Essen. Beim Regionalligisten Rot-Weiss Essen brennt der Baum. Der Unmut der Fans nimmt zu, auch der Vorsitzende wird scharf kritisiert. Ein Kommentar.
- Beim Regionalligisten Rot-Weiss Essen brennt der Baum
- Der Unmut der Fans nimmt zu, auch der Vorsitzende wird scharf kritisiert
- Ein Kommentar
Die Fanseele von Rot-Weiss Essen ist in Wallung. Und das nicht nur nach der blamablen 2:4-Heimniederlage gegen den SC Wiedenbrück am Freitagabend. Ja, es war jener Verein aus Ostwestfalen, den der Deutsche Meister von 1955 schon zum dritten Mal in Folge auf heimischem Boden nicht zu schlagen vermochte. Doch das sind Negativbeispiele, die den RWE-Fan nicht mehr schocken können.
Keine Aussicht auf Besserung
Der Klub erlebt eine seiner größten Krisen der Vereinsgeschichte. Denn die Fans, das größte Pfund des Vereins, wenden sich allmählich ab. Rot-Weiss Essen steckt nach überstandener Insolvenz seit sechs Jahren in Deutschlands vierter Liga fest. Ohne Aussicht auf ein Vorankommen. Auch in dieser Saison scheint es nichts zu werden mit dem Ziel, um den Aufstieg mitzumischen. Nach sechs Spielen haben die Essener einen mickrigen Sieg auf dem Konto. Der Rückstand ist schon zu diesem Zeitpunkt beachtlich, zumal die Konkurrenz noch einige Nachholspiele in der Hinterhand hat.
Doch viel besorgniserregender als die Zahlen ist der Eindruck, den Mannschaft, Trainer und Verein vermitteln. Starke Auftritte im Freundschaftsspiel (!) gegen Borussia Dortmund und im Pokalspiel gegen Borussia Mönchengladbach hatten Hoffnung genährt. Die Mannschaft hinterließ einen hervorragenden Eindruck - als sie sich darauf beschränken musste, gegen den Ball zu arbeiten. Wenn RWE in der Liga das Spiel selbst in die Hand nehmen muss, ist das Resultat ernüchternd. Rot-Weiss Essen ist keine Spitzenmannschaft, Trainer Sven Demandt hat die Mannschaft spielerisch nicht weiterentwickelt.
Dafür gibt es Gründe. Offenbar waren die Verantwortlichen der Meinung, dass dieses Team gut genug sei, um die hohen Erwartungen zu erfüllen. Die Ziele des Vereins wurden im Sommer 2016 bewusst ehrgeizig formuliert. "Zusammen hoch 3", lautete das Motto. Innerhalb von drei Jahren sollte der Aufstieg in die 3. Liga her. Dass ein Traditionsverein wie RWE derart ambitionierte Ziele formuliert, ist legitim und wünschenswert. Vorrangig ging es darum, im Umfeld, bei den Fans und innerhalb der Wirtschaft eine Aufbruchstimmung zu entfachen. Die Kampagne wird für die Handlungsträger nun zum Boomerang. Denn die sportliche Umsetzung lässt zu wünschen übrig. "Hoch 3" ist gescheitert. Rot-Weiss Essen wird in diesem Jahr nicht aufsteigen, wohl auch nicht in der nächsten Saison.
Ein personeller Umbruch muss her, um RWE zu einem Spitzenteam zu machen. Dieser wird wieder Zeit in Anspruch nehmen. Seit einigen Jahren wird auf einen Spielerstamm gesetzt, der nicht gut genug ist, um den Verein in die Regionalliga-Spitze zu befördern. Zudem können auch die Zugänge bisher nicht überzeugen. David Jansen sitzt regelmäßig auf der Bank, Robin Urban ist von der Qualität eines Gino Windmüller noch weit entfernt, Kai Pröger hat den Schwung der ersten Spiele verloren. Sportdirektor Jürgen Lucas, dem es gelang, fast alle Wünsche von Demandt zu erfüllen, wird sich nun an den Ergebnissen messen lassen müssen.
Keine volle Rückdeckung für den Trainer
Gleiches gilt freilich für Demandt. Der Ex-Profi vermittelt nicht mehr den Eindruck, als könne er das Ruder herumreißen. Zudem weiß RevierSport, dass der Ex-Gladbacher innerhalb der Mannschaft keine volle Rückendeckung genießt. Sollten die Pflichtsiege gegen Wegberg-Beeck, Wattenscheid 09 und Westfalia Rhynern nicht eingefahren werden, könnte es auch für Demandt eng werden.
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Ein Trainerwechsel wäre an der Hafenstraße nicht die Lösung des Gesamtproblems. Zu häufig wurde das sportliche Personal in den letzten Jahren ausgetauscht. Sowohl auf dem Trainer- als auch auf dem Manager-Posten. Diese Entwicklung muss sich auch RWE-Boss Michael Welling ankreiden lassen. Dank seines Auftretens, seiner Eloquenz und seiner Arbeit im Hintergrund war und ist er ein großer Gewinn für den Verein. Die Anfeindungen nach dem Wiedenbrück-Spiel hat er nicht verdient.
Nichtsdestotrotz gelingt es ihm nicht, den sportlichen Bereich personell so zu besetzen, dass Rot-Weiss Essen einen Schritt nach vorne macht. Nach der Posse um Uwe Harttgen muss Welling erneut mit einem bald ehemaligen Manager vor Gericht ziehen. Andreas Winkler ist als Sportlicher Leiter der ersten Mannschaft kolossal gescheitert, die Gründe für seine Degradierung waren nachvollziehbar. Doch Außenstehende werden sich dennoch fragen, wie ein langjähriger Mitarbeiter nach 17 Jahren derart aus der Reihe tanzen kann und nun vor das Arbeitsgericht zieht. Welche Rolle spielt Welling dabei?
Andreas Winkler wird diese Frage vorerst nicht beantworten. Sämtliche Interview-Anfragen dieser Redaktion lehnte er bisher ab. Nachvollziehbar, es geht für ihn um sehr viel Geld. Geld, das der Verein mal wieder in eine Abfindung für einen Mitarbeiter investieren muss. Der Geduldsfaden der Fans ist angesichts solcher Vorgänge und der verheerenden sportlichen Entwicklung längst gerissen. Die Kritik ist an einigen Stellen zwar überzogen und unsachlich, aber nichtsdestotrotz im Kern verständlich. Rot-Weiss Essen muss nun Lösungen liefern. Welling muss Lösungen liefern. Sonst wird der weitere Saisonverlauf noch ungemütlicher als er ohnehin schon ist.