Essen/Oberhausen. Hajo Sommers von Rot-Weiß Oberhausen und Marcus Uhlig von Rot-Weiss Essen im zweiten Teil des großen Interviews zum Regionalliga-Start.
An diesem Wochenende beginnt die Saison in der Fußball-Regionalliga. Rot-Weiss Essen trifft am Samstag (14 Uhr) an der Hafenstraße auf den SC Wiedenbrück, Rot-Weiß Oberhausen muss mit dem Start noch warten, weil die Partie beim FC Wegberg-Beeck wegen eines Corona-Falls im Umfeld der Kleeblatt-Mannschaft ausfällt. Im ersten Teil unseres großen Interviews haben RWE-Vorstands-Chef Marcus Uhlig und RWO-Präsident Hajo Sommers über die Ängste und Kosten der Traditionsklubs gesprochen, warum Live-Streams ein Mittel sind, um Sorgen zu lindern. Jetzt sprechen sie über mögliche Unterstützung der umliegenden Bundesligisten und die sportlichen Aussichten in der neuen Saison.
Die Regionalliga präsentiert sich heterogen. Es gibt die Traditionsvereine, aber auch kleinere Klubs, dazu die U23-Vertretungen von Bundesligisten. Wen trifft die Krise am härtesten? Essen und Oberhausen mit 11.000 beziehungsweise 4000 Zuschauern im Schnitt oder Vereine mit dreistelligem Publikum?
Uhlig: Natürlich die fünf, sechs Traditionsvereine, weil wir elementar von den Einnahmen des Spielbetriebs abhängig sind. Das ist ja unser Geschäftsmodell. Wir leben davon, dass möglichst viele Leute ins Stadion kommen, dort viel konsumieren: Bier, Bratwurst, sich noch ein Trikot oder einen Schal mitnehmen. Das finden wiederum die Sponsoren gut, weshalb sich in diesem Spektakel-Umfeld präsentieren wollen. Wir müssen das Geld, das wir ausgeben, uns selbst vorher verdienen.
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Die anderen schmerzen die fehlenden Einnahmen weniger?
Sommers: Da muss man unterschieden. Ich unterschreibe erst einmal alles eins zu eins, was Herr Uhlig gesagt hat. So, das andere Ding ist: Die Zweitvertretungen kann man aus der Rechnung allesamt rausschmeißen, weil sie überhaupt nicht wissen, welches Geld sie haben.
Uhlig: Die Leiter der zweiten Mannschaften müssen sich alle um den Spielbetrieb kümmern wie wir, haben aber eine entscheidende Aufgabe nicht: sich darum kümmern zu müssen, wo das Geld herkommt. Ohne den Kollegen damit zu nahe treten zu wollen, aber das ist ein ganz anderes operatives Geschäft, einmal im Jahr oben vorzusprechen: Wie viel Geld haben wir denn?
Sommers: Es ist nicht böse gemeint: Es sind Ausbildungsbetriebe, aber sie gehören einfach nicht in die Regionalliga. Das sage ich aber schon seit 16 Jahren. Was die anderen Klubs betrifft: Ich glaube – ohne mich da auszukennen – schon, dass Homberg zum Beispiel die 300, 400 fehlenden Leute bei normalen Spielen und die deutlich mehr Zuschauer gegen Essen und Oberhausen weh tun werden. Die sind nicht so aufgestellt wie zum Beispiel der SV Straelen oder der SV Rödinghausen.
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Eigentlich ist es also mehr eine Vier-Klassen-Gesellschaft.
Uhlig: Die Mäzen-geführten Klubs müsste man eigentlich auch mehr den Zweitvertretungen zurechnen. In Homberg und Wegberg-Beeck ist das nicht auf eine Person fokussiert, die haben mehrere kleine Sponsoren und Gönner. Die haben natürlich auch ein deutlich geringeres Gesamtbudget.
Sommers: Das ist der einzige Vorteil bei den Mäzenen: Der eine bezahlt, der Rest wird ehrenamtlich erledigt, von daher kann man dann schon wieder mit etwas weniger auskommen. Man kann es sich bei einigen Klubs angucken: Was die Sponsoren betrifft, ist es da noch wie in der Bezirks- oder Landesliga. Wenn auf den Werbeflächen der Kollege vertreten ist, der selbst die Bratwürste grillt, kennst du die Verhältnisse vor Ort. Aber: Ich mag das ja. Deswegen spielen wir ja auch immer die ersten drei Runden im Niederrheinpokal mit. Je weiter unten, desto schöner.
