Berlin. Nach dem glanzvollen 4:3 bei Real Madrid wurde in Berlin eher Magerkost serviert vom FC Schalke 04. Torwart Timon Wellenreuther patzte gleich zweimal.
War das nun ein gewonnener Punkt, oder waren zwei Zähler verschenkt worden? Hin- und hergerissen waren die Spieler des FC Schalke 04, als sie den Rasen des Berliner Olympiastadions verließen. Nach ihrem grandiosen 4:3-Sieg bei Real Madrid in der Champions League waren sie zurück im harten Bundesliga-Alltag, sie hatten durch eigene Fehler eine schlagbare Mannschaft von Hertha BSC scheinbar zum Sieg getragen. In der 90. Minute aber griffen die Schalker noch korrigierend ein und schafften das 2:2. So blieb am Schluss zumindest trotz einiger Mängel auch der gute Eindruck, dass sich das Team nicht aufgegeben hatte.
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Roberto Di Matteo wollte das Spiel eigentlich mit der Sieger-Mannschaft von Madrid bestreiten - allen Strapazen zum Trotz. Auf dem Aufstellungsbogen war keine Rotation zu erkennen, obwohl Eric Maxim Choupo-Moting beim Erfolg bei Real wegen Wadenproblemen ausgewechselt worden war. Die machten sich dann wieder beim Warmmachen im Olympiastadion bemerkbar, so dass Schalkes Trainer kurzfristig umstellen musste. Und seine Entscheidung war dann endgültig eine schallende Ohrfeige für Kevin-Prince Boateng: Selbst jetzt noch wurde ihm weiterhin ein Platz auf der Bank zugewiesen, stattdessen vertraute Di Matteo dem jungen Leroy Sané, der schon in Madrid, wo Boateng noch gesperrt war, für Choupo-Moting gekommen war und seine Chance nicht nur mit einem Treffer eindrucksvoll genutzt hatte.
Hertha wartet ab
Die Fallhöhe für die Gewinner vom Dienstag war hoch. Sie übernahmen zwar auch in Berlin die Initiative, anfangs allerdings ohne Durchschlagskraft. Die Berliner warteten einfach nur ab, sie wirkten nicht, als wollten sie dieses Spiel im Abstiegskampf unbedingt für sich entscheiden. Es waren die Schalker, die sie anschoben. In Minute 20 leistete sich Christian Fuchs auf der linken Seite einen grauenhaften Fehlpass nach innen - eine Einladung für einen bis dahin passiven Gegner. Aus gut 20 Metern zog Valentin Stocker ab, und dann patzte noch ein Schalker: Torwart Timon Wellenreuther ließ den Ball nach vorne abprallen, Änis Ben-Hatira setzte nach und traf zum 1:0. Anschließend jubelte der Berliner mit Spiderman-Maske - auch nicht gerade originell, den Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang so billig zu kopieren.
Jetzt mussten die Schalker noch mehr tun. Ihren Angriffen aber fehlte die Konsequenz. Typisch diese Szene nach einer halben Stunde: Marco Höger bekam rechts vorne von Per Skjelbred den Ball geschenkt, der Schalker hatte plötzlich an der Grundlinie alle Zeit der Welt, um sich einen von drei im Zentrum wartenden Adressaten auszusuchen. Auch dieser Ball aber kam nicht an, weil Höger ihn scheinbar planlos nach innen schlug, wo er von den Berlinern leicht abgefangen werden konnte.
Huntelaar lässt sich zurückfallen
40 Minuten waren gespielt, als Schalkes Stürmer Klaas-Jan Huntelaar die Nase voll hatte. Er ließ sich weit zurückfallen, forderte den Ball, spielte ihn wieder ab, bekam ihn noch einmal und leitete ihn dann wunderbar mit der Hacke weiter - genau in den Lauf von Leroy Sané, der über links in Richtung Tor zog. Als er dem Kasten näher kam, rechnete jeder mit einem Rückpass in die Mitte - vermutlich auch Thomas Kraft. Leroy Sané aber überlupfte den Hertha-Keeper frech mit dem linken Fuß und platzierte den Ball traumhaft schön im langen Eck. 1:1 zu einem guten Zeitpunkt - dank des Mutes und des Geschicks des 19-Jährigen war Schalke wieder im Spiel.
Nach der Pause aber hatte Hertha die erste gute Chance: Timon Wellenreuther parierte einen schönen Drehschuss von Stürmer Salomon Kalou. Roberto Di Matteo versuchte sein Glück mit einer neuen Kraft, er brachte in der 57. Minute Leon Goretzka für Max Meyer, der kein schlechtes Spiel gemacht, aber auch keine entscheidenden Impulse gegeben hatte. Es gelang den Schalkern aber nicht, mehr Druck auszuüben, zumal nun auch die Berliner zunehmend am Spiel teilnahmen und ihre Gäste, denen natürlich noch das intensive Madrid-Spiel in den Knochen steckte, mehr beschäftigten als in der ersten Halbzeit. Glück hatten die Schalker, als Timon Wellenreuther eine Ecke unterlief, Matija Nastasic aber den Fehler des Torwarts ausbügeln und den Ball zu einer weiteren Ecke abwehren konnte.
Die Schalker erweckten nicht den Eindruck, als hätten sie noch die Power, um in der Schlussphase auf Sieg spielen zu können. Und Kevin-Prince Boateng lief sich immer noch locker warm…
Boateng kommt nur für die letzten zehn Minuten
Es dauerte bis zur 79. Minute, dann erst durfte der ehemalige Führungsspieler tatsächlich doch noch aufs Feld. Leroy Sané, dem in der zweiten Hälfe kaum noch etwas gelungen war, räumte seinen Platz im Angriff, und der ehemalige Berliner Boateng lief unter den Pfiffen der Hertha-Fans auf den Rasen.
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Würde Schalke jetzt wieder kraftvoller angreifen? Der Schuss ging nach hinten los. Ausgangspunkt war wieder der indisponiete Christian Fuchs, dem der Ball erneut vom Fuß sprang. Hertha kam dadurch über rechts, innen war Schalke nicht sortiert, Valentin Stocker schoss aufs Tor, und wieder ließ Wellenreuther den Ball nach vorne abprallen. Diesmal schaltete der eingewechselte Genki Haraguchi am schnellsten, 2:1 für Hertha in der 82. Minute. Und kein Welpenschutz mehr für Wellenreuther: Kapitän Benedikt Höwedes stauchte den jungen Schlussmann mächtig zusammen.
Kurz danach hatte Schalke nach einer Ecke noch eine richtig gute Gelegenheit zum Ausgleich: Joel Matip musste den Ball nur über die Linie drücken, doch er verstolperte. War’s das? Einen hatte Schalke noch, und offenbar wusste Joel Matip, dass er noch etwas gutzumachen hatte. Christian Fuchs, diesem Unglücksraben, gelang in der 90. Minute endlich eine gescheite Flanke - Joel Matip stieg hoch und beförderte den Ball ins Tor. 2:2, am Ende konnte Schalke durchatmen. Blamage vermieden.