Essen. Das spektakuläre 4:4 im Testspiel gegen Drittligist SC Verl sah RWE-Trainer Christian Neidhart mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Dieses Vorbereitungsspiel hat Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen offensichtlich noch gebraucht. Die pünktlich abgepfiffenen 90 Testminuten zeigten die ganze Bandbreite des Teams von Trainer Christian Neidhart. 4:4 (3:1) gegen SC Verl – da bleiben keine Fragen mehr offen beim Trainer. Der sah eine „überragende erste Halbzeit“.
Und in der zweiten? Da fiel sein Urteil ebenso klar aus: „Von den vier Toren haben wir mindestens drei selber geschossen.“ Vielleicht etwas drastisch, aber im Kern verständlich. Vier Tore dürfen einer Mannschaft nicht passieren, die exakt den Anspruch hat, in der Liga mitzumischen, in der sich der Gast bereits im zweiten Jahr befindet.
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Eine Woche vor Saisonstart beim Bonner SC ächzt und knarzt es noch ein bisschen im Abwehrverbund. Die Reihen zwischen den eingespielten Daniel Heber und Felix Herzenbruch sowie dem Neuen, Yannick Langesberg, sind noch nicht so geschlossen wie gewünscht.
Und als sich Heber bei einem Gegentor noch von der allgemeinen Instabilität anstecken ließ, geschah auf den Rängen Erstaunliches: Da, wo sonst gerne ein Murren und Raunen einsetzt, ertönten plötzlich „Daniel-Heber“-Anfeuerungsrufe. Sollte Corona beim einen oder anderen zu tieferen Einsichten geführt haben? Oder genießt einer wie Heber vielleicht einen Bonus? Die nächsten Wochen werden es beweisen. Die vier Gegentore, eins läppischer als das andere, waren jedenfalls eine Mischung aus Unkonzentriertheit und gedanklicher Langsamkeit, vielleicht auch der langen und intensiven Vorbereitung geschuldet.
Vorne ging sie ab, die „Lucy“
Man könnte es sich auch einfacher machen und sich nur auf die Gegenseite konzentrieren. Denn vorne, ja vorne, da ging sie ab, die „Lucy“. Das Umschaltspiel der Rot-Weissen bei Balleroberung hat eine Geschwindigkeit angenommen, wie sie in der Vorsaison noch niemand zu träumen gewagt hätte. „Ja, wir haben unser Spiel ja auch ein bisschen umgestellt, aber solche Situationen kriegst du ja auch nur gegen einen Gegner wie heute, der mitspielen will“, ahnt natürlich auch Neidhart, wie der Liga-Alltag in den meisten Spielen verlaufen wird: Her mit dem Büchsenöffner!
Angriffe waren Schablone fürs Lehrbuch
Aber es war einfach schön anzuschauen, wie vom Startpunkt Cedric Harenbrock oder Luca Dürholtz die Stürmer ausschwirren ließen, die effektiv die Räume nutzten. Würde man die Angriffswege in der ersten Halbzeit mit Kreide auf dem sattgrünen Rasen nachzeichnen, man bekäme ein wunderschönes Gemälde, ein Liniengewirr, und dennoch mit Struktur. Da wird nichts mehr dem Zufall überlassen, sondern stringent aufgebaut. Eine echte Schablone fürs Lehrbuch schon nach 15 Minuten: Diagonalpass von Dürholtz auf Herzenbruch, gleich weiter zu Harenbrock, der im exakt richtigen Zeitpunkt in den Lauf von Young spielt. Und wenn es so weiter geht, entwickelt der sich noch zum Torjäger….
„Man sollte uns nicht zu sehr die Gegentore anlasten, sondern das Positive sehen, dass wir gegen eine Drittligamannschaft wie Verl, die noch kein Gegentor in den ersten beiden Spielen kassiert hat, vier Tore erzielt haben“, warb Harenbrock für die Offensivabteilung.
Willensleistung von Eismann zum 4:4
„Wenn man unser Kombinationsspiel spielt, auch bei den Toren, finde ich, wir haben schon eine brutale Stärke. Wenn wir das so durch die Saison ziehen, machen wir auch wieder viele Tore und werden die Zuschauer hier begeistern können“, hofft der feine Techniker.
Froh war er nur, wie alle im Stadion, dass eine Willensleistung des eingewechselten Sören Eismann am Ende das schiedlich friedliche 4:4 ermöglichte. „Ja, so etwas brauchen wir, gerade von den Leuten, die von der Bank kommen, dass sie sich so durchtanken und zeigen, dass sie unbedingt wollen.“ Eismann zeigte beim Torjubel aber eher, dass er nicht unbedingt oft von der Bank kommen will.
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