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Schauen wir nicht nach unten, sondern weiter oben. Wünschen Sie sich Unterstützung von den umliegenden Bundesligisten?
Sommers: Jetzt scherzen Sie, oder?
Uhlig: Da haben noch viel größere Probleme als wir, weil es in der Bundesliga wirtschaftlich viel größere Belastungen gibt. Die stehen mit dem Hintern viel näher zur Wand als wir.
Sommers: Auch da ist die Liga sicherlich dreigeteilt. Es gibt die, die noch drei Jahre mit Corona leben können, ohne 80.000 Zuschauer ins Stadion lassen zu müssen. Es gibt die, die jetzt schon fertig sind, obwohl sich unter normalen Voraussetzungen 40 bis 60.000 Zuschauer haben. Deswegen sagte ich: Sie scherzen. Die sind mit sich selbst beschäftigt.
Es muss ja auch nicht in Form von Barem passieren. Was ist mit Benefizspielen?
Sommers: Das ist doch mein Reden: Benefiz für Schalke, ich habe es mehrmals angeboten. Im Ernst: Bayern München hat der Regionalliga Süd Geld gegeben. Weil sie das können. Natürlich wäre es eine schöne Geste, wenn man für den Wiederaufbau mal einen großen Namen bekäme und ein Spiel machen könnte, wenn wieder 3000 Zuschauer erlaubt sind. Weil man dann für das Event mit Hummerschwanzessen viel Geld verlangen könnte. Und wenn dann noch die Mannschaft, die oben spielt, sagen würde: Geld kannste behalten, du armer, kleiner Wicht. Das wird es nicht geben. Die kämpfen um sich selbst, rechnen ganz anders als wir und stehen unter Umständen vor dem Problem: Hui, ich bin ja nächste Woche schon pleite. Keine Chance.
Uhlig: Die Krise hat ja gezeigt, dass ein Umdenken im deutschen Profifußball angebracht wäre. Dass man über eine Rücklagenbildung für Krisenfälle und vielleicht auch für unverschuldet in Not geratene Einzelfälle nachdenkt. Aber kurzfristig ist keine Hilfe von den Großen zu erwarten. So oder so: Corona liegt wie Blei auf uns. Aber wir müssen versuchen, das irgendwie zu durchbrechen und das Beste daraus zu machen.
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Denken die Spieler genauso, wenn es um Verträge und Gehälter geht?
Sommers: Es gibt solche und solche. Was auffällt: Man bekommt Spieler aus der 3. Liga, die normalerweise für die Kohle, die wir zahlen, nicht zu uns gekommen wären. Das sind aber auch häufig Spieler, die die letzten Jahre jetzt noch mal in der Nähe ihres Heimatortes spielen wollen. Ansonsten gibt es aber auch ein paar Berater, bei denen ich sage: Du hast den Knall nicht gehört und kannst jetzt bitte hier rausgehen.
Uhlig: Manche Berater versuchen sogar, noch mehr herauszuholen. Aber vor dem Verständnis und der Empathie unserer Mannschaft in Corona-Zeiten für Kurzarbeit, die zustimmungspflichtig ist, ziehe ich den Hut.
Sommers: Stimmt, bei uns war das auch so. Ich glaube, das ist das Einzige, was sich ab der 2. Liga abwärts ändern wird: In den nächsten drei Jahren wird hier nicht mehr geschachert. In Einzelfällen vielleicht ja, aber im breiten Schnitt werden die Gehälter sinken.
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Die klassische Schere wie in der Gesellschaft.
Uhlig: Wahrscheinlich, ja.
Trotzdem wird weiter Fußball gespielt. Mit Rot-Weiss Essen als großem Aufstiegsfavoriten. Und wie selten zuvor gehen Sie damit auch offensiv um, Herr Uhlig.
