Essen. Bei der 2:4-Blamage gegen SC Wiedenbrück versagten die Rot-Weissen bei der Abwehrarbeit. Die Fans sind zornig, ihre Kritik ist allumfassend.
- Mit dem 2:4 gegen den SC Wiedenbrück hat Rot-Weiss Essen zwei von drei Heimspielen verloren
- 14 Gegentore in sechs Spielen dokumentiert die eklatanten Schwächen in der Abwehrarbeit
- Auch gegen den 1. Vorsitzende Michael Welling richtet sich inzwischen die Kritik der zornigen Fans
Das Stadion an der Hafenstraße hatte sich schnell geleert. Und man weiß nicht, wie viele von denen, die der 2:4-(0:1)-Blamage gegen Wiedenbrück beigewohnt haben, am kommende Samstag gegen den FC Wegberg-Beeck wiederkommen werden. Die Spieler hatten zuvor noch von der aufgebrachten Westtribüne ihr Fett wegbekommen und trotteten schnurstracks wie gerupfte Hähne in die Kabine. Bloß weg. Der Anhang hatte die Schnauze nach dieser Demonstration der Hilflosigkeit voll. Die Leute pfiffen, zeterten und fluchten. Einige schüttelten nur resigniert die Köpfe. Kein Bock mehr auf dieses Gekicke. Und das nach dem sechsten Spieltag.
Nein, so geht das nicht weiter. Natürlich nicht. Aber das wissen sie ja alle. „Wir machen das doch auch nicht mit Absicht”, flüsterte Timo Brauer auf dem Weg in den VIP-Raum, wo sich sie Leute die Köpfe heiß redeten, wie so etwas gegen einen Club wie Wiedenbrück passieren konnte.
Auf dem einsamen Stadion-Vorplatz ein bizarres Bild. An einem Bierwagen stimmten ein paar Unentwegte ein Prosit auf die Gemütlichkeit an. Gemütlichkeit? Nee, das trifft es nun wirklich nicht. Es herrscht dicke Luft bei Rot-Weiss. „Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt“, sagte auch Sportdirektor Jürgen Lucas. „Diese Leistung kann nicht unser Anspruch sein.“
„Die Leistung kann nicht unser Anspruch sein“
RWE steckt in einer Krise, und das auf allen Ebenen. Natürlich werden die Spieler kritisiert. Und der Verantwortlichenstab mit Trainer Sven Demandt und Sportdirektor Jürgen Lucas ebenfalls. In ihrer Verzweiflung sehen die Kritiker eine Menge Ansatzpunkte. Einige würden das Personal am liebsten zum Teufel jagen in der vagen Hoffnung, dass dann alles besser würde. Nur Alternativen gibt es auch nicht.
Sportlich geht es am Mittwoch (19.30 Uhr) im Niederrheinpokal beim Landesligisten 1. FC Kleve weiter. Und bis dahin wird der blamable Auftritt, für den die Spieler erneut keine Erklärung finden, analysiert sein. Trainer Sven Demandt und Jürgen Lucas hatten Aggressivität gefordert und versprochen. Umsetzen konnte es die Mannschaft nicht. Dabei sollte doch gerade an der Hafenstraße mehr Powerfußball geboten werden.
Wiedenbrück trifft zum richtigen Zeitpunkt und gewinnt verdient
„Wir haben nicht unverdient gewonnen, am Ende war der Sieg auch ein bisschen glücklich”, meinte Wiedenbrücks Trainer Björn Mehnert. Warme Worte. Seine Mannschaft war diszipliniert und traf stets zum richtigen Zeitpunkt. Ganz früh zum 1:0 (9.), direkt nach dem 1:1 durch Bednarski zum 2:1 (48.). Das war der Knackpunkt des Spiels. Als RWE drängte, fiel das 3:1 (62.) durch ein Eigentor von Jan-Steffen Meier. Die Entscheidung. Da half es auch nicht, dass die Gäste nach 68 Minuten in Unterzahl waren, weil Celik Gelb-Rot gesehen hatte.
Es schien, als ahnte SCW-Trainer Mehnert die heftige Kritik der RWE-Fans, als er äußerst wohlwollend schmeichelte: „Rot-Weiss Essen hat eine gute Regionaligamannschaft. Ich denke, dass sie noch eine sehr gute Saison spielen wird.”
Defensivarbeit muss sich grundlegend verbessern
Nun, dann muss sich die Defensivarbeit grundlegend ändern. 14 Gegentore in sechs Spielen, diese Bilanz legt die eklatante Schwäche offen. So viele Gegentore hat kein Club in der Liga kassiert. Zum Vergleich: Nur 15 waren es für RWE in der Rückrunde der Vorsaison, nur damals war die Offensive noch harmloser. „Wir haben offenbar die Balance noch nicht gefunden zwischen Defensive und Offensive“, meint Sven Demandt.
Nach dem Ausgleich hatte RWE das psychologische Moment auf seiner Seite. „Das haben wir einfach so weggegeben“, schüttelte Demandt verständnislos den Kopf. „Wir waren da klar in der Überzahl und fangen uns das Tor, weil wir nicht bei unseren Leuten stehen. Das darf einfach nicht passieren.“ Am Einsatz insgesamt habe es jedoch nicht gelegen: „Ich kann niemandem vorwerfen, dass er sich nicht reingeworfen hat.” Aber mehr Entschlossenheit, mehr Biss und Härte hätten sie unbedingt zeigen müssen.
Vorsitzende Michael Welling stellt sich der Kritik
Auch für RWE-Chef Michael Welling war es eine bitterer Abend. Der Vorsitzende ist erstmals (öffentlich) zur Zielscheibe der Kritiker geworden. Nach der Insolvenz wurde Welling über Jahre als Retter und wirtschaftlicher Stabilisator gepriesen, doch nun richtet sich der Zorn der enttäuschten Fans auch gegen ihn.
„Essens Justiz schiebt ‘ne Extraschicht, bei Welling landet jede Personalie vor Gericht“.
Welling, dem man nun wirklich nicht vorwerfen kann, dass er sich nach solchen Tiefschlägen verkriecht, schien angeschlagen, als er sich anschließend mit dem Aufsichtsratmitgliedern André Helf und Hans-Peter Schöneweiß austauschte. Nichts Dramatisches habe man beredet, versichert er. „Da hätte man sich zu den Fans stellen können und das Gleiche gehört.“
Natürlich berühre es ihn, wenn er in dieser Form angegangen werde. „Aber klar ist auch, dass wir uns so nicht präsentieren dürfen. Das darf uns nicht passieren. Unser Anspruch muss sein, dass wir Mannschaften wie Wiedenbrück zu Hause schlagen. Da gibt es auch keine Ausreden.“ Er selbst könne mit der Wut der Fans umgehen: „Ich stehe nun mal in der Verantwortung und muss mich im Falle des Misserfolgs auch der Kritik stellen. Das ist völlig in Ordnung, damit muss ich leben.“ Ob sie gerechtfertigt sei, stehe zunächst nicht zur Debatte.