Drensteinfurt. MSV Duisburgs Legende Bernard Dietz ist in Berlin, hat aber ein Zeitproblem. “Jeder will etwas von mir, hoffentlich schaffe ich es zum Anpfiff ins Olympiastadion“, erzählt der 63-Jährige, der auch lange Zeit für Schalke gespielt hat.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich Bernard Dietz (63) mit seiner Frau Petra rund um das Pokalfinale immer zwei schöne Tage in Berlin gemacht. Auf dem Frühstückstisch in seinem Haus in Drensteinfurt stehen Brötchen und Schinken. Dietz war schon beim Friseur und schwärmt von den Ausflügen: „Fußball gucken und die Stadt genießen.“ In diesem Jahr kann er das vergessen. Samstag trifft der MSV Duisburg im Endspiel auf Schalke 04, und MSV-Legende Dietz ist in Berlin, hat aber ein Zeitproblem. „Jeder will etwas von mir, hoffentlich schaffe ich es zum Anpfiff ins Olympiastadion.“
Frage: Wenn Sie es dann bis auf die Tribüne geschafft haben, welche Art von Fan sind Sie? Springen Sie beim 1:0 für den MSV hoch? Dietz:Sie glauben gar nicht, wie hoch ich dann springe.
Obwohl Sie auch lange für Schalke gespielt haben? Sicher, aber das wissen die Schalker und haben kein Problem damit, schließlich bin ich im Herzen Duisburger.
Passt die Kombination „Fußball und Herz“ überhaupt noch in die heutige Zeit? Manchmal kann ich nur noch den Kopf schütteln. Wenn zum Beispiel ein Diego in Wolfsburg aus der Spielersitzung marschiert, weil er auf der Bank sitzen soll, dann ist das nicht mehr meine Welt. Aber man muss natürlich auch vernünftig mit den jungen Leuten reden.
Wie macht man das? Als ich Trainer der A-Jugend des VfL Bochums war, habe ich mich darüber geärgert, wie unordentlich die Jungs die Kabine verlassen. Also habe ich die Tür zugemacht, dann habe ich mich nach jedem Stück Papier gebückt und alles einzeln in den Papierkorb geworfen. Dazu habe ich gesagt, dass die Putzfrauen einen harten Job machen und nicht auf zusätzlichen Dreck warten. Außerdem könne man nicht geordnet Fußball spielen, wenn man ein unordentlicher Mensch ist. Dann bin ich raus aus der Kabine.
Was hat der Vortrag gebracht? Viel, denn die Jungs haben zugehört. Ein paar Wochen später waren wir bei einem internationalen Turnier. Nach dem Mittagessen standen alle anderen Mannschaften auf und verschwanden. Meine Jungs stellten die Teller zusammen und brachten alles in die Küche. Danach haben sie das Turnier gewonnen, und ich war sehr stolz auf die Truppe.
Und dann? Aus den Augen aus dem Sinn? Überhaupt nicht. Aus der A-Jugend in Bochum sind 14 Bundesligaspieler hervorgegangen, vier wurde sogar Nationalspieler. Irgendwann Jahre später klingelte bei mir das Telefon. „Guten Tag, Trainer“, sagte jemand. „Sind Sie zuhause? Dann kochen Sie schon mal Kaffee, ich bringe Kuchen mit.“ Das war Stefan Wächter, der aus meiner A-Jugend kam und damals dann beim HSV im Tor stand. Wir saßen mit meiner Frau auf der Terrasse, und er wollte gar nicht mehr weg. Später musste ich dann auch noch grinsen.
Warum? Ich habe ihn noch nach draußen gebracht, und da stand sein Auto, ein ziemlich protziger Schlitten. „Mann, Mann, Mann“, habe ich gesagt. „Da hast du dir ja was geleistet.“ Stefan bekam einen roten Kopf und sagte: „Kann ich nichts für Trainer, ist ein Auto des Vereinssponsors.“
Ist Treue wichtig im Fußball? Für mich geht Fußball ohne Leidenschaft und Herz nicht. Als ich noch beim MSV war, hatte ich ein gutes Angebot von Eintracht Frankfurt, eigentlich war alles klar. Nach einem Heimspiel ging ich zum Parkplatz, und da wartete ein Ehepaar mit zwei Kindern auf mich. Die Frau weinte und sagte: „Sie dürfen doch nicht einfach weggehen.“ Auf der Rückfahrt nach Hause habe ich den Rückspiegel so gedreht, dass ich mich anschauen konnte. Nach fünf Minuten war klar: Ich bleibe, ich bin Duisburger.
Und Kapitän der Nationalmannschaft. Unglaublich, oder? Ein Duisburger als Kapitän. Als wir 1980 den Europameister-Titel gewonnen hatten, stand ich auf dem Rasen und dachte: Mensch, jetzt musst du nach oben und den Pokal holen. Mach jetzt keinen Mist, ganz Duisburg guckt zu!
Duisburg? Ganz Europa. Stimmt, aber mich hat nur ganz Duisburg interessiert.
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