Essen. . Vor 40 Jahren traf Horst Hrubesch beim bislang letzten RWE-Sieg über Gladbach. Im DFB-Pokal setzt er auf die Unberechenbarkeit des Fußballs.
- Vor 40 Jahren traf Horst Hrubesch beim bislang letzten RWE-Sieg über Gladbach
- Im DFB-Pokal setzt er auf die Unberechenbarkeit des Fußballs
- Gladbach spielt am Freitag bei RWE
Am 5. März 1977 wurde auf dem weiß-roten Anzeigebrett mit der Stauder-Werbung der Spielstand noch per Handtafel angezeigt. Die dazugehörige Westkurve mit heißblütigen Fans, die als erste Bundesliga-Zuschauer in den 70er-Jahren durch Flaschenwürfe aufs Spielfeld auffielen, war noch eine solche: ohne Dach, mit Wellenbrechern und schiefen Stufen. Mönchengladbachs Weltmeister Berti Vogts, Rainer Bonhof und Herbert Wimmer trugen in ihrer letzten Meistersaison an jenem Samstag im Georg-Melches-Stadion an der Hafenstraße blaue Trikots und schwarze Hosen, als Rot-Weiss Essen der bislang letzte Sieg gegen die Borussen glückte.
Mehr als 40 Jahre ist das her. Am Freitag (20.45 Uhr/Sky) im DFB-Pokaltreffen der Traditionsklubs drückt der damalige Siegtorschütze Horst Hrubesch dem Verein, der Sprungbrett für alle Erfolge sein sollte, die Daumen: „Ich wünsche RWE gegen Gladbach ein 1:0. Wie damals. Es wäre an der Zeit.“ Doch in der vergangenen Saison trennten die beiden Kontrahenten sportlich Welten. Die Borussia spielte in der Champions League gegen Barcelona, Rot-Weiss in der viertklassigen Regionalliga West gegen Sprockhövel.
20 Saisontreffer im RWE-Trikot
„Ein Heimsieg gegen die großen Gladbacher, das war auch damals eine Sensation“, hebt Horst Hrubesch mit Blick auf jenes Jahr hervor, in dem das „Spiel 77“ erfunden wurde. Hrubeschs Kopfball zum 1:0 war einer seiner 20 Saisontreffer. Das Geschoss gegen Wolfgang Kneib im Gladbacher Tor bedeutete gleichzeitig den drittletzten Bundesliga-Sieg für RWE überhaupt. Es folgten noch ein 3:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern und ein 5:3 über Fortuna Düsseldorf. Da war Rot-Weiss aber schon abgestiegen.
Horst Hrubesch blieb noch ein Zweitligajahr, traf da 41-mal in 34 Spielen – bis heute Ligarekord. Vor der Saison hatten sich die Wege von Hrubesch und seinem Entdecker getrennt. Das war kein Geringerer als Werner Lorant. RWE-Profi Lorant trainierte 1974/75 nebenbei den SC Westtünnen. Er betreute hier seinen Bruder Norbert sowie die Gebrüder Hrubesch, Horst und den jüngeren Herbert.
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Der 1,88 Meter große, wuchtige Horst war schon 24, als er 1975 aus Westtünnen nach Essen kam und in der Bundesliga gegen Uerdingen mit zwei Kopfballtoren debütierte. Ein Direktflug von der sechsten Klasse in die Eliteliga. Der VfL Bochum und Borussia Dortmund winkten ab: Der ist zu schlecht!
Anfangs war Hrubesch ein reiner Kopfballspieler. Und schnell medial das „Ungeheuer“. Den Rest, das Spiel mit dem Ball am Fuß, die dazugehörige Taktik, entwickelten seine Profitrainer. „Ich habe immer Extraschichten geschoben, war dafür dankbar und habe nie ,Nein’ gesagt“, betont der Europameister von 1980. Der ehemalige Schalker Ivica Horvat („Er hat sich um mich gekümmert, mir Einzeltraining mit den Torhütern verschafft“) prägte Hrubesch bei RWE, Branko Zebec und Meistermacher Ernst Happel nahmen ihn beim Hamburger SV (1978 bis 1983) unter ihre Fittiche. Raymond Goethals, unter dem er bei Standard Lüttich (1983 bis 1985) trainierte, bezeichnet Hrubesch gar als seinen Freund: „Er hat mir das Wichtigste im Trainerberuf gelehrt: immer die Spieler mitzunehmen, den Spielern auch mal Verantwortung zu geben, auf und außerhalb des Platzes.“
RWE-Plausch mit Lippens und Bast
Das hat er gleich bei seiner ersten Station als Trainer in die Waagschale geworfen – bei RWE nach dem Oberliga-Nordrhein-Intermezzo in der Zweitliga-Saison 1986/87. „Willi Landgraf, Dirk Pusch, all die anderen damals haben davon sicher auch ein wenig profitiert.“ Genauso wie die neueste Generation an U21-Talenten bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio oder bei der EM vor knapp zwei Monaten, als Hrubesch schon den Posten des Sportdirektors beim DFB übernommen hatte.
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Hrubeschs lose Bande zur Hafenstraße bilden zwei legendäre Ehemalige: Willi Lippens und Dieter Bast. „Wir telefonieren öfter, denken an die alte Zeit zurück.“ Am Freitag drückt Hrubesch RWE die Daumen. „Der große Reiz des Fußballs liegt in seiner Unberechenbarkeit. Wenn der Kleine den Großen nicht mehr schlagen kann, verliert der Fußball sein Markenzeichen“, sagt er. Essen gegen Gladbach zieht aus jener Unberechenbarkeit seinen Reiz. Am Freitagabend wie an jenem Samstagnachmittag vor mehr als 40 Jahren.