Essen. . Gastgeber Rot-Weiss Essen bot beim Sommer-Cup den hoch dotierten Profis von Werder Bremen und Betis Sevilla Paroli und tankte Selbstvertrauen.

Es war an diesem Tag alles ein bisschen anders an der Hafenstraße. Außergewöhnlich, denn beim „Interwetten Sommer-Cup“ ging es international zu. Auf der Haupttribüne intonierte eine Fan-Gruppe englisches Liedgut, auf der Pressetribüne brabbelten Reporter Spanisch. Hier ein Interview vor laufender Kamera, dort vor dem Stadion waren die rund 50 Anhänger von Betis Sevilla ihren Lieblingen so nah wie selten. Die Fußballer stiegen aus dem Mannschaftsbus und posierten gerne noch für ein Selfie.

Nach getaner Arbeit saßen die Rot-Weissen im Vorraum zu den Kabinen und speisten. Sie mussten sich im Presseraum umziehen, weil die Gäste aus Andalusien die Heimkabine beanspruchten. Auf dem Rasen war von derlei höflicher Gastfreundschaft nichts zu sehen gewesen. Der Viertligist machte der Prominenz aus den hoch dotierten Profi-Ligen das Leben schwer.

Benjamin Baier trifft gegen Bremen zum Sieg

RWE gewann das erste Spiel in diesem Blitzturnier (je 45 Minuten Spielzeit) gegen den Bundesligisten Werder Bremen mit 1:0 und zeigte auch beim 1:2 im Finale gegen Sevilla eine couragierte und gute Leistung. Man darf also schließen: Rot-Weiss ist gut gerüstet für den Regionalliga-Auftakt in einer Woche beim SV Rödinghausen. Die Essener belegten den zweiten Platz und erhielten von ihren Fans unter den 4500 Zuschauern reichlich Applaus.

Rot-Weiss Essen tankt Selbstbewusstsein

Ein internationales Treffen in der Saisonvorbereitung – das hat was. Klar, das Blitzturnier an der Hafenstraße hatte Längen. Huddersfield gegen Sevilla oder Bremen, das klingt vielversprechend, vom Hocker rissen diese Spiele niemanden. Es fehlte die Würze: kaum Tore, keine Kabinettstückchen. Aber das Flair im Stadion war trotzdem außergewöhnlich. Und verdient hat RWE ebenfalls ein Sümmchen, ohne finanziell ins Risiko gehen zu müssen.

Der Großteil unter den 4500 Besuchern wartete natürlich auf die Rot-Weissen. Und die enttäuschten ihren Anhang nicht, sondern gaben eine Kostprobe von dem ab, was man demnächst liefern möchte. Das schmeckte den Fans und sorgte für gute Stimmung. 1:0 gegen Werder Bremen, mein lieber Scholli. Doch Vorsicht, dieser Coup lässt nur bedingt Rückschlüsse, wie es in einer Woche in der Regionalliga laufen wird, zu. Da warnt Trainer Karsten Neitzel zu Recht.

Man erinnere sich: In den Jahren zuvor waren die Auftritte im DFB-Pokal gegen Bundesligisten stets klasse, der Punktekampf danach sorgte dann aber ziemlich flott für Ernüchterung. Gleichwohl können die Rot-Weissen nach dieser Leistung im Turnier selbstbewusst nach Rödinghausen reisen. Es gibt Anzeichen dafür, dass man nicht nur an Tempo, sondern auch an Qualität zugelegt hat. Noch aber ist es nur die Hoffnung, die sich erst noch bestätigen muss. (Rolf Hantel)

„Es war ein gelungener Arbeitstag“, fand RWE-Trainer Karsten Neitzel. „Wir dürfen die Ergebnisse heute aber nicht überbewerten, sie werden uns jedoch weiteres Selbstvertrauen geben.“ Und so, als müsste er seinen Worten Nachdruck verleihen, verwies Neitzel darauf, dass auch die Liga-Rivalen Wuppertal (2:2) und Bonn (1:0) ihre Testspiele gegen die Profis vom 1. FC Köln nicht verloren haben. Worauf der Fußballlehrer anspielte, ist klar. Er will die ohnehin hohe Erwartungshaltung nicht zusätzlich befeuern. Zufrieden war er dennoch.

Gastgeber machen von Beginn an mächtig Dampf

Die Gastgeber machten gegen die Bremer von Beginn an mächtig Dampf und stiegen dem Erstligisten auf die Füße. Mal eben noch eine lockere Schicht im Revier abreißen, das ließ der Underdog nicht zu. Und Werder, direkt aus dem Trainingslager angereist, hatte sichtlich Mühe, eine Linie zu finden. Das könne nach der hohen Belastung zuvor durchaus passieren, zeigte Neitzel Verständnis für die schwache Vorstellung der Norddeutschen, die eine doch namhafte Truppe auf den Rasen geschickt hatten, unter anderem mit den Offensivkräften Max Kruse und Martin Harnik.

Bevor die Bremer richtig wach waren, zappelte der Ball schon im Netz. RWE-Kapitän Benjamin Baier hatte Maß genommen und aus etwa 18 Metern die Kugel ins lange Eck platziert – nicht hart, aber präzise (9.). Vor allem Kai Pröger hatte noch einige bemerkenswerte Szenen. Wenn er den Turbo anwarf, wurde es laut im Stadion. Als er an der Außenlinie heranrauschte und das Laufduell mit Max Kruse nach großem Rückstand gewann, war das Volk entzückt. Das sind genau die Szene, die sie sehen wollen an der Hafenstraße.

Nach dem 1:0 flackerten die Nordlichter zwar etwas lebhafter, doch ihre Chancen vergaben sie entweder selbst oder der Essener Keeper Lukas Raeder war zur Stelle. In der Schlussminute hätte Baier sogar noch erhöhen können, doch er traf aus der Distanz nur die Oberkante der Latte. Die Mimik von Werders Trainer Florian Kohfeldt auf dem Weg in die Kabine war leicht zu deuten: „So geht’s nicht, Leute.“

Im Finale gegen technisch versierte und ballsichere Spanier gelang es den Rot-Weissen, die ordentlich durchgewechselt hatten, ebenfalls, den Gegner zumindest zu bedrängen und zu ärgern, Sevilla mit dem Ex-Dortmunder Marc Barta blieb allerdings cool, war überlegen und erzielte früh das 1:0 (7.). Über außen lief der Angriff, Pass in die Mitte, und Alegria brauchte den Ball nur noch ins leere Tor zu schieben.

Kai Pröger scheitert am Torwart, Scepanik trifft per Kopf

RWE ließ sich nicht entmutigen. Pröger scheiterte am spanischen Keeper. Kurz danach der Ausgleich. Der eingewechselte Lukas Scepanik köpfte nach einer Flanke von Urban zum 1:1 (38.) ein. Drei Minuten vor dem Ende traf Sevilla durch Navarez zwar zum 2:1-Sieg, doch der Viertligist konnte sich erneut für einen mutigen Auftritt gratulieren. „Die Spanier haben uns taktisch und spielerisch einiges abverlangt“, meinte Neitzel. Seine Jungs lösten die Aufgabe aber recht gut, was in der Tat Mut für das kommende Wochenende in Rödinghausen macht.