Aachen. Trotz spielbestimmender erster Halbzeit verlor RWE am Ende mit 0:2 bei Alemannia Aachen. Binder musste mit einer Fleischwunde ins Krankenhaus.

Können zwei Minuten die Ernte eines ganzen Fußballspiels vernichten? Bei Rot-Weiss Essen schon. 55 Minuten waren gespielt am Tivoli, die Gäste im gegnerischen Strafraum, wo Leon Binder zum Schuss ausholte. Er kam einen Tick zu spät, traf stattdessen das ausgestreckte Bein von Aimen Demai, worauf der Essener liegen blieb und später mit einer tiefen Fleischwunde ins Krankenhaus gebracht wurde.

Das Spiel lief weiter, die Alemannia konterte, bekam einen Freistoß, aus dessen weiterer Entwicklung eben jener Demai trotz Umzingelung durch vier RWE-Abwehrspieler die Aachener Führung erzielte. Spiel gelaufen, auch wenn noch genug Zeit übrig war.

„Das ist extrem bitter, weil wir in Unterzahl in einen Konter laufen und das Spiel verlieren. Dennoch bin ich gerade mit der ersten Halbzeit sehr zufrieden, weil wir unsere Chancen hatten. Leider fehlten die Tore, sonst geht das Spiel anders aus“, resümierte RWE-Coach Jan Siewert. Zum wievielten Male musste er in dieser Saison schon dieselben Worte benutzen?

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Ja, es stimmte, wieder einmal lieferten die Rot-Weissen eine wirklich souveräne Vorstellung in Halbzeit eins ab, gestatteten den anfangs sehr verunsicherten Gastgebern nicht eine Torchance. Der zählbare Erfolg blieb aber wieder aus, weil den wenigen guten Chancen von Marcel Platzek bei einem Kopfball (13.) und einem Abstauber am langen Pfosten durch Leon Binder (42.) Mut, Entschlossenheit und der Glaube an die eigene Stärke fehlten. Wer unbedingt in Führung gehen will, nutzt diese Chancen anders.

Haarsträubende individuelle RWE-Aussetzer

Und es bleibt das Mysterium dieser Saison, warum die Mannschaft beim ersten spürbaren Gegenwind immer wieder zusammenklappt wie ein instabiler Billigschirm. Oder folgt sie nur den Worten ihres Trainers, der einmal verkündete, er habe das Gefühl, in dieser Liga gewinne das Team, welches das erste Tor erzielt? Es wäre fatal.

Hinzu kommen immer wieder haarsträubende individuelle Aussetzer. Richard Weber, bis dahin nach Verletzungspause mit solidem Part in der Abwehr, hätte den Ball nach 82 Minuten vor dem 0:2 nur wegschlagen müssen, statt in seinem Rücken den anstürmenden Viktor Maier zu belauern, der letztlich an ihm vorbeizog.

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Die Liste lässt sich weiterführen mit gravierenden technischen Mängeln bei der Ausführung von Standards: Die Freistöße eines Benjamin Baier waren einfach grottig: zu kurz und zu flach, absolut keine Gefahr für die Alemannia-Abwehr. „Nicht zu begreifen, tags zuvor beim Training resultierten aus drei Standards noch Tore“ rätselte Trainer Siewert nach den Gründen.

RWE-Abwehrchef Philipp Zeiger wird am Montag operiert

Und wo wir schon bei Rätseln angekommen sind: Die geben seit Wochen nur noch die Leistungen eines Cebio Soukou auf. Ist das wirklich noch der Spieler, auf den die rot-weisse Gemeinde wegen seiner Dopingsperre ein halbes Jahr sehnlichst gewartet hatte? Ein paar egozentrisch geführte lasche Dribbelversuche wechseln sich ab mit dem lustlosen Spazierentragen des Trikots. Provoziert hier einer offenkundig seinen Abgang in der Winterpause, nachdem ihm dieser noch zum Sommer verwehrt worden war?

Wenn dazu auch noch der bemitleidenswerte Malcom Olwa-Luta gleichzeitig auf dem Feld ist, spielt RWE faktisch in zweifacher Unterzahl – das kann kein Team kompensieren.

So schlagen viele Fans im bislang goldenen Herbst schon die Mantelkragen hoch und bereiten sich auf einen ungemütlichen Abstiegskampf vor, der spätestens am kommenden Sonntag mit der Partie gegen den Nachbarn aus Gelsenkirchen beginnt. Am Ende sprach ein Ex-Schalker: „Ist mir völlig egal, wer jetzt kommt, nun zählt nur noch ein Sieg“, meinte Moritz Fritz.

Und wenn noch Platz für eine schlechte Nachricht ist: Abwehrchef Philipp Zeiger, gerade wieder stabil, wird am Montag am Meniskus operiert und fällt länger aus. Jetzt kommt alles zusammen.

Die Statistik: Alemannia Aachen - RW Essen 2:0 (0:0)

RWE: Heller, Binder (59. Olwa-Luta), Zeiger, Weber, Cokkosan, Obst, Baier, Fritz, Grund, Soukou (66. Windmüller), Platzek.

Tore: 1:0 Demai (58,), 2:0 Maier (81.).

Zuschauer: 11 200