Gelsenkirchen. Seit Oktober trainiert Roberto Di Matteo Schalke 04. Wir haben mit ihm über seine schwierige Suche nach Konstanz und seinen Führungsstil gesprochen.
Es ist kalt und zugig im Spielertunnel der Arena. Es gäbe angenehmere Orte, um für Fotos zu posieren, aber der optisch einem Bergbaustollen nachempfundene Gang dort unten reizt halt einen Fotografen. Und Roberto Di Matteo ist Profi. Also spielt er mit, freundlich und vor allem: geduldig. Eine Eigenschaft, die er brauchen wird als Trainer des FC Schalke 04. Aktuell ist seine Mission das Spiel an diesem Samstag beim VfB Stuttgart (15.30 Uhr, live in unserem Ticker), langfristig soll er eine wankelmütige Mannschaft wieder auf stabile Beine stellen.
Herr Di Matteo, wer gegen Sie Karten spielt, der hat es schwer, oder?
Roberto Di Matteo: Ich habe schon lange nicht mehr Karten gespielt. Aber ich denke, es kommt immer auf das Blatt in der Hand an.
Wir fragen danach, weil Sie die Kunst beherrschen, sich nicht durch Mimik zu verraten. Ob nach Siegen oder nach Niederlagen – an Ihrem Gesichtsausdruck lässt es sich kaum erkennen, was Sie wirklich denken und fühlen.
Di Matteo: Öffentlich zeige ich wenige Emotionen. Ich versuche, bei einem Sieg nicht zu euphorisch und bei einer Niederlage nicht zu deprimiert zu sein.
Von Kevin-Prince Boateng stammt folgendes Zitat über Sie: Der Trainer bringt eine Ruhe mit, die fast schon beängstigend ist, als Spieler kann man ihn wenig lesen. Steckt Absicht dahinter?
Di Matteo: Ich glaube, dass Kommunikation ganz wichtig ist. Ich rede viel mit den Spielern. Da herrscht Respekt, aber keine Angst.
Haben Sie sich schon eingelebt auf Schalke?
Di Matteo: Ja, schnell. Aber natürlich braucht es Zeit, um alle Abläufe kennenzulernen, auch den Verein, die Spieler und die Fans. Ich war am Mittwochabend mit Fans und ehemaligen Spielern auf Mythos-Tour, darauf hatte ich mich schon vorher gefreut. Die Fans sind ja ein lebendiger Teil dieses Vereins mit seiner großen Tradition. Es war wirklich interessant, es hat sich gelohnt.
Sie wohnen in Düsseldorf, Ihre Frau und Ihre beiden Töchter und Ihr Sohn leben in London. Klingt kompliziert.
Di Matteo: Ich arbeite, und meine Familie versteht das. Im Moment ist das überhaupt kein Problem, mit der Technologie der heutigen Zeit ist es ja trotzdem möglich, sich täglich zu sehen. Im Sommer werden wir mal überlegen, ob wir etwas ändern und die Familie vielleicht auch nach Deutschland kommt.
Hand aufs Herz – haben Sie in den vergangenen Wochen mal gedacht: In welchem turbulenten Verein bin ich denn da gelandet?
Di Matteo: Ich habe die Bundesliga schon als Kind verfolgt, ich wusste ja, dass Schalke ein ganz spezieller Verein ist. Es gibt im Umfeld große Schwankungen zwischen sehr hoch und sehr tief. Ich versuche, ausgeglichen zu sein.
Ist die Schalker Mannschaft schwer zu führen?
Di Matteo: Nein.
Aber sie fällt durch extreme Leistungsunterschiede auf. Verzweifelt ein Trainer daran nicht?
Schweiz, Italien, England - Di Matteos Weg
Roberto Di Matteo hat bereits die bedeutendste Trophäe gewonnen, die ein Vereinstrainer gewinnen kann: 2012 verdarb er dem FC Bayern das Heim-Finale und holte mit dem FC Chelsea den Champions-League-Titel.
Sechs Monate später wurde er entlassen, Anfang Oktober 2014 nahm der 44-Jährige einen neuen Job an: beim FC Schalke 04.
Der Italiener wurde im Mai 1970 in Schaffhausen in der Schweiz geboren. Beim FC Schaffhausen begann auch seine Spielerlaufbahn, die ihn später zu Lazio Rom und zum FC Chelsea führte. Di Matteo bestritt 34 Länderspiele für Italien. Als Trainer startete er in England beim Drittligisten Milton Keynes Dons. Mit West Bromwich Albion stieg er in die Premier League auf.
Di Matteo: Es ist nicht so einfach, Kontinuität in eine Mannschaft zu bringen. Das wird Ihnen jeder Trainer sagen. Wir suchen alle nach dieser Kontinuität in den Leistungen und den Resultaten. Hier gibt es dieses Auf und Ab seit Jahren, das verbessert man nicht in wenigen Wochen.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Di Matteo: Das müssten Sie eigentlich nicht mich fragen.
Ist Ihnen Distanz zu den Spielern wichtig? Oder Nähe?
Di Matteo: Respekt und Vertrauen ist wichtig.
So denkt Schalke-Trainer Di Matteo über Bundestrainer Joachim Löw
Manager Horst Heldt hat gesagt, Sie hätten schon allein wegen der vielen Ausfälle noch gar nicht die Plattform vorgefunden, um Ihre Vorstellungen durchsetzen zu können. Hat er Recht?
Di Matteo: Ich bin seit gut 60 Tagen hier, in dieser Zeit hatte ich auch noch zwei Länderspielpausen, und das bei unserer langen Verletztenliste. Ich habe sehr engagiert mit den Spielern gearbeitet, die da waren, und die Spieler haben eine gute Bereitschaft gezeigt. Aber viele waren es eben nicht. Ich lege großen Wert auf Organisation im Spiel. Wir machen dabei schon Schritte nach vorn, aber auch mal wieder einen zurück. Die vielen Umstellungen, zu denen wir gezwungen sind, helfen natürlich nicht bei dem Bemühen, Konstanz zu erzeugen.
Ist Ihre Aufgabe auf Schalke schwerer als vorher gedacht?
Di Matteo: Ein bisschen schon, ja.
Braucht Schalke im Winter Verstärkungen?
Di Matteo: Wir wollen abwarten, bis zum Ende der Hinrunde werden wir eine bessere Vorstellung davon haben, was in dieser Hinsicht sinnvoll ist.
Sie sind als Italiener in der Schweiz aufgewachsen. Stimmt es, dass Sie früh lernen mussten, mit Widerständen fertigzuwerden?
Di Matteo: Natürlich. Als Gastarbeiter-Kind im Ausland musste ich mir vieles erarbeiten und mich auch wehren.
Diese Haltung ist vermutlich geblieben, oder?
Di Matteo: Ja, das hat mich geprägt.
In Schaffhausen haben Sie mit dem heutigen Bundestrainer Joachim Löw zusammengespielt. Er hat erzählt, dass Sie als junger Spieler ihm, dem älteren, bereits die Laufwege aufgezeigt hätten. War für Sie früh klar, dass Sie später Trainer werden würden?
Di Matteo: Nein, überhaupt nicht. Als zentraler Mann musste ich eben viel organisieren. Aber der Jogi war damals bei uns der beste Spieler.
Als Trainer scheint er auch nicht der Schlechteste zu sein...
Di Matteo: (lacht) Und noch besser ist er als Mensch. Er war immer bodenständig und ist es bis heute geblieben.