Essen. Im zweiten Teil des großen Interviews mit Michael Welling bezieht Rot-Weiss Essens Präsident unter anderem Stellung zur Kritik an seiner Person.

  • Wir haben uns ausführlich mit RWE-Präsident Michael Welling unterhalten
  • Im zweiten Teil des großen Interviews nimmt er unter anderem Stellung zur Kritik an seiner Person
  • "Ich muss mit der Kritik umgehen", sagte Welling

Im zweiten Teil des Interviews spricht Michael Welling, Präsident des Regionalligisten Rot-Weiss Essen, über seine Indien-Reise, Marketing-Aktionen, die November-Tristesse und die Absage von innogy als Sponsor. (Zum ersten Teil des Gesprächs geht es hier).

Michael Welling, in der Hinrunde gab es auch Kritik an Ihrer Person. Der Tenor lautete: RWE macht viele und tolle Marketing-Aktionen, aber mit dem Sport klappt es nicht so. Wie haben Sie das aufgefasst?

Michael Welling: Das kriege ich schon mit, in gewisser Weise ist das ja sogar ein Kompliment. Der Sport klappt auch tatsächlich noch nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Ich muss mit der Kritik umgehen.

Sie waren zuletzt einige Wochen in Indien. In diesem Zeitraum gab es aufgrund der Länge der Reise kritische Stimmen. Was sagen Sie dazu?

Welling: Eigentlich sollte ich auch das als Kompliment auffassen, dass manche glauben, dass ich alleine mit meiner Aura Einfluss auf die Mannschaft nehmen kann. Aber das ist ja Unsinn. Mein Einfluss auf den sportlichen Bereich - gerade an Spieltagen - ist eigentlich gleich Null. Wenn es in der Saison eine Phase gibt, in der ich oder die Kollegen in Urlaub gehen können, dann ist es der Oktober oder November. Die Jungs und Mädels auf der Geschäftsstelle gehen alle ab Ende September auf dem Zahnfleisch. In der Phase danach kann man mal etwas durchatmen. Ich war mit dem Rucksack unterwegs, das habe ich früher schon gemacht. Da kommt man mal richtig runter. Was ich gemerkt habe: die Welt ist kleiner geworden. Vor zehn oder 15 Jahren war man am Arsch der Welt, heute habe ich - wo auch immer - das Handy genommen und mit den Kollegen telefoniert. Bei den Spielen habe ich auch den RevierSport-Ticker verfolgt, allerdings überwiegend die Fanradios verfolgt. Ich war immer im Bilde, habe das Schicksal der Fans geteilt, die das Spiel nur am Radio verfolgen konnten. Schön ist das nicht, wenn man nicht im Stadion dabei sein kann. Ab jetzt geht es bei unserer Arbeit schon wieder um die neue Saison. Und ich bin voller Energie für die anstehenden Aufgaben.

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In den letzten Jahren waren die Fans unzufrieden, weil die Saison im Prinzip schon im Oktober gelaufen war. Auch aktuell ist der Abstand zur Spitze groß, ins Rennen um die Meisterschaft wird RWE nicht eingreifen können. Wie wollen Sie zur neuen Saison wieder eine Euphorie entfachen, um den Leuten Lust auf RWE zu machen?

Welling: Das liegt sicher auch an der Ligenstruktur. Wenn vorne welche weg sind, geht es schnell nur noch um die goldenen Ananas. So kam es zur November-Tristesse, leider wie in den letzten Jahren. Euphorie entfachen wollen wir ja nicht künstlich. Ich glaube, das Besondere an RWE-Fans ist, dass sie schnell frustriert sind, nachvollziehbarerer Weise aus der Historie heraus. Wenn es wieder los geht, haben sie aber auch genauso schnell wieder Bock auf den Verein. Das hoffe ich natürlich auch im Sommer, denn wir wollen den nächsten sportlichen Schritt machen.

Im Sommer gab es auch den Startschuss für Aktion Zusammen Hoch3. Wie fällt da nach einem halben Jahr das erste Fazit aus?

Welling: Man muss sehen, worauf die Aktion ausgelegt ist. Es ist eine Aktion, um die Rahmenbedingungen zu verbessern und sportlich den nächsten Schritt machen zu können. Da geht es auch um Planungssicherheit im wirtschaftlichen Bereich. Bisher ziehe ich ein positives Fazit. Sportlich sind wir dabei uns weiter zu konsolidieren. Wirtschaftlich ist die Aktion für sich genommen ein Erfolg. 50 Prozent der Dauerkarten sind Hoch3-Dauerkarten – das ist schlicht Wahnsinn! Im Hospitality-Bereich haben wir zwischen 30 und 40 Prozent der Leute, die gesagt haben, ich zahle etwas mehr und unterschreibe für drei Jahre. Wir haben interessante Partner, die das unterstützt haben, das ist ein Pfund, das wir haben. Es kommt ein Aber: Wir hatten uns noch mehr Unterstützung erhofft. Von Fans nicht unbedingt, sicher aber aus der Wirtschaft. Es gibt einige Essener Unternehmen, die hoffentlich noch auf den Zug aufspringen. Daran arbeiten wir. Zudem war die Beendigung der Partnerschaft mit der RWE-Tochter Innogy kontraproduktiv und kommt - auch und gerade mit Blick auf die Hoch 3-Aktion - komplett zur Unzeit, das muss man ganz klar sagen. Das frisst die positiven Effekte aus Hoch 3 mit einem Schlag erstmal auf. Gerade in dem Moment, wo wir in der Stadt mit der Stadt den nächsten Schritt gehen wollen, ist so eine Absage bitter. Da müssen wir sehen, dass wir das jetzt kompensieren.

