop Henrik Mkhitaryan, liegt an Boatengs Persönlichkeit. Durch seine Exzentrik liefert er Anlässe für Schlag-, aber auch für Schlachtzeilen.

Sein Vertrag läuft bis 2016, doch ein Abschied zum Saisonende wird bereits vorbereitet. Schalke wirbt offen um den bei Real Madrid zur ablösefreien Abgabe anstehenden Weltmeister Sami Khedira, der von den Schalke-Chefs als „Leader und Kämpfer“ gewürdigt wird – wie einst Boateng. Eine Verpflichtung von Khedira, der trotz Verletzungsanfälligkeit ein hohes Handgeld und ein hohes Gehalt fordern dürfte, können sich die Schalker aber nur leisten, wenn sie die Champions League erreichen – und einen Abnehmer für Großverdiener Boateng finden.

An diesem Samstagabend kommt Bayer Leverkusen zum Rennen um die Königsklassenplätze in die Arena. Choupo-Moting wird wohl immer noch fehlen, und falls Sané behutsam aufgebaut werden sollte, könnte Boateng eine neue Chance im Angriff erhalten. „Er hat im Training gut reagiert“, sagt Trainer Di Matteo, der aber auch betont: „Wir haben mehrere Optionen – auch Leroy Sané, der gute Leistungen gezeigt hat.“ Klingt nach fifty-fifty. Aber auch danach, dass es Boateng mittlerweile ziemlich schwer hat auf Schalke.