Essen. Michael Welling sucht neue finanzielle Möglichkeiten für Rot-Weiss Essen. Er will mit einem strategischen Partner nach oben. Ein Interview.
- Michael Welling sucht neue finanzielle Möglichkeiten für Rot-Weiss Essen
- Er will mit einem strategischen Partner nach oben
- Ein Interview
Die Sehnsucht der Fans von Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen nach der großen Fußballbühne ist groß. Seit der Saison 2007/2008 spielt der Verein im Amateurlager. Die Insolvenz aus dem Jahr 2010 hat der Verein zwar überstanden, doch mittlerweile spielen die Essener im sechsten Jahr in Folge in der Regionalliga. Statt den großen Derbys gegen Schalke oder den BVB gibt es nur die Duelle gegen die Reserveteams der Essener Rivalen. Das soll jedoch kein Dauerzustand sein. Daher stellen auch die Essener die Weichen, um in den kommenden Jahren wieder an erfolgreichere Zeiten anknüpfen zu können.
Das bedeutet: Nicht nur die großen Profivereine gliedern die ersten Mannschaften in Kapitalgesellschaften aus, suchen Investoren und versuchen die internationalen Märkte zu erobern. Auch Rot-Weiss Essen ist auf der Suche nach neuen finanziellen Möglichkeiten. Kurz vor dem Ende des Jahres haben wir uns mit Essens Präsident Michael Welling getroffen und über die Zukunft von RWE gesprochen.
Vor einigen Wochen gab es einen Seitenhieb von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke. Einige Dortmunder Fans waren unzufrieden aufgrund der Internationalisierungs-Pläne der Dortmunder. Watzke nannte diese alternativlos, andernfalls würde man sich langfristig auf den Statuts von RW Essen begeben. Hat Sie das getroffen?
Michael Welling: Es ist fast schon eine Ehre, wenn Herr Watzke im Zuge der Dortmunder Internationalisierung-Pläne als Referenzrahmen Rot-Weiss Essen angibt. Da werden wir im gleichen Atemzug mit dem Champions-League-Teilnehmer Borussia Dortmund genannt, das ist gar nicht so verkehrt. Ich glaube auch nicht, dass er das konkret auf RWE bezogen hat.
Sondern?
Welling: Ich denke, das war eine Rechtfertigung dafür, dass das Thema Kommerzialisierung eines ist, was heute für Vereine von zentraler Bedeutung ist. Es soll zeigen, dass man sich von sportlichen Zielen verabschieden muss, wenn man nicht bereit ist, neue Wege zu gehen um Geld zu verdienen. Und weil wir ein geiler Verein sind, den er immer noch auf dem Schirm hat und weil er würdigen will, dass Rot-Weiss Essen mit der Südamerika-Reise 1954 Vorreiter war, hat er RWE genommen. Für uns gilt das Thema in einem anderen Rahmen doch genauso. Auch wir müssen versuchen finanzielle Mittel zu generieren, damit wir das machen können, was unser Vereinszweck ist. Fußball spielen. Und wenn wirklich einige Fans denken, dass das beim BVB alles zu kommerziell geworden ist, die sind bei uns gerne willkommen. Hier gibt es noch ursprünglichen Fußball.
Wie lange noch? Auch bei RWE beschäftigt man sich mit der Ausgliederung der Profimannschaft und einem möglichen Einstieg eines Investors. Wie ist da der aktuelle Stand?
Welling: Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft heißt ja nicht, dass wir werden wie Red Bull. Es gibt genügend Möglichkeiten, wie man eine Kapitalgesellschaft werden kann, als Verein aber dennoch seine Identität bewahrt. Es geht um das Wie - nicht um das Ob. Uns beschäftigt das Thema, wir wollen uns dem Schritt für Schritt nähern. Aber wir haben keine fünf Projektmanager, die das voran treiben können. Wir gehen das Schritt für Schritt an und versuchen dort unsere Kompetenz zu erweitern. Ich persönlich glaube, dass es notwendig ist, perspektivisch eine Kapitalgesellschaft zu haben. Zum einen, um Wettbewerbsfähigkeit zu haben. Ich gehe sogar davon aus, dass das Thema 50 plus 1 - egal wie man das bewertet - in zehn Jahren kein Thema mehr sein wird. Jede Wette, dann ist das gefallen. Ich glaube, für uns ist die Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft ein Weg, um aus der vierten Liga herauszukommen. Wenn 50 plus 1 wirklich fällt, dann ist das ein Wettbewerbsfeld, aus dem man agieren muss. Wir hätten dann die Möglichkeit mit der Unterstützung eines strategischen Partners den Traum zu verwirklichen, sportlich den nächsten Schritt zu machen. Wir prüfen das, wichtig ist bei RWE vor allem das Wie. Wir müssen die Identität des Vereins bewahren. Fanmitbestimmung muss trotz einer Kapitalgesellschaft weiter möglich sein.