In Sachen Vermarktung ist Rot-Weiss Essen drittligareif 

Im Zuge der Innogy-Absage hieß es auch, dass Rot-Weiss unter eine Umsatzschwelle gefallen ist, durch die der Verein keine Stadionpacht mehr zahlen muss. Können Sie das etwas genauer erklären?

Welling: Es gibt einen so genannten Bezugsumsatz. Ursprünglich sollten wir in der vierten Liga keine Pacht zahlen. Im Zuge der Gespräche mit der GVE kam raus, dass es gut wäre, wenn wir uns beteiligen. Da haben wir uns auf dieses Modell geeinigt, dass wir ab einem definierten Bezugsumsatz 25 Prozent auf jeden zusätzlich eingenommenen bezugsumsatzrelevanten Euro eine Pacht zahlen. Ab der dritten Liga wären es zehn Prozent auf den gesamten Bezugsumsatz. Bezugsumsatz heißt: Es geht um die stadionrelevanten Erlöse. Mitgliedsbeiträge zum Beispiel zählen da nicht zu. Das neue Stadion hat sicher dazu beigetragen, dass wir uns auch besser vermarkten konnten. Ich bin aber auch so selbstbewusst zu sagen, dass wir mit unserem Team tolle Sachen geschafft haben. Darauf bin ich stolz. Wir waren sehr kreativ und ideenreich - hatten viele gute Vermarktungsideen. Ich denke, da sind wir in der vierten Liga führend - vielleicht wären wir das auch in Liga drei.

Aber...

Welling: ... zuletzt gab es aber auch gegenläufige Tendenzen, ich nenne das Thema der kommunalen Unternehmen, die auch sparen mussten. Es gab Firmen, die ihr Engagement reduzieren mussten, zwei unserer Partner haben sogar Insolvenz anmelden müssen. Jetzt kommt Innogy hinzu, die – in der Form und zu dem Zeitpunkt für uns überraschend – komplett auf Null reduziert haben. Aber wir warten erstmal ab, ob wir wirklich unter die Umsatzschwelle fallen. Wir sind mitten in der Saison - die Spielzeit geht noch sieben Monate. Diese Zeit haben wir noch, um Geld zu verdienen.

Also ist es noch zu früh, um hier ein Fazit zu ziehen?

Welling: Ja, noch ist nicht absehbar, wie hoch die Pacht ist. Ich bin durchaus zuversichtlich, dass wir bis zum Ende der Saison weitere Umsätze generieren, was sich auch auf die Pacht auswirken könnte. Trotzdem ist klar: Fällt so ein Betrag wie der von Innogy weg, dann ist das schon ein Batzen. Das hat uns weh getan, denn es war ein Partner, der über zwölf Jahre dabei war. Das war vor allem auch der Hauptsponsor der Jugend. Das Geld fehlt derzeit. Aber wir haben die Basis ausgebaut, daher sind wir nicht so abhängig von einem Partner wie vor der Insolvenz.

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Was passiert nun in der Jugend. Ist ein neuer Hauptsponsor in Sicht?

Welling: Vor allem mit Blick auf die Jugend müssen wir nun hart arbeiten und einen Partner finden, der uns dort unterstützt und so dazu beiträgt, die gute Jugend- aber auch Sozialarbeit am Standort fortzuführen. Es wäre aus meiner Sicht nicht nur für den Verein sondern auch für den Standort Essen fatal, wenn wir hier keine Lösungen finden. Das Paket, das nun frei geworden ist, ist extrem attraktiv, hier kann man sich in besonderer Weise zum Standort bekennen

Können Sie das erklären?

Welling: Wir sind im Nachwuchs auf einem top Niveau. Wir haben ein Nachwuchsleistungszentrum, alle unsere Teams spielen in der Bundesliga - und das auf Augenhöhe mit Dortmund. Leverkusen oder Köln. Zudem ist das, was wir in der Jugend machen, auch ein Standortthema, ein Sozialprojekt. Wir stecken sehr viel Engagement in Bildung, Ausbildung und Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen. Jetzt besteht da die Möglichkeit für einen kommenden Partner, an diesem besonderen Projekt mitzuwirken. Aktuell sind wir im Nachwuchsleistungszentrum ohne Trikotsponsor und uns fehlt ein Namensrechtspartner an der Seumannstraße. Wir können das momentan kompensieren, auf Dauer wird es aber schwierig. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir da Partner finden, die das unterstützen wollen.