Uhlig: Es war mein Auftrag, als ich zu Rot-Weiss Essen gekommen bin: Ich habe in den letzten beiden Jahre versucht, einen Paradigmenwechsel hinzubekommen. Dass wir von diesem jahrelangen Auf-der-Stelle-Treten zu einer sportlichen Weiterentwicklung kommen. Wir haben im letzten Sommer an vielen Stellschrauben gedreht und einen Zweijahresplan kommuniziert. Davon ist jetzt ein Jahr rum: Dieses haben wir selbstkritisch analysiert und Dinge verändert – Stichwort Cheftrainer, Stichwort Kaderoptimierung. Wir würden doch einen völligen Widerspruch hervorrufen, wenn wir nur sagten: Wir wollen oben mitspielen oder uns konsolidieren. Das können und wollen wir in Essen nicht mehr verkaufen, nicht einmal ansatzweise können wir uns den Verdacht erlauben, dass wieder nur herumgeeiert wird. Da habe ich gar keine Lust drauf. Wir wollen hoch. Punkt. Das wird aber kein Selbstläufer.
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Die gesamte Konkurrenz betrachtet RWE dennoch als Aufstiegsanwärter Nummer eins.
Uhlig: Wir hängen die Messlatte und die Fallhöhe damit natürlich hoch. Trotzdem müssen wir mit der Erwartungshaltung richtig umgehen, dürfen den Druck intern nicht zu groß werden lassen. Warum ist der Verein denn in den letzten Jahren sportlich nicht von der Stelle gekommen? Weil er so groß ist, weil es intern so viele Kräfte gibt, die nicht immer in die gleiche Richtung gearbeitet haben. Das müssen wir aber hinkriegen, wir haben nicht die Zeit für Eitelkeiten. Und nur weil wir damit nun anders umgehen, ist es nicht gerechtfertigt, dass der Scheinwerfer allein auf Rot-Weiss Essen gerichtet ist. Wir werden nicht vom ersten Spieltag an davon marschieren. Denn andere Teams in der Liga können auch Fußball spielen, versuchen es aber vielleicht eher mit Understatement. Preußen Münster ist gerade dabei, einen Leistungsträger, einen Drittligaspieler nach dem anderen zu halten. Borussia Dortmund hat durch die Trainerverpflichtung und einige Spieler dokumentiert: Die wollen aufsteigen. Auch Rot-Weiß Oberhausen ist sportlich ambitioniert.
Herr Sommers, kann, will Oberhausen denn Essen auf dem Weg nach oben aufhalten?
Sommers: Natürlich wollen wir. Wir machen im Oktober ein Hinspiel und vielleicht sogar noch ein Rückspiel. Aber es kann nicht sein, dass die Essener aufsteigen und wir nicht. Aus einem Grund: Dann würde uns der interessanteste Gegner der ganzen Liga fehlen. Ich gönne es ihnen, aber es geht leider nicht.
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Gibt es in Oberhausen auch so eine Aufstiegsmaxime?
Sommers: Nein, die gibt es nicht, wir eiern da nämlich etwas herum… Es geht nicht einmal darum, ob wir Vierter werden, sondern darum, ob dieser Verein am 30. Juni 2021 noch existiert. Das ist unsere Hauptaufgabe. Wann dieser Fall eintritt, werden wir uns ab Juli 2021 Gedanken machen, wen wir weghauen müssen, um aufzusteigen. Und zu dieser Saison: Ich halte Dortmund für sehr aufstiegsmotiviert und mit allem ausgestattet, was man dafür benötigt. Vielleicht kommt ja auch noch so ein Überflieger, mit dem keiner rechnet. Straelen zum Beispiel. Und machen die dann in den ersten acht Spielen alle platt.
Beide Klubs haben neue Trainer. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Uhlig: Die Zusammenarbeit mit Christian Neidhart fühlt sich richtig gut an. Er bestätigt auch das Gefühl, welches wir von ihm in den ersten Gesprächen hatten. Vom empathischen Umgang mit der Mannschaft macht er das auch hervorragend. Die Spieler haben richtig Spaß unter ihm.
Sommers: Es läuft mit Dimitrios Pappas alles gut. Wir haben überlegt, was wir für eine Mannschaft unter den Corona-Bedingungen stellen können und welchen Trainer wir für das Team verpflichten. Nach langen Überlegungen, ist Dimi herausgekommen. Es war eine enge Entscheidung, das weiß er auch. Er hat eine ganz neue Mannschaft beisammen. Wir wissen, dass die Jungs Zeit brauchen, sich alles erst entwickeln muss. Er kann die ersten vier Spiele verlieren, und muss nicht um seinen Job bangen.