Essen. Prestigeduell zweier ewiger Rivalen: Rot-Weiss Essen fährt an diesem Sonntag zu Preußen Münster. Was zeichnet den Gegner aus? Die Analyse.
Perfekt kommt er, der Ball, Joel Grodowski nimmt ihn volley; dann rennt er los, springt über die Werbebande hin zu den Ultras im Block N. Jubelschreie, Umarmungen, Bierduschen, 2:1 – Preußen Münster hat das Spiel gedreht, die Party kann steigen, und ein Evergreen darf nicht fehlen.
Kaum ist das Derby gegen Arminia Bielefeld gewonnen, schallen die Schmähgesange gegen den anderen Drittliga-Rivalen durchs Rund; nur eine Woche später, nämlich an diesem Sonntag, kommt Rot-Weiss Essen ins Preußenstadion. Ein Prestigeduell, aufgeladen durch Aufstiegsdramen, Böllerwürfe, verdammt enge Spiele und Last-Minute-Treffer. Hitzig, hektisch, herbeigesehnt – um 13.30 Uhr geht es los, und der SCP ist gut drauf.
Rot-Weiss Essen: Gegner Preußen Münster erspielt sich viele Chancen
Als Tabellenzwölfter geht er in die Partie. Für einen Aufsteiger ist das, möchte man meinen, völlig in Ordnung. Hört man sich allerdings im Umfeld um, klingt es ein bisschen anders: Eine bessere Platzierung wäre zweifelsohne drin gewesen. Wären da nicht die Gegentore, die oft zu leicht gefallen sind, und die mangelhafte Chancenverwertung. Analysiert man die „Expected Points“-Werte der Dritten Liga - hier werden die „Expected Goals“ den „Expected Goals Against“ gegenübergestellt, es wird also geschaut, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Chance zum Tor führt - müssten die Preußen eigentlich um den Aufstieg mitspielen.
Rot-Weiss Essen und Preußen Münster: Alles zur Rivalität
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Besonders schmerzt die Münsteraner die 2:3-Niederlage in Unterhaching im Dezember. Innerhalb einer Minute kassierten sie zwei Gegentore, selbst versemmelte der SCP knapp unzählige Top-Möglichkeiten. Allen voran Malik Batmaz und Joel Grodowski, die Stürmer, die mit elf und neun Toren trotzdem zu den erfolgreichsten Knipsern der Liga gehören.
Grodowski ist 2024 auf Zack, denn auf das Siegtor gegen Bielefeld folgte an diesem Mittwoch der nächste Treffer beim 1:1 in Ingolstadt. Aber auch dort ließen er und seine Kollegen einiges liegen. „Es zieht sich durch die Saison“, sagt der 26-jährige Blondschopf, „dass wir viele Chancen kreieren, dann aber der letzte Pass nicht ankommt oder ein Bein dazwischen ist. Es ist trotzdem gut, dass wir die Chancen erarbeiten.“
SCP gegen RWE: Eine Frage des Tempos
Man darf an diesem Sonntag ein offenes Spiel erwarten zwischen den beiden Rivalen. Die Essener verzückten ihren Anhang am Dienstag. Beim 3:1-Erfolg gegen Köln spielte RWE eine der besten Hälften dieser Saison, schön lief der Ball durch die eigenen Reihen. Ron Berlinski zeigte mit seinem Zuckerpass vor dem 3:1, dass er doch die feine Klinge kann, und Thomas Eisfeld gewann ein entscheidendes Sprintduell - hat man beides selten gesehen.
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Apropos, die Tempo-Vorteile und -Defizite in den direkten Duellen könnten am Sonntag ebenfalls spielentscheidende Faktoren werden. Die rot-weissen Innenverteidiger, José-Enrique Rios Alonso und Felix Götze, bekommen es mit zwei unterschiedlichen Stürmertypen zu tun. Batmaz ist ein Knipser, der körperlich unscheinbar wirken mag, aber gefährliche Situationen erahnt, den Riecher hat. Grodowski bringt eine enorme Geschwindigkeit mit – darunter leidet aber bisweilen seine Ballkontrolle. Kriegt er Räume, könnte es ungemütlich werden.
Die zentrale Mittelfeldachse der Essener, wohl wieder bestehend aus Vinko Sapina, Torben Müsel und Cedric Harenbrock, wird auf einen kampstarken Block stoßen. Münsters Luca Bazzoli putzt vieles weg. Neben ihm dürfte der laufstarke Box-to-Box-Spieler Rico Preißinger starten. Für Kreativität sorgt der wuselige Daniel Kyerewaa, und Yassine Bouchama, der Essener Junge, darf ebenfalls auf einen Startelfeinsatz hoffen, da Sebastian Mrowca verletzt ausfällt.
Sascha Hildmann - „Münster for life“
Was die RWE-Offensive erwartet? Stürmer Vonic dürfte auf Niko Koulis und Simon Scherder treffen. Zwei robuste Abwehrspieler, vor allem Vereinslegende Scherder ist mit allen Wassern gewaschen, machte jüngst sein 250. Liga-Spiel für Münster. Was aber nicht zu den Stärken der beiden Verteidiger gehört, ist die Beweglichkeit. Das können die Rot-Weissen ausnutzen, indem sie das Pressing fix überspielen und Isi Young oder Marvin Obuz in die Tiefe schicken.
Nun, der Matchplan ist das eine. Das andere sind die Nerven in diesen Derbys, die Sascha Hildmann einfach mag. „Ich freue mich sehr darauf“, sagt der SCP-Trainer, an dem sich die RWE-Fans so gerne reiben. Der Pfälzer mit der markanten Brille geht an der Seitenlinie ab wie eine Silvesterrakete. Kaum zu glauben, dass sein größtes Hobby das Angeln ist. Hildmann liebt die Natur, die Ruhe. Seit er ein Kind ist, lässt er sich, wenn es passt, auf dem Wasser treiben. Immer dabei: eine Kappe. Seit geraumer Zeit trägt er gern ein Modell mit der Aufschrift „MS4L“ – Münster for life.
Es ist tatsächlich eine bemerkenswerte Liaison, die der 51-jährige Trainer mit dem SC Preußen hat. Er ist gerade in sein fünftes Jahr an der Hammer Straße gegangen, damit hatte niemand gerechnet. In seiner ersten Saison stieg Hildmann in die Regionalliga ab. Gemeinsam mit Peter Niemeyer gestaltete er den Neustart. Nach drei Jahren Regionalliga glückte die Rückkehr in die dritte Liga.
Ein Sieg gegen Rot-Weiss Essen an diesem Sonntag, er wäre Sascha Hildmanns nächster großer Fang.