Essen.
Es waren ein paar sehr gefühlsbetonte Stunden, die die 406 stimmberechtigten Mitglieder von Rot-Weiss Essen bei der Mitgliederversammlung am Sonntag erlebten. Das Treffen fand im „Saal Deutschland“ statt. Er wurde für die Zeit der Versammlung aber in „Saal Georg Melches“ umgewidmet.
Was Vorsitzender Michael Welling mit manchmal launischen Abschweifungen („Die Sitze, auf denen sie sitzen, sind nicht königsblau“) mitzuteilen hatte, war überwiegend positiv – allein, wenn man bedenkt, dass die Insolvenz noch nicht so lange zurückliegt. An der Mitgliederzahl, die seitdem von etwa 2000 auf aktuell 4306 gestiegen ist, lässt sich die kontinuierliche Gesundung des Clubs von der Hafenstraße ablesen.
Wellings Rückblick auf das sportliche Abschneiden fiel durchwachsen aus. Die Nachwuchsteams spielten durchweg in den höchstmöglichen Ligen. Der vierte Platz der „Ersten“ sei angesichts der Schwächephase in der Rückserie in Ordnung. Für die kommende Saison soll ein Platz unter den Top drei anvisiert werden. Alles könne, nichts müsse. Worte, die die Mitglieder und Fans gerne vernahmen, was ihr Beifall bestätigte. Auch dass finanziell – so Welling – alles im grünen Bereich sei, fand durchweg Wohlgefallen. Die Einnahmemöglichkeiten durch das neue Stadion hätten sich verbessert, „aber der Mehraufwand unsererseits ist auch größer geworden“. Das Stadion lohne sich, auch wenn man nicht vergessen dürfe, dass Umsatz nicht gleich Gewinn sei. Unter dem Strich habe im Geschäftsjahr 2012 eine Summe von 8000 Euro plus gestanden.
Regionalliga-Kader auf der Bühne
Von den doch eher nüchternen Zahlen wechselte Welling zu einem Punkt, der die Mitglieder gleich doppelt gefühlsmäßig forderte. Zum einen marschierte der Regionalliga-Kader ein, für den die Bühne gerade einmal Platz bot. Dabei auch ein weiterer Zugang: Konstantin Fring von der U23 von Borussia Dortmund. Klarheit besteht seit Sonntagmorgen auch über den weiteren sportlichen Weg von Kerim Avci. Die letzten Formalitäten sind geklärt. Sein Wechsel zum türkischen Erstligisten Kayseri Erciyesspor ist perfekt. Wie angekündigt war auch Stürmer Benedikt Koep nicht dabei, der sich mit Wechselgedanken trägt. Welling: „Mit Benne sind wir im Austausch. Er soll erst mal seine eigene Situation klären.“
Bei weiteren Verpflichtungen sei er angesichts des aktuellen Kaders sehr entspannt. „Ich habe Bock auf eine geile Saison“, sagte der Rot-Weiss-Chef. Die Mannschaft wurde derweil mit stehendem Applaus zu ihren Sitzen in vorderster Reihe geführt, von wo sie eine bewegende Bilderreise durch die RWE-Geschichte, unterlegt mit dem neuesten Rot-Weiss-Lied von „Sandy und die Cafe-Nova-Stauder-Trinker“ verfolgten. 15 Minuten Pathos pur. Besonders die neuen Spieler bekamen so einen nachhaltigen Eindruck vom Mythos Rot-Weiss. Michael Welling und Sandy selbst („Gott schütze Rot-Weiss Essen“) waren allerdings nicht weniger bewegt.
Nach der Insolvenz ging es ständig bergauf. Sportlich wie finanziell. Das bestätigte auch Aufsichtsratsvorsitzender Christian Hülsmann, der die Zusammenarbeit mit Welling als problemlos lobte. „Es geht ständig bergauf. Doch der Druck wird größer, es werden Erwartungen geweckt. Ich höre immer wieder mal, wir müssen mal was riskieren. Doch solange ich Verantwortung trage, werde ich nicht zulassen, dass der Verein noch einmal in finanzielle Schieflage gerät“, sagte Hülsmann, der wie die übrigen Mitglieder des Gremiums, wiedergewählt wurde. Daher werde auch weiterhin der Weg der wirtschaftlichen Vernunft beschritten.
Sigi Dahms wird Ehrenmitglied
Der rot-weiße Gefühlsbogen schloss sich nach knapp dreieinhalb Stunden, als Welling den zehnten Punkt der Tagesordnung „Ernennung Ehrenmitglieder“ aufrief. In die Riege der Ehrenmitglieder wurde mit stehenden Ovationen Sigi Dahms aufgenommen. Der 89-Jährige frühere Spieler hält RWE seit Jahrzehnten die Treue. Besonders liegt ihm die Jugend am Herzen, weshalb er regelmäßig zu den Gästen bei Spielen des Nachwuchses – und sogar beim Training – an der Seumannstraße anzutreffen ist.