Essen. Der streit- und nahbare Marcus Uhlig hört als Vorstand bei Rot-Weiss Essen auf. Warum er stolz auf die sechs Jahre sein darf – eine Einordnung.

Ein Kaffeebecher, wenn’s sein muss eine Beruhigungszigarette, oder die Fäden bei Rot-Weiss Essen: Marcus Uhlig hatte gerne etwas in der Hand. Nun gibt er die Verantwortung ab: Uhlig hört spätestens Ende Juni als Vorstandsvorsitzender beim Drittligisten auf.

„Ich schaue mit Freude, Dankbarkeit und auch Stolz zurück auf meinen Weg bei RWE, auf dessen Strecke im Ergebnis ganz sicher mehr richtig als falsch gelaufen ist“, sagt er selbst über diesen Schritt. Das stimmt zweifellos. Der Funktionär – streitbar, fair und mit dem Hang zum Zu-viel-Wollen – darf zufrieden mit seiner über sechs Jahre andauernden Amtszeit sein.

Rot-Weiss Essen stieg unter Uhligs Führung in die dritte Liga auf

Als ihn „Doc“ Michael Welling nach Essen lotste, im Herbst 2017 war das, hatte RWE eine Mannschaft, die sich zwar stets als Aufstiegskandidat sah, in Wahrheit aber nur zum erweiterten Regionalliga-Favoritenkreis zählte. Wenn überhaupt. Unter Uhlig hat sich der Verein weiterentwickelt – und sein Profil nach außen geschärft.

Lesen Sie hier: Das ist der Nachfolger von Marcus Uhlig.

Uhlig war sich nie zu schade, über den Tellerrand hinauszuschauen. Ihm war immer klar, dass der Verein eine wichtige gesellschaftliche und soziokulturelle Rolle spielt und positionierte ihn entsprechend. Er nutzte die Strahlkraft von RWE klug. Er war Mitglied der Task Force „Wirtschaftliche Stabilität dritte Liga“ und federführend dabei, Corona-Hilfen für Vereine zusammenzubekommen. Auch dass das Stadion wieder Stadion an der Hafenstraße heißt ist mit sein Verdienst. Er war sich für kein Mikrofon, keine Kamera zu schade, stets nahbar. Er passte perfekt in den Pott und zu diesem besonderen Malocher-Verein mit der Kodderschnauze.

Doch bisweilen übernahm sich Uhlig. Spötter behaupten, in den Regionalliga-Jahren saß er häufiger im Gerichtssaal, um für seinen Klub einzustehen, als im Büro.

Das große Ziel hat er erreicht: den Aufstieg 2022. Wie heftig die dritte Liga, auch für ihn persönlich, werden würde, hat er wohl unterschätzt. Da war er aber nicht der einzige Rot-Weisse. Im Nachhinein muss man sagen: Man konnte froh sein, irgendwie die Klasse gehalten zu haben.

Die JHV im Sommer 2023 - wohl der Wendepunkt

Umso angespannter war die Lage im Sommer des vergangenen Jahres, und wenn es einen Wendepunkt in der Beziehung zwischen Rot-Weiss Essen und Marcus Uhlig gibt, dann ist es wohl der 25. Juni 2023. Uhlig präsentierte auf der Jahreshauptversammlung ein Minus in Höhe von rund 3,6 Millionen Euro. Die Stimmung als aufgeheizt zu bezeichnen, wäre eine maßlose Untertreibung. Die JHV musste abgebrochen werden. Und Uhlig war der Schock anzumerken, er wirkte in den Wochen danach ausgezehrt und leer.

Die Versammlung und das Ergebnis bezeichnete er als „Katastrophe“, für die er die volle Verantwortung übernehmen würde. Was manch einer als erste Rücktrittsankündigung interpretierte, hieß in Wahrheit: Uhlig wollte nicht weglaufen, sondern diese denkwürdige JHV geraderücken. Im Nachhinein betrachtet könnte man dies als seine letzte Mission bezeichnen.

Es dauerte Wochen für ihn und die RWE-Funktionäre, den Knoten zu entwirren, Transparenz herzustellen. Uhlig bekam Unterstützung von Sascha Peljhan (Finanzen) und Alexander Rang (Vertrieb), die im Vorstand einstiegen – ein weiteres Indiz dafür, dass Uhlig sich wieder übernommen hatte. Einen Drittligisten ganz allein führen? Unmöglich. Uhlig wullachte auf allen Ebenen, das war schlicht zu viel für den Hans Dampf der Hafenstraße.

Marcus Uhlig (r.) mit Trainer Christoph Dabrowski, dem er stets das Vertrauen ausgesprochen hat, auch in schlechten Zeiten bei Rot-Weiss Essen.
Marcus Uhlig (r.) mit Trainer Christoph Dabrowski, dem er stets das Vertrauen ausgesprochen hat, auch in schlechten Zeiten bei Rot-Weiss Essen. © Essen | Thorsten Tillmann

Rot-Weiss Essen: Uhligs letzte Mission ist beendet – und das erfolgreich

Vorstand und Aufsichtsrat schafften es, durch kluge Maßnahmen, hier wäre die Durchführung der „Kleinen JHV“ zu nennen, das Vertrauen der Mitglieder zurückzugewinnen. Sie wurden im Herbst schließlich entlastet. Man kann sich gut vorstellen, welche Last von Uhlig abgefallen ist. Was auf ihn alles eingeprasselt sein muss nach der „Katastrophen“-JHV, darf man sich gar nicht ausmalen. RWE hat eben eine ganz spezielle Wucht, positiv wie negativ, das weiß er als Fan seit Kindheit selbst am besten.

+++ So hat RWE das Vertrauen der Mitglieder zurückgewonnen +++

In den vergangenen Wochen hat sich der 53-Jährige etwas zurückgezogen. Er ließ sich nicht mehr so häufig in der Öffentlichkeit blicken, war bei Spielen zwar präsent, aber hielt sich mehr im Hintergrund als früher. Und wenn, lächelte er, machte einen gelösten Eindruck.

Das darf er auch, denn Ende Februar steht der Verein komfortabel auf dem sechsten Tabellenrang, hat sogar noch Chancen, auf einen der ersten drei Plätze zu springen. Trainer Christoph Dabrowski, dem Uhlig trotz heftigen Gegenwinds stets das Vertrauen ausgesprochen hat, hat jüngst seinen Vertrag bis Sommer 2026 verlängert. Die Unterlagen für die Lizenzen gehen in diesen Tagen an den Deutschen Fußball-Bund. Alles hat sich gefügt. Marcus Uhlig hat seinen Job bei Rot-Weiss Essen erledigt.

+++ Berichte, Interviews, Hintergründe: Unsere RWE-Reporter berichten täglich. Bestellen Sie hier den kostenlosen WAZ-Newsletter zu Rot-Weiss Essen +++