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Wie attraktiv ist RWE derzeit für Investoren?
Welling: Ich glaube, es gibt in Deutschland derzeit wenig Vereine, die attraktiver sind als RWE.
Weil?
Welling: Wir sind gefestigt und haben professionelle Strukturen. Wir haben ein positives Eigenkapital und suchen keinen Geldgeber aus einer Notsituation heraus. Jedes Mittel, das wir derzeit bekommen, können wir in die Entwicklung des Vereins stecken. Nicht in die Tilgung von Schulden. Wir haben eine tolle Infrastruktur, sind ein anerkanntes Nachwuchsleistungszentrum vom DFB. Alle unsere U-Teams sind in der Bundesliga, wir haben einen funktionierenden Vertrieb und eine Marke mit Strahlkraft weit über die Ligagrenzen hinaus. Und unser Umfeld sucht im positiven Sinne seinesgleichen. Das Feld ist in vielerlei Hinsicht bestellt, wir arbeiten kontinuierlich. Uns fehlt nur eine finanzielle Sicherheit, um in den sportlichen Bereich investieren zu können. Mit einer finanziellen Unterstützung würde man die Wahrscheinlichkeit erhöhen, den Aufstieg aus der vierten Liga realisieren zu können. Und dann hätten wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, um auch eine Liga höher schnell wettbewerbsfähig zu sein. In der Summe ist das eine Konstellation, die man nur an wenigen Standorten findet.
Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie einen Investor an der Hand hätten, wenn Sie die Türe öffnen würden. Ist das wirklich so?
Welling: Wir haben sogar eine Art Vereinbarung: In dem Moment, wo wir ausgründen, hätten wir einen Partner, der gerne bei uns investieren würde. Das Interesse ist hinterlegt. Es ist aber sehr wichtig, so einen Schritt gut zu durchdenken. Wir machen das für uns und wir müssen definieren, was sind die Rahmenbedingungen, unter denen wir das machen wollen. Wir machen das nicht, nur weil da jemand mit Geld winkt. Ich würde auch nicht von einem Investor, sondern eher von einem strategischen Partner sprechen. Wir suchen jemanden, der sagt, er will mit RWE eine Erfolgsgeschichte erzählen - als intensiver Partner. Wenn jemand nur Geld aus so etwas rausziehen will, dann ist er bei uns falsch, das geht erstmal sowieso nicht. Ich bin sicher, dass wir für viele Unternehmen interessant sind. Vorher müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Bedeutet: Wir müssen die Rahmenbedingungen definieren, unter denen wir so etwas machen. Dazu wollen wir mit unseren Fans und Mitgliedern diskutieren, um diesen Rahmen zu setzen.
Wenn man Sie hört, muss man davon ausgehen, dass sich im Fußball in den kommenden Jahren viel verändert.
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Welling: Nicht erst in vielen Jahren. Wir erleben ja mit RB Leipzig jetzt schon einen Paradigmenwechsel. Einen, den ich ablehne. Eins vorab und das ist wichtig zu unterscheiden: Ich ziehe den Hut davor, was sportlich dort geleistet wird, das ist beeindruckend. Das zeugt von hoher Kompetenz. Was die mit dem Geld infrastrukturell machen, auch das ist klasse. Aus Perspektive von Red Bull ist das bis in die letzte Ecke durchgeplant. Die Standortwahl mit Leipzig war clever. Das ist auf dem Reisbrett geplant und richtig gut gemacht. Die Menschen dort dürsten nach Fußball, der Verband war froh, dass da einer kommt und Geld reinsteckt. Aber trotzdem ist es ein Paradigmenwechsel. Wir haben mit Red Bull erstmals die Situation, dass da jemand ist, der Fußball spielt um Marketing zu machen. Um seine eigene Marke zu positionieren. Das heißt, der Fußball ist ein Appendix der eigenen Markenführung - ein Instrument zur Markenführung. Alle anderen Vereine müssen auch Geld verdienen. Aber die müssen Geld verdienen um Fußball zu spielen. Wichtig auch: es geht bei dem Thema nicht um Tradition vs. Nicht-Tradition, das ist nur eine oberflächliche Betrachtung, zumal Tradition kein Wert an sich ist. Da kann man auch nicht sagen, das eine ist gut oder schlecht.
