Essen. Wunschkandidat wurde dem Aufsichtsrat vorgestellt. Fans favorisieren Dirk Lottner, aber als heißer Kandidat gilt der Meppener Christian Neidhart.
Die Nachricht von der Trennung beim Fußball-Regionalligisten Rot-Weiss Essen von Trainer Christian Titz hat im Fanlager für beträchtliche Unruhe gesorgt und stieß in den Fanforen und sozialen Medien bei vielen doch auf ein gewisses Unverständnis. Die Anhängerschaft des 49-Jährigen ist unverdrossen groß. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass auch der Ex-Bundesliga-Kurzzeittrainer des Hamburger SV es nicht geschafft hat, die Hafenstraße wieder zu einer Festung auszubauen. Am Ende sprach man in Gegnerkreisen schon von einer Wellnessoase in Essen: Heimniederlagen gegen Verl (1:4), Fortuna Köln (0:1), Homberg (0:2) und Rödinghausen (0:2) sind etliche zuviel, wenn man ernsthaft um die Meisterschaft mitspielen wollte. Die Spottgesänge aus der Gästekabine („Oooh, RWE“) dröhnen heute noch so manchem im Ohr.
Titz hatte die Fankurve bis zuletzt hinter sich
Dennoch hatte es der Profi Titz geschafft, die Fankurve bis zum Schluss hinter sich zu bringen, wer bereitwillig zur Humba gehörte Anfang der Saison, als es noch lief, den lassen die Rot-Weissen nicht so schnell fallen. Und auch im Nachgang haben Informationen aus dem Titzschen Wirken das Zeug dazu, Legenden rund um die Hafenstraße zu schaffen. Sein kolportiertes Ansinnen, den Acht-Stunden-Arbeitstag bei den Vollprofis einzuführen, was letztlich durch Intervention des Spielerrates beim Vorstand erfolgreich verhindert wurde, könnte der Mannschaft noch unangenehm auf die Füße fallen, hat der schwer für seine virtuellen Tickets schuftende Kurvensteher überhaupt kein Verständnis dafür, wenn seine Idole meist gutes Geld im Monat kassieren, dafür aber eine Halbtagsbeschäftigung suchen. Kommt in Corona-Zeiten gar nicht gut an.
Andere wiederum bedauern das liebe Geld, welches so eine Trainer-Freistellung/-abfindung den Verein wieder kostet. Hier jedenfalls kann RWE-Vorsitzender Marcus Uhlig, wenn er auch nicht zu viel verraten wollte, leichte Entwarnung geben: „Aus den Abfindungszahlungen der Vergangenheit an etliche Trainer hat der Verein seine Lehren gezogen, hier haben wir Vorkehrungen bei Vertragsabschluss getroffen“, verrät der RWE-Boss nur so viel. Wie an anderer Stelle zu erfahren war, soll es sich um eine ordentliche fünfstellige Summe handeln, die ab 1. Juli, wenn das zweite Trainerjahr beginnt, noch günstiger werden würde.
Der Neue wird wohl kein Unbekannter sein
Geld, dass der Traditionsklub bei der Verpflichtung des Nachfolgers sicherlich gut gebrauchen kann. Denn eins dürfte klar sein: Nach dem bundesweit bekannten Ex-Coach wird der Verein kein weiteres Experiment à la Giannikis starten wollen, ein bisschen prominent sollte der Neue schon sein, etwas anderes wäre den Fans nicht zu verkaufen. Andererseits sollte das Gefälle zu Sportdirektor Jörn Nowak – wie die jüngste Vergangenheit lehrte – nicht zu groß sein, will man auf dieser Ebene echte vertrauensvolle Teamarbeit hinbekommen.
Wer soll es also nun werden? Es ist ja nicht so, als sei der Verein erst gestern auf der Suche. Wunschkandidat Andre Pawlak sagte wohl ab. Verständlich, hat dieser auf der Ersatzbank der Bundesliga beim 1. FC Köln mittlerweile einen komfortablen Platz gefunden. Wunschkandidat Enrico Maaßen gab nach längerem Hin und Her dann doch der U23 von Borussia Dortmund den Vorzug, sicherlich mit Perspektive auf einen weiteren Karrieresprung. Dass der RWE-Vorsitzende betont haben will, der Verein habe dem Kandidaten letztlich abgesagt, wird in der Branche eher lächelnd zur Kenntnis genommen.
Die Anzeichen deuten auf Meppens Christian Neidhart
Inzwischen befinde man sich, so ist von Vereinsseite zu hören, mit einem weiteren Kandidaten in „finalen Gesprächen“, er soll auch bereits dem Aufsichtsrat unterbreitet worden sein. Dies alles unter strikter Geheimhaltung. Wie aus dem Umfeld des Aufsichtsrats zu hören ist, soll sich der Trainer bei seinem jetzigen Klub noch im Punktestress befinden, was also die Regionalligen ausschließen würde.
Sehr wahrscheinlich befindet sich der große Unbekannte am Spielfeldrand in der Dritten Liga. Was gegen den von den Fans favorisierten Dirk Lottner sprechen würde, der immerhin mit dem 1. FC Saarbrücken schon die Relegationsspiele gegen 1860 München erreichte, ehe er am 19. Spieltag der laufenden Saison als Tabellenzweiter entlassen wurde. Es fällt in der Gerüchteküche auch immer wieder der Name Christian Neidhart, der zur Zeit mit dem SV Meppen eine für seine Verhältnisse formidable Drittliga-Saison spielt, als Trainer und Sportlicher Leiter. Inzwischen gilt er als heißester Kandidat und soll Anfang nächster Woche an der Hafenstraße unterschreiben.
Pavel Dotchev war schon einmal heißer RWE-Kandidat
Aber vielleicht führt eine verheißungsvolle Spur auch ins Rheinland: Bei der Kölner Viktoria schickt sich momentan Pavel Dotchev an, dem Aufsteiger eine weitere Drittliga-Saison zu sichern. Der 54-jährige Bulgare war vor der Verpflichtung Karsten Neitzels schon einmal ein heißer Kandidat an der Hafenstraße. Sollte es diesmal klappen, ist eins gewiss: Für den Ex-Profi des Hamburger SV, der später als Spieler und Trainer des SC Paderborn mit seiner sachlichen Art sich hohes Ansehen erwarb, müsste RWE sicher ganz tief in die Tasche greifen. Denn beim Wernze-Klub, so weiß man, hängen immer viele Nullen an den Ziffern.