Essen. Lange, lange sah es nach einer Sensation in der ersten Runde des DFB-Pokals aus. Doch dann drehte Gladbach gegen RWE auf - und drehte die Partie.

Der Freitagabend im prall gefüllten Stadion an der Hafenstraße war ein Festival der großen Fußballgefühle. Bis zehn Spielminuten vor dem Ende jubilierte Rot-Weiss Essens Fangemeinde. “Erste Liga, keiner weiß, warum?”, schallte es den Bundesliga-Profis von Borussia Mönchengladbach von der Westtribüne entgegen. Unter deren Dach feierten die hartgesottenen RWE-Anhänger nach dem bildschönen Kopfballtreffer von Kapitän Benjamin Baier wie lange nicht. Dann allerdings wendete sich noch blitzschnell das Blatt. Der eingewechselte Jonas Hofmann und Torjäger Raffael bewahrten den Favoriten mit ihren Treffern vor der Blamage beim Regionalligisten. Das 2:1 (0:1) für den letztjährigen Champions-League-Starter war schmeichelhaft.

Ausverkauftes Stadion, Flutlichtfieber, Nieselregen und die weiß-roten Retrotrikots aus dem DFB-Pokalfinale von 1994 gegen Werder Bremen: Mehr gute Omen konnte RWE an der Hafenstraße wahrlich nicht in Anspruch nehmen, um den emotionalen Nährboden für eine Pokalsensation zu bereiten.

Die Gladbacher traten mit jener Startelf an, die vor genau einer Woche bei Leicester City, dem Premier-League-Meister von 2016, Paroli geboten hatten. Natürlich machte sich der Drei-Klassen-Unterschied zwischen den Borussen und den Rot-Weissen auf dem Rasen bemerkbar. Gladbach nutzte die technische Überlegenheit aber selten, um die laufstark im doppelmaschigen 4-4-2 verteidigenden Essener unter Druck zu setzen. Wie schon in den Testspielen der Vorbereitung mangelte es an Offensivpower. Nur über die spielerische Komponente zum Ziel zu kommen, funktionierte vor der Pause nicht. Trotz 6:1 Ecken hatte Gladbach in Halbzeit eins kaum eine gute Torchance. Thorgan Hazards 20-Meter-Freistoß bildete die Ausnahme.

Vielleicht hätte ein Foulelfmeterpfiff in der 22. Spielminute die Sache aus Gäste-Sicht zügig entkrampft. Doch Schiedsrichter Patrick Ittrich aus Hamburg ließ den Tritt von Essens Außenverteidiger Hervenogi Unzola gegen den Schweizer Nico Elvedi im Strafraum ohne Konsequenz durchgehen.

RWE tankte von Minute zu Minute mehr Mut

Die emsige RWE-Elf tankte von Minute zu Minute mehr Mut, trug sogar flotte Konter vor. Einer der Schnellangriffe landete dann auch tatsächlich im Ziel: Borussias Außenverteidiger Oscar Wendt ließ Flankengeber Kai Präger gewähren, im Strafraum köpfte Kapitän Benjamin Baier nahezu unbedrängt zur Führung ein. Warum ausgerechnet der kleine Ibrahima Traoré am nächsten zu Baier stand, dürfte Gladbachs Trainer Hecking in der Pause sicher thematisiert haben. Die Zuordnung in seiner Abwehr jedenfalls hatte gar nicht gestimmt.

Mehr Biss dürfte Hecking bei dieser Gelegenheit von seinen Grünhemden ebenso eingefordert haben. Ein bisschen mehr Biss kam. Doch RWE hielt dagegen. Benjamin Baiers Rettungsgrätsche auf der Torlinie gegen den einschussbereiten Weltmeister Christoph Kramer schien Sinnbild eines bemerkenswerten Fußballabends zu werden.

Dann wechselte Trainer Hecking den Ex-Dortmunder Jonas Hofmann ein. Und der stocherte tatsächlich im zweiten Versuch vor Torsteher Heller die Kugel zum 1:1 ins RWE-Netz (79. Min.). Die Rot-Weissen pumpten nun merklich, Raffael nutzte den Kräfteverschleiß und erzielte auf Vorlage von Thorgan Hazard sogar noch das Siegtor.

Zuschauer: 18.500 (ausverkauft).

Tore: 1:0 Baier (29.), Hofmann (79.), 1:2 Raffael (83.).