Essen. Die relativ kurze Amtszeit von Christian Titz beim Fußball-Regionalligisten Rot-Weiss Essen geht mit einem lauten Knall zu Ende. Ein Kommentar.
Als zur Saison 2019/2020 Jörn Nowak als Sportlicher Leiter bei Rot-Weiss Essen vorgestellt wurde und dieser wenige Wochen später Christian Titz als neuen RWE-Trainer präsentierte, war die Aufregung in Essen und auch in der Regionalliga West groß. Tenor: Rot-Weiss Essen macht ernst. RWE will hoch in die 3. Liga!
Auch interessant
Denn mit der Verpflichtung des Oberhausener Erfolgsmanagers Nowak und dem Kommen des ehemaligen Bundesligatrainers Titz war auch für die Letzten klar, welch große Pläne RWE verfolgt. Im Hintergrund gaben die Essener noch Sascha Peljhan als neuen finanziellen Unterstützer bekannt. Es war alles angerichtet für eine erfolgreiche rot-weisse Saison.
Doch wie so oft im Leben: der Schein trog. Oder anders ausgedrückt: RWE traf eine Trainer-Entscheidung pro Titz, ohne einen genaueren Blick auf den zukünftigen Kader, die einzelnen Charaktere zu werfen - auf die Menschen, die täglich mit Titz zusammenarbeiten müssen. Schon im Sommer-Trainingslager sollte es erste Diskrepanzen zwischen Trainer und Team geben. Der Anfang vom Ende.
Titz kam als Hoffnungsträger und geht als Eigenbrötler
Titz, zuletzt in der Bundesliga und im Unterhaus beim großen Hamburger SV tätig, wollte den Regionalliga-Fußballern von Rot-Weiss Essen seine Philosophie des Fußballs erklären und einimpfen. Doch: die meisten Spieler konnten oder wollten Titz nicht verstehen. Von Beginn an herrschte zwischen Trainer und Mannschaft eine - nett formuliert - kühle Atmosphäre. Die Spieler, aber auch die Verantwortlichen merkten recht schnell, dass der große Hoffnungsträger eher ein Eigenbrötler ist. Ein Mensch, der in seinem Verhalten, seinen Entscheidungen merkwürdig erscheint.
Dass Titz nicht gerade der einfühlsamste und verständnisvollste Trainer ist, das wusste man schon aus seiner Hamburger Zeit. Auch hier hatte Titz Probleme mit der Mannschaftskabine. In Essen sollte ihm diese letztendlich auch den Job kosten. Aber nicht nur. Dazu später mehr.
Titz' personelle Wechsel-Spiele konnte die Mannschaft nicht nachvollziehen
Titz' Eigenart und seine Methoden wurden von Beginn an von der Mannschaft kritisch beäugt. Er versuchte scheinbar die bisherigen Abläufe bei Rot-Weiss Essen zu revolutionieren. Ein Beispiel: Die Einführung eines Acht-Stunden-Tages, der nach wenigen Wochen wieder ad acta gelegt wurde. Zu groß war der Widerstand im Team. Der Mannschaftsrat intervenierte. Die Verantwortlichen gaben nach.
In der Saison angekommen, lernten die Spieler eine weitere Eigenart ihres Vorgesetzten kennen. Er wechselte nach Belieben. Heißt: Ein nomineller Stammspieler fand sich plötzlich auf der Bank oder gar Tribüne wieder. Aber es konnte auch schnell in die andere Richtung gehen: Von der Tribüne oder die Bank oder auf den Rasen - und wieder zurück. Die Spieler fühlten seitens des Trainers kein Vertrauen, hatten teilweise Angst Fehler zu begehen, um nicht frühzeitig wieder aus der Mannschaft raus zu sein.
Titz wirkte intern oft stur
Der Mannschaft Struktur zu verleihen, den Spielern zu vertrauen, mal den Eckpfeilern schlechtere Leistungen zu gewähren - nicht unter Trainer Titz. Er wirkte in seiner Denkweise sehr stur und für Veränderungen nicht bereit. Ein Beispiel dafür ist auch das oft kritisierte Torwartspiel mit einem hochstehenden Keeper. Trotz interner Kritik ließ sich Titz davon nicht abhalten - weder in Hamburg, noch in Essen. Diese Torwart-Philosophie scheint er als einziger Trainer in Deutschlands ersten vier Ligen zu favorisieren. Den Mehrwert dieses Torwartspiels scheint nur Titz zu kennen.
