Essen. Duisburg, Bielefeld, Mönchengladbach: Drei Ex-Klubs von Ewald Lienen sind derzeit Tabellenführer. Den MSV lobt er auch aus einem anderen Grund.
Ein Gespräch mit Ewald Lienen kann rasch einen zuvor nicht geplanten Verlauf nehmen. Der 65-Jährige gilt als kritischer Geist. Er engagiert sich sozial, hat in seiner Vita auch eine politische Laufbahn vorzuweisen. In erster Linie ist der frühere Profi und frühere Trainer, der heute als Technischer Direktor für den Zweitligisten FC St. Pauli arbeitet, aber als Fußball-Experte gefragt.
Zum Beispiel für dieses Thema: Drei Teams aus dem Westen stehen in den drei deutschen Profi-Ligen zurzeit ganz oben. Am Wochenende gilt es für den Bundesligisten Borussia Mönchengladbach, den Zweitligisten Arminia Bielefeld und den Drittligisten MSV Duisburg, jeweils den Spitzenplatz zu verteidigen.
Ewald Lienen hat früher für alle drei Vereine gespielt. Und er hat auch alle drei Vereine trainiert.
Seit 1992 hat sich vieles verändert
Bei dieser Tabellen-Konstellation muss er schmunzeln. „Ich könnte ja jetzt sagen, dass sich meine Arbeit von damals langfristig durchsetzt und jetzt auszahlt“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung – bevor er augenzwinkernd anschließt: „Vielleicht hängt es aber auch damit zusammen, dass ich bei keinem der Vereine mehr bin.“
So oder so: Nach seiner Zeit als Profi-Fußballer hat sich in Nordrhein-Westfalen eine Menge verändert. Als Lienen 1992 beim MSV Duisburg seine aktive Karriere beendete, nachdem er in seinen letzten beiden Spielzeiten parallel bereits die Amateure der Zebras trainiert hatte, kamen neun Erstligisten aus NRW. Heute sind es sechs, doch die Leistungsdichte hat abgenommen: Dortmund, Schalke und Leverkusen geht es gut; Paderborn und Köln aber drohen abzusteigen, auch Düsseldorf ist im Dauerstress. Lienen vermutet dahinter die Folge eines gesellschaftlichen Wandels.
„Eklatante finanzielle Unterschiede“
„Sieht man sich die drei Profi-Ligen heute an, so findet man dort immer noch viele Vereine aus der Region – aber auch Klubs, die es nach oben geschafft haben, weil sie eine große Firma als Unterstützer haben“, sagt Lienen und ergänzt: „Einige Traditionsvereine haben auch dadurch leider große Probleme.“ Wie zum Beispiel der verschuldete Drittligist MSV Duisburg, für den die Rückkehr in die 2. Bundesliga aufgrund der Einnahmen aus den dort zu verteilenden TV-Geldern vielmehr eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist als ein ambitioniertes sportliches Unterfangen.
Daran stößt sich Ewald Lienen. „Das ist eine Tatsache, die vor allem zeigt, dass es zwischen den Ligen eklatante finanzielle Unterschiede gibt“, betont er. Und er warnt: „Dieser Umstand verführt manche Vereine dazu, sich für Investoren zu öffnen, was wiederum zu anderen Problemen führen kann, die wir nicht wollen.“ Zum Beispiel, dass ein Investor Einfluss auf den operativen Bereich nimmt. Etwas, das MSV-Präsident Ingo Wald trotz großer finanzieller Sorgen kategorisch ausgeschlossen hat.
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„Bei allen Vereinen herrscht selbstverständlich Hunger nach Erfolg. Wenn alle den Weg gehen und sich Investoren ins Boot holen, dann wird es schwieriger, sportlichen Erfolg ohne einen solchen externen Geldgeber zu haben“, betont Lienen. Daher sei es „aller Ehren wert, dass der MSV diesen Weg wählt und damit die Entscheidungskraft in den eigenen Händen hat“.
Appell an soziale Verantwortung
Lienen prangert – auch im Fußball – eine „ungebremste und rücksichtslose Art des Wirtschaftens“ an, die man „über Jahre hinweg“ zugelassen habe. Zwar erfolge bei einigen Unternehmen bereits ein Umdenken. Aber: „Auch wir Fußball-Vereine müssen uns unserer sozialen Verantwortung noch mehr bewusst sein.“ Die Betrachtung der sportlichen Arbeit solle daher nicht immer höchste Priorität genießen: „Wir können uns nicht nur mit der Frage beschäftigen, ob wir angesichts der großen finanziellen Unterschiede in der ersten, zweiten oder dritten Liga spielen, sondern müssen uns auch damit beschäftigen, nachhaltig und klimaneutral zu arbeiten.“
Zwei der drei Ex-Klubs von Ewald Lienen werden sich aber im Laufe dieser Saison Gedanken darüber machen müssen, wo sie in der kommenden spielen werden. Gönnt er eigentlich einem der drei den Erfolg am meisten? „In Mönchengladbach lebe ich, ich komme aus der Nähe von Bielefeld und bin dort aufgewachsen. Zu Duisburg habe ich einen starken familiären Bezug. Daher ist es eine schwierige Frage“, sagt Ewald Lienen. „Es wäre schon toll, wenn es alle drei schaffen würden.“