Essen. Bei Rot-Weiss Essen wird vor dem nächsten Ligaspiel in Verl das System umgekrempelt. Und Sven Kreyer weiß wieder, wo das gegnerische Tor steht
Ostermontag an der Hafenstraße: Von Eiersuche nicht die Spur, die Schokoladenpracht wäre bei dem fiesen Nieselregen auch schnell aufgeweicht. Stattdessen echter Männerschweiß und manch laute Durchsage wie auf einem Kasernenhof. Willkommen bei RWE!
Es sind noch fünf Tage bis zum nächsten Spiel in Verl, zum Debüt von Jürgen Lucas und Markus Reiter an der Außenlinie, und man kann nicht sagen, dass die Herrschaften ihre kostbare Zeit verplempern würden. Die eineinviertelstündige Trainingseinheit kann man getrost mit „intensiv“ betiteln. Alles beäugt von einer stattlichen Zahl an Trainingsgästen, die Neugierde siegt auch bei diesem Wetter über den inneren Schweinehund. Das Trainerteam hat sich strategisch über den Platz verteilt, ihren Rasteraugen entgeht nichts. Ihr erster Eindruck? „Wir sind uns bewusst, dass wir auf charakterlich einwandfreie Typen treffen, die Bock haben, für RWE zu spielen“, fasst Markus Reiter die Grundvoraussetzung in Worte. Den Rest kann man trainieren.
Und da sind beide Verantwortlichen auf einer Wellenlänge, das frühe aggressive Pressing hat sich das Duo auf die Trainingsfahne geschrieben, was bei den Akteuren ein Höchstmaß an Konzentration und Laufbereitschaft erfordert. Und zwar von allen, zu jeder Zeit. „Es geht darum, in der Trainingsarbeit, in kleinen Spielen auch immer wieder anzustechen, dass sie bereit sind, auch sehr weit weg vom Tor aggressiv ihre Zweikämpfe zu führen, dann hat man den Vorteil, dass man in der gegnerischen Hälfte den Ball gewinnt, und so hat man den kürzeren Weg zum Tor“, fasst Reiter das ganze Geheimnis zusammen.
Auch Torhüter Heimann soll aggressiver werden
Dass dies nicht alles auf Knopfdruck funktionieren kann, versteht sich von selbst. Darum drückt Jürgen Lucas in mancher Spielsituation die Pause-Taste und korrigiert lautstark, was ihm nicht gefallen hat. Sehr lautstark.
Als bei einer Standardsituation, die Tim Hermes ausführen wollte, Torhüter Nicklas Heimann, eher einer von den Stillen im Lande, nicht in gewünschter Phonstärke seine Abwehr vor ihm dirigiert, fordert der Trainer auch die Nummer eins zu mehr Aggressivität auf. Alle sollen mitmachen.
Aber es gibt auch wieder Gelungenes zu sehen. Als das Spiel über Außen in der Mitte von Sven Kreyer, der wieder weiß, wo das Tor steht, ein ums andere Mal vergoldet wird, schickt ein jüngerer Fan ein Stoßgebet zum Himmel: „Mein Gott, ich habe sie wieder Fußballspielen sehen, das konnte ich schon lange nicht mehr sagen, danke!“
Der Umbau im Ligabetrieb ist ein Risiko
Nun wird sich erst im Wettkampf zeigen, wie schnell die Mannschaft die Veränderungen verinnerlicht. „Am System arbeiten wir, ob es wirklich schon bis zum Verl-Spiel reicht, das wird man sehen. Vielleicht müssen wir einkalkulieren, dass das eine oder andere noch nicht so funktioniert, das heißt aber nicht, dass wir das Spiel als Test sehen. Das ist halt das Risiko, wenn man etwas im Laufe der Saison verändern will“, umschreibt Jürgen Lucas die verzwickte Lage.
Wenn es dabei aber nach Fußball aussieht, gibt es vom RWE-Fan einen Kredit.