Essen. RWE-Kolumnist freut sich nicht nur über das 11:0 gegen Uerdingen, sondern auch über positive Randerscheinungen. „Der Steckerzieher“ von Velbert.

Vielleicht ist es an der Zeit, den Klassiker „Elf Freunde müsst Ihr sein“ von Sammy Drechsel aus dem Jahre 1955 umzudichten. Für einen Tag natürlich nur, denn die Ereignisse um Heini Kamke und Kumpels sind von fußballhistorischer Bedeutung. Aber für diesen einen Tag benennen wir das wundervolle Buch in „Elf Tore müsst Ihr sein“ um und widmen es der Mannschaft von Rot-Weiss Essen.

Dass die Mannschaft sich anschickt, unseren Verein auch sportlich voranzubringen, haben wir ja schon länger geahnt. Dass sich der aktuelle Kader aber schon in der noch laufenden Saison in das Geschichtsbuch der Vereinshistorie eintragen darf, damit war dann eher doch nicht zu rechnen. Der auch in dieser Höhe verdiente Auswärtserfolg in Velbert als Gast des KFC Uerdingen ist neuer Vereinsrekord. Das Erstaunliche an diesem, mittlerweile europaweit beachteten Ergebnis ist die Tatsache, dass die Mannen um Christian Neidhart auch bei hoher Führung in keiner Weise nachgelassen haben.

Man kennt das ja: Eine hohe Führung zur Halbzeit bei gleichzeitiger Einschätzung in der Kabine, dass vom Gegner nicht mehr viel kommt, führt in der Regel dazu, dass die zweite Hälfte eine sehr langweilige wird. Velbert hingegen bekam eine zweite Halbzeit geboten, die aus rot-weisser Sicht den Trailer für „Fast & Furious Teil 1907“ darstellte. Spielfreude, Torhunger und die Überwindung persönlicher Kleinstkrisen, sofern sie denn überhaupt vorhanden waren, alles wurde auf den Platz gebracht und führte zu diesem Ergebnis.

Das Torverhältnis wurde auf Hochglanz poliert

Und ich war vor dem Spiel tendenziell eher Kategorie „Mahner in der Wüste“, hatte mit einem vielleicht zähen Spielverlauf gerechnet. Speziell nach dem ersten Saisonerfolg der arg gebeutelten Uerdinger in der Vorwoche. Weit gefehlt also: Das so wichtige Torverhältnis wurde kurzerhand in einem Spiel auf Hochglanz poliert. Am Sonntag morgen musste ich mich zuallererst kurz vergewissern, ob das auch alles wirklich so passiert ist.

Passiert wie immer auch die ganzen Randerscheinungen, die das Bild über den Zustand einer Mannschaft erst so richtig vervollständigen. Und ich habe da ein schönes Gemälde gesehen, was mich fast noch mehr erfreut als die vielen Tore. Christian Neidhart hat weiter ein ziemlich gutes Gespür für die Situation und so kam es zwar fast überraschend, als Yannick Langesberg für Felix Herzenbruch eingewechselt wurde, aber inhaltlich war es ein ganz wertvoller Wechsel.

Dennis Grote mit großer Geste für Zlatko Janjic

Ganz groß auch die Geste vor dem Elfmeter kurz vor Schluss: Wie selbstverständlich schnappte sich Skipper Dennis Grote den Ball, um ihn an den fast gerührt wirkenden Zlatko Janjic weiterzureichen, der sich somit auch noch in die Torschützenliste einreihen durfte. Ach, es gab noch einige kleine zwischenmenschliche Gesten mehr, die darauf schließen lassen, dass das Mannschaftsgefüge auf einem stabilen Fundament steht, dem auch die (nun zu den Akten gelegte) Dauernörgelei in Sachen Torquote oder der absurden Altersdiskussion nicht viel anhaben kann.

Die Freude bei Isi Young, als Erolind Krasniqi für ihn nach seiner Sperre wieder den Platz betreten durfte, auch wenn er dadurch diesen verlassen musste. Die Art, wie Felix Bastians seinen Namensvetter mit Nachnamen Heim auf dem Platz begrüßte und nicht zuletzt der Torjubel des schon erwähnten Krasniqi. Alles aus der Freude am eigenen Tun, nicht um zusätzlich noch den Gegner zu düpieren.

Frustrierter KFC-Fan zog den Stecker

Übrigens: Der zwischenzeitliche Versorgungsausfall bei Staige als übertragendes Medium lag diesmal wirklich nicht an mangelnder Geschwindigkeit der Leitungen, sondern ein frustrierter KFC Fan hat schlicht den Stecker gezogen. Was zur Folge hat, dass wir nicht nur von einem Vereinsrekord berichten dürfen, sondern auch die Geschichte der ersten, polizeilich bewachten Steckdose in der Geschichte der Regionalliga West erzählt bekamen.

„Der Steckerzieher von Velbert“, mit Sicherheit eine Anekdote für Ben Redelings oder Arndt Zeigler um ihren Fundus an Kuriositäten rund um das Runde zu erweitern.

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