Dortmund. . Orientierungslos taumeln die Königsblauen durch das Derby, am Schluss brechen sie ein. Coach Di Matteo kündigt an, alles auf den Prüfstand zu stellen.
Klaas-Jan Huntelaar winkte nach dem Schlusspfiff kurz verächtlich ab und verschwand dann in Richtung Kabine. Die meisten anderen Schalker Spieler gingen gemeinsam mit gesenkten Köpfen zur Nordost-Ecke des Dortmunder Stadions, zum Block der blau-weißen Fans. Dort wurden die Derbyverlierer empfangen wie Brandstifter: Geballte Fäuste drohten ihnen, Gebrüll und Beschimpfungen dröhnten in ihren Ohren. Etwa zwei Minuten ertrugen sie die zuvor so noch nicht erlebte Verurteilung, dann schlichen auch sie stumm davon.
Das Schweigen der Lämmer.
0:3 in einem Derby, das auch 0:10 hätte enden können – das war selbst für die geduldigen Gemüter der treuesten Anhänger zu viel. Hatten die Schalker eigentlich jemals vor, an diesem Spiel teilzunehmen? Die angeblich so schwer zu überwindende blaue Betonmauer erwies sich als Pappwand, eigene Initiative wurde nicht ergriffen, die Blau-Weißen schwankten zwischen Verunsicherung und Schläfrigkeit.
Orientierungslos taumelten sie durch die erste Halbzeit, in der sie nur der lausige Umgang der Dortmunder mit Großchancen vor einer frühen Deklassierung bewahrte. Der Einbruch nach dem 0:1 bescherte den Schalkern am Ende aber doch noch ein Resultat, das sich nicht mehr schönreden ließ.
Trainer Roberto Di Matteo versicherte zwar: „Alle haben versucht zu kämpfen.“ Aber diese krampfhafte Formulierung klang schon verräterisch. Benedikt Höwedes beantwortete die Frage, ob alle Spieler tatsächlich alles gegeben hätten, etwas deutlicher: „Ich glaube, dass wir da noch Potenzial nach oben hatten“, sagte der Kapitän, der aber „keinen in die Pfanne hauen“ wollte.
Die Suche nach Alternativen
Auch Di Matteo suchte keine Sündenböcke. „Wenn man verliert, verliert man als Kollektiv“, stellte er klar. „Alle inbegriffen, mich auch.“
Oh ja, auch der Trainer hatte seinen Anteil an dieser Blamage. Seine nahezu ausschließlich auf stabile Defensive ausgerichtete Grundordnung ließ sich zu Beginn der Rückrunde noch rechtfertigen, weil die Ergebnisse stimmten. Das 0:1 in Frankfurt und das späte 1:1 gegen Bremen aber leiteten bereits einen Negativtrend ein, dessen Tiefpunkt beim Derby erreicht wurde. Die Schalker wollten augenscheinlich ein 0:0 retten, die Abwehr aber war ein Schwimmverein, und vorne konnte nicht einmal ein Glückstor fallen, weil BVB-Torwart Roman Weidenfeller einen ganzen Nachmittag lang keinen Blau-Weißen aus der Nähe zu sehen bekam. Das erkannte sogar Maurermeister Di Matteo: „Wenn wir den Ball erobert haben, haben wir ihn viel zu schnell wieder weggegeben. Darum konnten wir nach vorn sehr wenig machen. Ohne den Ball ist das unmöglich.“ Wie wahr.
Di Matteo kündigte an, alles auf den Prüfstand zu stellen: „Wir müssen uns grundsätzlich überlegen, wie es für die Zukunft weitergeht.“ Er bezog dies sowohl „auf die personelle Situation“ als auch „auf das System“. Der Italiener wird wissen: Wurschteln die Schalker so weiter, können sie nach hinten durchgereicht werdem. Ein Team mit dem Ziel Champions League darf nicht so beschämend auftreten. Auch Di Matteo hat erkannt: „Grundsätzlich ist es eine Einstellungssache.“
Bieten sich ihm Alternativen? Auf die Torhüter Ralf Fährmann und Fabian Giefer wird er ebenso noch ein paar Wochen warten müssen wie auf Julian Draxler und Sead Kolasinac. Immerhin wird schon in Kürze wieder Leon Goretzka zur Verfügung stehen. Es drängt sich jetzt auch auf, die jungen Max Meyer und Kaan Ayhan ins Rennen zu werfen, zudem die A-Jugendlichen Leroy Sané und Felix Platte weiter zu fördern. Mehr als die Arrivierten im Revierderby können die Talente garantiert nicht enttäuschen.