Duisburg. Die Entscheidungen von Trainer Boris Schommers stoßen auf wenig Gegenliebe. In der Vereinsspitze hat er aber einen Fürsprecher.
Der Trainer des Halleschen FC, Sreto Ristic, bilanzierte den 3:2-Sieg seiner Elf beim bis dahin konkurrierenden MSV Duisburg im Presseraum der Schauinsland-Reisen-Arena. Zebra-Coach Boris Schommers starrte währenddessen einfach geradeaus, sein Blick wie „Flasche leer“. Als es an ihm war sich zu erklären, sagte der 45-jährige Fußball-Lehrer: „Einen bittereren Tag für uns als heute wird es kaum geben.“
Der Satz ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zunächst: Die Zebras erleben gerade regelmäßig bittere Tage. Schommers hat also Vergleichswerte. Da war am Samstag das 1:4 beim ebenfalls früheren Mitbewerber um den Klassenerhalt, 1860 München. Wehr- und willenlos war das Team untergegangen. Am Montag darauf folgte die Diagnose zur Verletzung von Sebastian Mai in der Partie gegen die Münchener: Riss des vorderen Kreuzbands und damit das Saisonende.
Bei seinem Amtsantritt im Oktober schleppte sich die Mannschaft durch sechs Liga-Partien ohne Sieg und mit nur zwei Treffern (einem Eigentor und ein Elfmeter). Diese Tage schmeckten auch nicht gerade nach Himbeereis. Das 1:2 im Derby gegen Rot-Weiss Essen nach spätem Ausgleich, vergebener Siegchance und einem Treffer nach einem Eckball in der Nachspielzeit ging runter wie ein Glas Pampelmusen-Saft ohne Zucker.
Und dann: Ein weit bittererer Tag als der 23. Januar scheint inzwischen unausweichlich heraufzudämmern – der Tag, an dem feststeht, dass die Zebras in die Regionalliga absteigen. Schommers: „Heute Abend fühlt es sich extrem mies an. Wir hatten uns sehr viel vorgenommen. Mit einem Sieg hätten wir auf zwei Punkte herankommen können. Jetzt sind es acht.“ Das ist keine Kluft mehr. Es ist eine Schlucht. Schommers fand trotzdem zu einer Durchhalteparole: „Wir haben eine Mannschaft gesehen, die dieses Spiel auch hätte gewinnen können oder sogar müssen. Von daher haben wir noch 15 Chancen. Die werden wir versuchen zu nutzen.“ Kleiner Trost: Es sind für den Tabellenneunzehnten sogar noch 16 Chancen. Der Trainer hatte sich offenbar, frustriert vom Ergebnis, verzählt. Kann an so einem Tag passieren.
MSV Duisburg: Fans fordern Entlassung des Trainers
Einige Fans im Stadion sahen in Schommers eher den Chancentod und forderten seine Entlassung. Sie hatten ihre Gründe: die frühe Auswechslung von Ahmet Engin, dem zweifachen Torschützen und Motor des MSV-Spiels. In München hatte Schommers lieber den stets kraftlosen Alexander Esswein gebracht. Engin war aber als eine Verstärkung, „die uns sofort hilft“, wie es über die Winterneuzugänge hieß, geholt worden.
Auf wenig Gegenliebe stieß auch die Entscheidung in Sachen Kaan Inanoglu. Der U-19-Stürmer saß zwar auf der Bank, kam aber selbst in der größten Not nicht zum Einsatz. Stattdessen ersetzte Robin Müller den früh erschöpften Daniel Ginczek. Dazu ein Satz von Boris Schommers aus der Pressekonferenz: „Wenn man dann sieht, von wo Ginczek und nachher Robin Müller das Tor nicht treffen und von wo Baumann (Schütze des 2:2 für Halle, A.d.R.) das Tor schießt, dann ist es umso bitterer.“ Ginczek und Müller hatten beste Möglichkeiten liegen lassen. Inanoglu hätte es nicht schlechter gemacht.
Was ebenfalls auf der Butterseite liegt: Halle traf per Freistoß zum 1:1. Seit seinem Amtsantritt spricht Schommers davon, dass er die Schwäche der MSV-Abwehr bei Standards des Gegners beheben will. Es gelang ihm nicht.
Michael Preetz, der neue Geschäftsführer des MSV, wollte sich auf die Kritik am obersten Übungsleiter nicht einlassen. „Wenn man gesehen hat, wie die Mannschaft heute gespielt hat, sollte man nicht über den Trainer diskutieren. Wir haben individuelle Fehler gemacht, die zu den Gegentoren geführt haben. Das ist schwer zu verteidigen und schon gar nicht am Trainer festzumachen.“ Zu diesen individuellen Fehlern gehörte die Hinterrücks-Grätsche von Joshua Bitter nach knapp einer Stunde. Bitter sah zu Recht Rot.
Präsident Ingo Wald war überzeugt: „Das hat uns das Genick gebrochen.“ Kapitän Marvin Knoll nannte die Rote Karte „dumm“. Er fügte noch resignierend hinzu: „Aber gut. Was willst du machen?“
Die Antwort auf diese Frage wird nun Michael Preetz geben müssen. Mit ihm sollte Aufbruchstimmung Einzug halten. Jetzt reicht gute Laune nicht mehr. Bei seiner Vorstellung machte der Geschäftsführer deutlich, dass er sich von den bisher Verantwortlichen auf „Ballhöhe“ bringen lassen wolle. Dazu gehört es, sich die Liste mit möglichen Nachkäufen bis zum kommenden Donnerstag, dem Ende der Transferperiode, anzuschauen. Dann sind Verhandlungen zu führen.
MSV Duisburg will offenbar personell noch einmal nachlegen
Die Strategie –soweit man das so nennen kann – lautet wohl: Zwei bis drei weitere Spieler sollen die Mannschaft auf Ballhöhe mit der Konkurrenz bringen. Vorher aber steht noch die Partie beim Tabellendritten SSV Ulm 1846 am Samstag an. Da fehlt dann der rotgesperrte Joshua Bitter. Ebenso, wenn es eine Woche später daheim gegen den Aufstiegskandidaten Jahn Regensburg geht. Zum Vergleich: Am Samstag verlor der MSV gegen den damaligen Tabellenfünfzehnten 1860 München mit 1:4. Am Dienstag gegen Halle, bis dahin auf Rang 16.
Gibt es denn nicht irgendwas, das ein bisschen Hoffnung macht? Ein Kollege hat nachgeschaut und festgestellt: In der Saison 2015/2016 hatte der MSV neun Spieltage vor Schluss neun Punkte Rückstand zum Relegationsrang und erreichte ihn noch. Wunder gibt es immer wieder. Und: Ahmet Engin, der mit viel Herz bei der Arbeit war, will nicht aufgeben. Beim Talk im VIP-Raum sagte er nach dem Spiel: „Ich bin gekommen, um mit den Fans im Mai zu feiern, dass wir es geschafft haben.“ Sein Wort in Gottes Ohr.