Essen. Nach verschlafener erster Halbzeit rettet RWE in Lotte noch einen Punkt. Es ist ein Rückfall in alte Verhaltensmuster. Weber bleibt selbstkritisch.
Der Nikolaus in Lotte hatte eine ganz perfide Rolle übernommen: Er ließ die Gäste aus dem Ruhrgebiet vor dem Stadionbesuch noch mal tief in den großen Sack greifen und nach Süßigkeiten forschen.
Vielleicht hatte Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen insgeheim gehofft, es ginge so weiter, aber auf dem Spielfeld gab es anschließend Saures: Mit dem 1:1 (0:0) war der entthronte Tabellenführer am Ende an diesem lausigen Nachmittag im Tecklenburger Land noch ziemlich gut bedient. „Wenn du nach Lotte kommst mit den vielen Ex-Essenern, da kannst du eigentlich nicht überrascht sein von deren Gangart“, wunderte sich RWE-Coach Marc Fascher über das anfangs lasche Auftreten seiner Mannschaft, die, so der Trainerkommentar, „in der ersten Halbzeit nicht stattgefunden hat“.
So war es, Lotte war von Beginn an griffiger, giftiger in den Zweikämpfen, störte die Essener schon ganz früh im Spielaufbau und ließ sie auf dem holprigen Untergrund gar nicht erst ins Spiel finden. Wie sehr die Tatsache mitspielte, dass man nach etlichen Wochen des „Hinterher-Galoppierens“ endlich mal von Platz eins den Rest der Liga grüßen konnte und jeder vielleicht unbewusst einen Schritt weniger machte, bleibt im Raum des Spekulativen, wäre aber auch aus Trainersicht durchaus menschlich nachvollziehbar – wenn auch natürlich nicht tolerierbar.
So paradox es klingt: Vielleicht wäre es für die Rot-Weißen für den Spielverlauf besser gewesen, Schiedsrichter Felix Schmitz hätte doch nach vier Minuten auf den Punkt gezeigt, als Patrick Huckle deutlich sichtbar die Kugel im Strafraum an die Hand gesprungen war. Lottes Interimscoach Henning Grieneisen, der nach dem Spiel von einer völlig deprimierten Truppe in der Kabine berichtete, die den möglichen Sieg aus der Hand gegeben habe, ließ es sich vom Referee später genau erklären: „Er sagte, es müsse eine klare Absicht vorliegen, deshalb habe er nicht gepfiffen.“ Gut, dass Felix Schmitz in Nebenfunktion sogar Gedankenleser ist...
"Da musste ich lauter werden"
So blieb der frühe traditionsgemäße Weckruf an die Gäste erst einmal aus, den musste Fascher in der Pause nachreichen: „Da musste ich lauter werden, weil in der ersten Halbzeit kaum einer Normalform erreichte.“
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Das Kullertor zur hochverdienten Lotter Führung, als ein Flachschuss von Tim Wendel eine gefühlte Ewigkeit durch den Strafraum hoppelte und vom Innenpfosten über die Torlinie prallte, besorgte den endgültigen Hallo-Wach-Effekt. „Auch wenn manche es nicht mehr hören können: Die Mannschaft steht für Moral, wenn sie aus dem Quark kommen muss, dann kann sie plötzlich den Schalter umlegen“, gab sich Fascher später besänftigt.
Und dass dazu wieder ein Standard diente, als Richard Weber eine Ecke von Tim Hermes – verlängert von Marcel Platzek – am zweiten Pfosten einnickte, ist längst ein anerkanntes Erfolgsrezept dieser Mannschaft. Die sich anschließend zum Glück selbstkritisch zeigte, auch der Torschütze ließ sich nicht blenden: „Das war das schlechteste Spiel von uns seit langem. Vor allem in der ersten Halbzeit haben wir es nicht geschafft, auf dem schlechten Platz den Kampf anzunehmen, die haben uns den Schneid abgekauft.“