Duisburg. Kreuzbandriss, Außenbandriss, Muskelabriss, Innenmeniskusriss und Kompartmentsyndrom – in einem Spiel zog sich Julian Koch sämtliche Fußballer-Verletzungen zu. 19 Monate wartet er nun schon auf sein Comeback - und bleibt optimistisch. Das große Interview mit dem Defensivmann des MSV Duisburg.

Zehn Monate lang sah Defensivmann Julian Koch, bis dahin der Shootingstar der Zweiten Liga, keinen einzigen Ball mehr, seit über 19 Monaten wartet er auf sein Pflichtspiel-Comeback – und trotzdem lässt er sich nicht unterkriegen. Stattdessen feilt er, erneut von Dortmund an Duisburg ausgeliehen, an seiner Rückkehr. Ein Gespräch mit einem bedingungslosen Optimisten, den so schnell nichts erschüttern kann.

Julian Koch, erinnern Sie sich an Ihr erstes Bundesligaspiel für Borussia Dortmund?

Julian Koch: Natürlich. Es war für mich im März 2010 schon schön, im Kader gegen Mönchengladbach zu stehen. Als ich eingewechselt werden sollte, war ich voller Adrenalin. Ich wusste überhaupt nicht, dass ich gemeint war, als ich beim Warmmachen gerufen wurde. Das habe ich erst nach ein paar Sekunden realisiert, als es mir die anderen Ersatzspieler gesagt haben. Ich bin ziemlich übermotiviert zur Seitenlinie gelaufen und habe mich einfach nur gefreut, von Jürgen Klopp eingewechselt zu werden.

Waren Sie damals noch BVB-Fan?

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Koch: Am Anfang schon. Aber je mehr ich Profi war, desto weniger war ich noch Anhänger. Ich hatte ein Trikot von Andreas Möller, wollte aber immer eines von Dédé haben. Und plötzlich durfte ich mit ihm in einer Mannschaft spielen. Er weiß übrigens bis heute nicht, dass er mein Vorbild war.

Nach Ihrer Debütsaison mit zwei Kurzeinsätzen verließen Sie Dédé und den BVB in Richtung Duisburg.

Koch: Ich hatte nicht so die Chancen, zu spielen. Daher war klar, dass es für mich das Beste war, mich ausleihen zu lassen. Und Duisburg war für mich der komplett richtige Schritt. Ich habe eine ganz ordentliche Saison gespielt und mich enorm weiterentwickelt – bis zu meiner Verletzung.

Wie oft haben Sie an die Verletzung in Oberhausen zurückgedacht?

Koch: Anfangs natürlich ziemlich oft. Aber je mehr die Zeit vergeht, desto weniger beschäftige ich mich mit diesem Tag. Langsam kommt der Punkt, an dem ich komplett mit der Verletzung abgeschlossen habe. Das ist für mich abgehakt.

Hatten Sie zwischendurch schon übers Karriereende nachgedacht?

Koch: Ja, klar. Am Anfang war vieles kritisch. Da stellte sich die Frage, ob ich überhaupt wieder spielen können würde, weil die Ärzte nicht absehen konnten, wie es mit dem Kompartmentsyndrom abheilt.

Es bestand sogar die Gefahr einer Unterschenkelamputation.

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Koch: Das war direkt am Anfang in der akuten Phase. Eigentlich hatte ich erst am Nachmittag nach der Verletzung einen Kernspintermin. Aber mein Knie war morgens extrem dick angeschwollen und mein Vater meinte, dass das nicht normal sei. Er hat es Gott sei Dank geschafft, mich zu überreden, ins Krankenhaus zu fahren. Dort wurde ich direkt operiert. Wenn ich wie geplant gekommen wäre, hätten sie mir den Unterschenkel wahrscheinlich abnehmen müssen. Das war eine brutale Erfahrung, vor allem auch, danach noch vier Wochen im Krankenhaus zu liegen.

Wie haben Sie das verarbeitet?

Koch: Ich musste erstmal damit umgehen, von nur Power und Training auf komplett Nichts zu fallen. Das war gerade am Anfang ein ungewohntes Gefühl. Und meine Muskeln waren nach der Zeit komplett weg, weil ich nur im Bett gelegen habe.

