Essen. RWE-Boss Michael Welling zur Stabilität nach der desaströsen Vorsaison und zur Sehnsucht der RWE-Anhänger nach höherem Unterhaltungswert.

  • Trainer Sven Demandt sei es gut gelungen, nach der letzten Saison die notwendige Stabilität wieder herzustellen
  • Mit Blick auf die Tabelle stehe RWE dort, wo es finanziell auch hingehöre
  • In der Rest-Rückrunde soll vor allem daheim aktiver, druckvoller und schneller nach vorne gespielt werden

Nachdem RWE-Boss Michael Welling gestern Stellung zu finanziellen Dingen bezogen hatte, geht es im zweiten Teil des Interviews um die sportlichen Belange.

Wenn in diesen tristen Zeiten doch wenigstens das Sportliche als Trostpflaster dienen könnte... Aber hier sind ja nach der wenig berauschenden Hinrunde, und vor allem dem bitter enttäuschenden letzten Auftritt in Düsseldorf (1:2) bei vielen Fans die Flaggen auf Halbmast.

Welling: Gerade dieser Aspekt zeigt besonders schön, wie Fußball in der Wahrnehmung funktioniert. Ein Spiel in Düsseldorf und dessen Ergebnis bestimmen weite Teile der Wahrnehmung. Natürlich sind wir enttäuscht, dass wir unsere Serie von zehn Spielen ohne Niederlage nicht fortsetzen konnten.

Platz vier ist sichtbarer Ausdruck der Stabilität

Alles schön und gut, das mit der Serie. Was die Leute aber so deprimiert, ist der fehlende Unterhaltungswert der Spiele an der Hafenstraße. Da ist vielen zu sehr leidenschaftsloser Behördenfußball darunter. Die Leute vermissen Herz und Leidenschaft und etwas von der Spielphilosophie, die der Verein selbst schriftlich niedergelegt hat.

Welling: Ich verstehe, was Sie und die Leute meinen. Die Wortwahl und die Bestandsaufnahme teile ich in dieser Form allerdings nicht. Nach der letzten schwierigen Saison galt es zunächst Stabilität in die Mannschaft zu bekommen. Das ist Sven Demandt bereits gut gelungen, und der vierte Tabellenplatz ist sichtbarer Ausdruck dieser Stabilität.

Einspruch. Was für eine Stabilität? RWE hatte auch in der Vorsaison keinen Abstiegskader. Dass die Mannschaft überhaupt in diese Notsituation geraten ist, war eine Frechheit und hat bei der Konkurrenz für großes Erstaunen gesorgt. Dies als Basis zu nehmen, da hängt mir die Latte doch ein wenig zu tief.

Welling: Ich stimme komplett überein, was die Bewertung der Vorsaison betrifft. Dennoch ist es Realität, dass diese Erfahrungen erst einmal abgeschüttelt werden mussten. Mit Blick auf die Tabelle stehen wir heute dort, wo wir finanziell hingehören. Das war im letzten Jahr definitiv nicht der Fall.

Die Art, wie wir teilweise spielen, gefällt uns selbst nicht

Platz vier klingt gut, 12 Punkte hinter der Musik ist aber die differenziertere Realität. Muss man vielleicht bei der Bestandsaufnahme auch so ehrlich sein und zu der Meinung gelangen, dass einige Spieler für höhere Aufgaben einfach nicht berufen sind?

Welling: Der Punkteabstand und die Art, wie wir teilweise spielen, gefallen uns selbst natürlich nicht. Wir müssen hier aber zunächst auf uns schauen und uns schrittweise weiter entwickeln. Wie Jürgen Lucas ja ausgeführt hat, gehört dazu, dass wir aktiver, druckvoller und schneller spielen wollen. Dies ist auch das, was Sie angesprochen haben und was die Leute erwarten. Dabei steht stets jeder Spieler auf dem Prüfstand, und wir sind heute schon dabei, die Planungen für die neue Saison entsprechend auszurichten. Erstmal wollen wir aber eine erfolgreiche Rückrunde spielen und dabei häufiger die Fans zufrieden nach Hause gehen lassen.

Jürgen Lucas hat ja schon einen kleinen Umbruch zum Sommer angedeutet. Muss sich auch der Charakter der Mannschaft ändern, braucht RWE, salopp gefragt, mehr bezahlbare Arturo Vidals?

Welling: Zum einen blicke ich insofern zunächst positiv in die neue Saison, da von den rund 14 Spielern, die aktuell den Stamm ausmachen, nur wenige keinen Vertrag für die neue Saison besitzen. Mit den anderen werden in den nächsten Wochen Gespräche geführt und jeder kann sich für einen neuen Vertrag mit Leistung empfehlen. Arturo Vidals würden wir sicherlich mit Kusshand nehmen, die Kaderstruktur muss aber auch Philipp Lahms oder Joshua Kimmichs vorsehen, um erfolgreich zu sein.

Jeder Spieler geht mit Niederlagen anders um

Unter einem RWE-Bericht stand vor einiger Zeit ein Kommentar eines Stadionbesuchers, der als einmaliger VIP-Gast besondere Beobachtungen machte. Ihm war im VIP-Bereich aufgefallen, dass die Spieler eine halbe Stunde nach erfolglosem Spiel bereits wieder bei bester Laune im Kreis ihrer Familien saßen. Und auf der Tribüne waren ihm Ersatzspieler aufgefallen, die mehr mit ihrem Smartphone beschäftigt waren als mit dem Geschehen auf dem Rasen. Ist dies ein RWE-Problem oder ein Spiegelbild unserer heutigen Gesellschaft?

Welling: Mir ist die Aussage zu populistisch und zu negativ. Hier wird dadurch ja impliziert, dass es den Spielern an der nötigen Einstellung und Ernsthaftigkeit fehlt und sie die Sachen zu leicht nehmen. Das mag im Einzelfall auch so sein, ich würde hier aber nicht generalisieren. Jeder Spieler geht mit Niederlagen anders um. Wir verlangen von den Spielern, dass sie nach dem Spiel im VIP-Bereich Präsenz zeigen. Dass grundsätzlich die Smartphone-Nutzung auch kritische Dimensionen annimmt, ist, glaube ich, vor allem für Vertreter meiner Generation teils schwer zu verstehen. Allerdings, die Problematisierung ist wohl eher ein typischer Generationen-Konflikt. Ich weiß noch, wie meine Mutter kein Verständnis dafür hatte, dass ich mit Walkman in die Schule gegangen bin. Daher sollte man hier sicherlich nicht dramatisieren, solange im persönlichen Umgang der notwendige Respekt erhalten bleibt.