Sondern?
Welling: Es geht eher um den Einfluss und die Wertigkeit von Fans und darum, was der Zweck des Tuns ist: Fußball selbst oder Geschäft. Was ist wichtiger, was kommt zuerst. Das ist eine reine Werturteils-Diskussion. Als Professor für Sportmanagement finde ich das Beispiel Red Bull spannend und lehrreich, ein Musterbeispiel für Markenführung von Unternehmen und strategische Planung, da ziehe ich den Hut vor. Als Fußballfan will ich das nicht, ich will, dass der Fußball, der Sport selbst das wichtigste und der Zweck des Tuns bleibt, nicht das Mittel zum Zweck. Das ist aber ein persönliches Werturteil.
So denkt RWE-Boss Welling über RB Leipzig, 50+1 und Hasan Ismaik
Glauben Sie, dass es Nachahmer von Red Bull geben wird?
Welling: Das wird man sehen. Ich glaube aufgrund der Leipzig-Geschichte wird der Druck auf 50 plus 1 stärker wird. Das Ganze wird sicher auf Zeit ausgehebelt. Deshalb fand ich die Argumente von Hannovers Präsident Martin Kind auch schwierig. Er hat gesagt, wir müssen 50 plus 1 fallen lassen, weil wir sonst nicht wettbewerbsfähig sind. Ich sage: Wenn alle das fallen lassen, ist die Situation wieder gleich, der Wettbewerb verlagert sich nur auf eine andere Ebene. Insgesamt ist 50 plus 1 ja schon ausgehöhlt. Wir haben Wolfsburg und Leverkusen als erste Fälle, die von Anfang an ausgenommen waren. Jetzt kommen Hannover und Hoffenheim hinzu, wo Besitzer nach einer bestimmten Anzahl von Jahren alle Anteile übernehmen können. Es werden immer mehr Vereine, Ingolstadt könnte noch dazu kommen. Dazu kommt das ganz andere Konstrukt von Red Bull, das zwar formal 50+1 konform ist, das die Idee von 50+1 aber dennoch komplett aushöhlt. Daher kann ich jeden Fan verstehen, der verbal und vernünftig dagegen protestiert, weil es um die Frage geht, wie Fußballkultur zukünftig aussehen wird. Wie viele Vereine am Ende 50 plus 1 fallen lassen werden, das ist dann eine andere Frage. Die Bayern werden das sicher nicht machen, die wollen sicher weiter mitreden.
Wenn 50 plus 1 fallen sollte, dann auch bei RWE?
Welling: Nicht zwingend. Ich glaube nicht, dass wir unsere Identität hergeben würden. Da muss man auch bereit sein, den Preis zu zahlen, das ist meine persönliche Meinung. Das heißt ja nicht, dass man nicht strategische Partner oder Investoren findet. Die müssen unsere Identität aber akzeptieren.
Also kein Hasan Ismaik wie bei 1860 München?
Welling: Das wäre – bei allem was man liest – schwierig. Wir suchen eher einen strategischen Partner. Beim BVB ist das evonik zum Beispiel. Es gibt auch standortorientierte Sachen. Da kann es gemeinsame Interessenlagen geben - so etwas kann funktionieren. Zudem müssen die Leute mitgenommen werden. Keiner würde zum Beispiel akzeptieren, wenn - ich muss kurz überlegen - MILKA sagen würde, ich will einen Bundesligisten haben und wir machen aus dem geliebten Rot-Weiss Essen ein Konstrukt MILKA Essen und spielen in Lila. Das wäre in Essen kaum möglich.