"Zwischendurch kam ich an meine Grenzen" 

Konnten Sie den anderen beim Fußball zuschauen?

Koch: Am Anfang habe ich mich noch gefreut, alle Spiele im Fernsehen zu sehen, vor allem das DFB-Pokalhalbfinale gegen Cottbus. Bitter wurde es erst, als ich aus dem Krankenhaus raus kam und die Spiele im Stadion anschauen musste. Vor allem beim Pokalfinale war es ekelhaft, alles mitanzusehen, ohne mitspielen zu können. Das war richtig hart. Es ist eins meiner Ziele, noch einmal in einem DFB-Pokalendspiel auf dem Rasen zu stehen, und wenn es nur eine Minute ist.

Wie fit fühlen Sie sich heute?

Koch: Ich bin in der Sommervorbereitung wieder ins Training beim MSV eingestiegen. Es sah auch alles soweit ganz gut aus, aber dann kam ein Innenmeniskusriss dazwischen. Geplant ist, dass ich bald wieder komplett ins Training einsteigen darf.

Wie gehen Sie mit solchen Rückschlägen um?

[kein Linktext vorhanden]Koch: Mein Innenmeniskus ist im Laufe der Reha-Phase noch mal gerissen, ich habe das aber nicht gemerkt, weil ich keine Schmerzen oder Schwellungen hatte. Das ist erst bei einem Folge-MRT aufgefallen. Dann musste es halt gemacht werden, das kommt vor.

Verzweifeln Sie an Ihrem Körper?

Koch: Zwischendurch kam ich natürlich an meine Grenzen. Es gab ein, zwei Tage, an denen ich einfach keinen Bock mehr hatte. Aber ich habe so viel Zeit und Arbeit in die Reha gesteckt, dass ich weitermachen musste. Ich habe fünf bis sechs Stunden pro Tag an meinem Comeback geschuftet, das wollte ich nicht umsonst gemacht haben. Vom Aufgeben halte ich nicht so viel.

Haben Sie sich schon ein Ziel gesetzt, wann Sie Ihr nächstes Pflichtspiel absolvieren wollen?

Koch: Darüber habe ich mir noch keinen Kopf gemacht. Für mich ist primär wichtig, dass ich bald wieder ohne Probleme trainieren kann. Wenn das der Fall ist, wird noch abzuwarten sein, wie es um meine Kondition bestellt ist.

"Die Narbe fällt mir nicht mehr auf" 

Wie weit sind Sie von Ihrer Bestform entfernt?

Koch: In unserem letzten Testspiel vor der Saison gegen Twente Enschede habe ich schon gemerkt, dass mir noch ein paar taktische Dinge fehlen und dass mir mal ein Gegenspieler wegläuft. Aber ich dachte vorher, dass ich weiter entfernt vom Fußball bin, als ich es dann tatsächlich war.

Haben Sie die Sorge, dass Sie direkt der große Hoffnungsträger beim MSV sein werden?

[kein Linktext vorhanden]Koch: Ich denke schon, dass die Fans ein paar Erwartungen an mich haben. Aber sie wissen, was ich für eine lange Zeit hinter mir habe. Ich glaube nicht, dass mich die Fans nach ein, zwei, drei schlechten Spielen ausbuhen werden. Deshalb habe ich mich auch für Duisburg entschieden: Weil ich weiß, wie die Anhänger mit einem umgehen, egal, wie man spielt.

Aber ist ein Abstiegskandidat tatsächlich gut geeignet für einen Comeback-Versuch?

Koch: Das kann man schwer sagen. Wir haben eigentlich eine wirklich gute Mannschaft. Es haben nur einige Dinge nicht gestimmt. Daher bin ich auch der Meinung, dass wir kein Abstiegskandidat sind. Wir werden schon bald unter Beweis stellen, welches Potenzial in unserem Team steckt.

Was haben Sie sich persönlich für die Saison vorgenommen?

Koch: Mein erstes Ziel ist, gesund durch die Spielzeit zu kommen. Und ich will mich wieder an meine Leistungsstärke annähern.

Ihre Narbe wird Sie auf diesem Weg begleiten.

Koch: Ach, die fällt mir gar nicht mehr auf, meiner Freundin auch nicht. Wenn ich im Sommer etwas brauner bin, ist sie komplett verschwunden.