Duisburg. Seit vier Monaten kickt Patrick Zoundi beim MSV Duisburg in der dritten Liga. Heute könnte er für sein Heimatland Burkina Faso gegen Algerien um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft spielen. Doch der 31-Jährige verzichtet auf seinen WM-Traum und verrät, warum andere es mehr verdient haben als er.

Als Aristide Bancé in der 86. Minute den Hand-Elfmeter verwandelte, stand das Nationalstadion in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou Kopf. 35.000 Fans feierten den 3:2 Hinspiel-Sieg gegen Algerien in den WM-Play-Offs wie den Gewinn der Trophäe selbst. Im Rückspiel in Algier will der Außenseiter aus Westafrika heute Abend (19.15 Uhr) den großen Traum von der ersten Teilnahme an einer Fußball-Weltmeisterschaft wahrmachen.

„Zu 60 Prozent kommen wir weiter. Algerien hat den größeren Druck“, sagt Patrick Zoundi über das Duell. Der Mittelfeldspieler vom MSV Duisburg lief bis vor einem Jahr selbst für Burkina Faso auf und hat immer noch täglich Kontakt zur Mannschaft. „Wir haben gute Leute im Team, Jonathan Pitroipa, der früher beim HSV war, oder Aristide Bancé von Fortuna Düsseldorf haben viel Erfahrung. Die Mannschaft wird in Algerien nicht nur den Vorsprung verwalten“, kündigt der Ex-Nationalspieler an.

Parade für die Helden

Den burkinischen Fußball kennt Zoundi genau – ebenso wie die Mentalität seiner Landsleute. Die WM-Teilnahme wäre der größte Erfolg in der Geschichte des burkinischen Fußballs und würde ausgelassen gefeiert, prophezeit er: „Wenn es klappt, werden die Menschen in den Straßen tanzen. Bestimmt müssen sie zwei Tage lang nicht arbeiten und werden die Fußball-Helden mit einer großen Parade in der Hauptstadt empfangen.“

Bislang waren die „Hengste“, wie die Burkiner ihre Nationalmannschaft nennen, international eher unbekannt. Doch der Fußball in Burkina Faso ist im Aufwind. In diesem Jahr stand das Land erstmals im Finale des Afrika-Cups, in dem man sich Nigeria mit 0:1 geschlagen geben musste. Derzeit liegt Burkina Faso hinter Ägypten auf Platz 52 der Fifa-Weltrangliste - vor kurzem überholte man Österreich.

Fußball jahrzehntelang unterentwickelt

Fußball ist Volkssport Nummer 1 - dennoch war das drittärmste Land der Welt auch fußballerisch jahrzehntelang unterentwickelt. An Rasenplätze und angemessene Sportkleidung war meist gar nicht zu denken. Ein erster Schritt nach vorne gelang 1997 mit der Gründung der Fußballschule „Planète Champion International“ durch den Franzosen Philippe Ezri. „Aus dem Internat „Planète Champion“ kommen viele aktuelle Nationalspieler, auch ich wurde hier ausgebildet“, erinnert sich Zoundi.

Nach der Pleite von „Planète Champion“ wurden neue Schulen eröffnet. Eine davon ist die „Kada School“, gegründet von den ehemaligen Bundesliga-Spielern Jonathan Pitroipa und Wilfried Sanou. Auch der französische Erstligist AS St. Etienne engagiert sich in Burkina Faso mit einem Fußball-Internat für den Nachwuchs. „Der Fußball-Markt in Burkina Faso wird langsam international interessant“, resümiert Zoundi. Allerdings fehle es noch an zahlungskräftigen Sponsoren.

Geld kommt vor allem vom Staat

Geld kommt bislang vor allem vom Staat. „Die Politiker wissen, dass Fußball sehr beliebt ist, deshalb finanzieren sie den Sport.“ Allerdings halte sich die Politik aus dem Sport glücklicherweise weitgehend heraus, sagt Zoundi: „Der nationale Fußball-Verband ist unabhängig und wird von Leuten geführt, die Ahnung davon haben. Das ist in Afrika nicht immer selbstverständlich.“

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Nicht zuletzt trage der aktuelle Nationaltrainer Paul Put seinen Teil zu den jüngsten Erfolgen bei, erzählt Zoundi, der bereits vor einem Jahrzehnt unter dem Belgier beim KSC Lokeren spielte und seitdem engen Kontakt zu ihm pflegt: „Paul Put versteht die afrikanische Mentalität. Er weiß, dass man nicht wie in Europa einen Starspieler in den Vordergrund stellen kann, sondern das Team der Star ist“, erklärt Zoundi die Arbeitsweise von Put, der die burkinische Auswahl seit März 2012 trainiert.

Zoundi lehnte Rückkehr ins Nationalteam ab

Put holte Zoundi ein halbes Jahr später im September in die Nationalmannschaft zurück, nachdem dieser sich unter dem vorherigen Trainer Paulo Duarte bereits zurückgezogen hatte. Als Zoundi sich im ersten Spiel unter Put verletzte, schloss er das Kapitel Nationalmannschaft endgültig – nach insgesamt 19 Einsätzen für sein Land.

Obwohl Trainer und Mannschaft ihn mehrfach zu einer Rückkehr überreden wollten, blieb Zoundi dabei: „Es gibt viele junge Spieler, die sehr talentiert sind und es mehr verdient haben als ich. Ich will nicht spielen, nur weil ich den Trainer gut kenne“, sagt er. In den regelmäßigen Gesprächen mit dem Trainer sei ein Comeback auch kein Thema mehr.

„Menschen würden auf der Straße tanzen“

Der Profi vom MSV Duisburg hofft, dass die Hengste auch ohne ihn den Sprung zur WM schaffen, um die Menschen in dem bitterarmen Land glücklich zu machen: „Wenn wir gewinnen, werden die Menschen auf der Straße tanzen. Fußball bedeutet den Burkinern viel und macht sie stolz.“

Zoundi wird Zuhause mit seiner Familie auf der Couch seinen Beitrag zum Erfolg leisten und kräftig. Falls es mit der WM-Endrunde klappt, will er mitfahren nach Brasilien - allerdings nur als Fan. Er hofft, dass der Staat einigen Landsleuten die Fahrt zur WM spendieren wird. „Ein normaler Burkiner kann sich den Flug nach Brasilien nicht leisten - hoffentlich organisiert die Regierung eine Lotterie, in der man Tickets gewinnen kann.“

Zoundi lebt den WM-Traum als Fan

In einigen Jahren, sagt er, wenn seine Kinder alt genug sind, will er nach Burkina Faso zurückkehren und seine Erfahrung im Fußball-Verband einbringen. Kurz vor dem Spiel wird er Mannschaft und Trainer noch alles Gute wünschen. Dann lebt er den WM-Traum - wie Millionen seiner Landsleute – als normaler Fan.