Letztendlich scheiterte Titz in Essen nicht nur an seinen menschlichen Fähigkeiten und dem Umgang mit einer Gruppe, der Mannschaft, sondern auch am Verein Rot-Weiss Essen.
Kurzum: RWE und Christian Titz: Ein großes Missverständnis geht zu Ende. Oder: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Titz und RWE: zwei Welten prallten aufeinander
Denn: Bei intensivster Beobachtung bleibt festzuhalten, dass hier zwei Welten aufeinander prallten. Christian Titz ist in den zwölf Monaten bei Rot-Weiss Essen nicht in der Regionalliga angekommen. Seine Denkweise ähnelt immer noch der eines Trainers bei einem großen Profi-Verein, vielleicht gar einem Bundesligisten. So behandelte er jedenfalls die Spieler, die seiner Meinung nach immer zu wenig als zu viel trainierten.
Anscheinend vergaß er dabei, dass es sich hier in Essen um Regionalliga-Fußballer handelte, von denen noch niemand - bis auf Dennis Grote (69 Bundesligaspiele) - in der Bundesliga gespielt hat. Ausgerechnet der erfahrene Grote erlebte Titz' spezielle Art am eigenen Leibe. Kurzzeitig war er Titz" "Quarterback, wie nach dem Uerdingen-Spiel. Später landete Grote auf der Bank oder gar Tribüne. Das Fingerspitzengefühl bei solch einem gestandenen Spieler fehlte Titz. Es war auch oft zu beobachten, wie er den Verantwortlichen versuchte den Fußball zu erklären. Schließlich war Titz in der Vergangenheit für acht Spiele Bundesligatrainer und für zehn Partien Coach in der 2. Bundesliga.
Und er hatte auch Wünsche: Er wollte unbedingt ins Trainingslager nach Spanien und nicht in die Türkei. Bei Spieler-Verstärkungen ging sein Blick in Richtung der ersten drei Ligen. Das Budget des Viertligisten schien ihn nur am Rande zu interessieren. Sein Credo: für den Erfolg müsse auch investiert werden. Christian Titz lebte einfach gefühlt in einer anderen Welt als RWE.
Christian Titz hat die rot-weisse Mannschaft verloren
Die Verantwortlichen um Aufsichtsratschef Andre Helf, Vorstand Marcus Uhlig und Sportchef Jörn Nowak konnten Titz' arbeitet in den vergangenen Monaten beobachten und mussten diese auf Hinblick auf die neue Saison dementsprechend bewerten. Klar: die sportliche Bilanz - Titz kann einen Punkteschnitt von 2,28 Zählern pro Partie als RWE-Coach vorweisen - spricht für den Trainer. Darüber gibt es auch keine Zweifel: Christian Titz ist ein absoluter Fachmann.
Aber: Fachmänner, das sind bekanntlich viele Trainer, allen voran Fußballlehrer. Erfolg garantiert das allein aber nicht - das zeigt das Beispiel Christian Titz. Schaut man auf seine Vita, dann spricht diese auch eine eindeutige Sprache. Viel erreicht hat er auch noch nicht.
Und das hat Gründe: Zu einem guten Trainer gehören nicht nur fachliche Kompetenzen. Ein Fußball-Trainer ist viel mehr, als jemand, der die Mannschaft fit macht und die taktische Ausrichtung vorgibt. Er ist in erster Linie ein Mensch und hat es mit einer großen Menschen-Gruppe, einer Gemeinschaft, zu tun. Diese muss er in vorderster Linie bei Laune halten, hinter sich bringen, so dass die Gemeinschaft, das Team, für den Trainer durchs Feuer geht. Das alles hat Christian Titz bei Rot-Weiss Essen nicht geschafft. Er hat die Mannschaft verloren. Und das haben auch Helf, Uhlig und Nowak beobachtet und gemerkt und die richtige Entscheidung getroffen.
Spätestens bei der nächsten kleinen Krise hätte es geknallt: zwischen Mannschaft und Trainer Titz. Deshalb war es nun an der Zeit und auch besser, dieses große Missverständnis zwischen Rot-Weiss Essen und Christian Titz vorzeitig mit einem großen Knall zu beenden.