Duisburg. Der MSV Duisburg stellt sich nach dem Zweitliga-Abstieg für die neue Saison auf. Vereinspräsident Ingo Wald spricht über Vertrauen, Schulden und Aufstiegsambitionen.

IIn diesem Büro steckt ein großes Stück Geschichte des MSV Duisburg. Auf einer Seite des Raumes entdeckt man ein altes Foto, das Torwart Manfred Manglitz aus der Meidericher Vizemeister-Mannschaft von 1964 zeigt. Auf einer anderen eine Medaille für den Drittliga-Meister und ein Trikot mit Unterschriften der Spieler, die 2017 den Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga feierten. Hier oben im sechsten Stock des Gebäudes einer Duisburger Firma befindet sich der Arbeitsplatz von Ingo Wald (61). Der MSV-Präsident spricht im Interview über die zurückliegende Abstiegssaison, Schulden und Planungen für die neue Spielzeit.

Herr Wald, der MSV hat die Lizenz für die 3. Liga bekommen. Wie ist die Stimmung im Verein?

Ingo Wald: Natürlich sind wir alle erleichtert darüber, dass wir die Lizenz bekommen haben. Und vor allem, dass wir sie so bekommen haben, dass wir einen schlagkräftigen Kader zusammenstellen können, mit dem wir oben angreifen wollen. Wir gehen aber mit acht bis neun anderen Mannschaften, die Aufstiegsambitionen haben, in die neue Saison.

Trotz des Abstiegs haben Sie Trainer Torsten Lieberknecht und Sportdirektor Ivica Grlic öffentlich den Rücken gestärkt. Warum denken Sie, dass die beiden die richtigen Personen für den MSV sind?

Wald: Mit der vergangenen Saison können wir alle nicht zufrieden sein. Aber das diskutieren wir intern und selbstkritisch. Ich bin der Überzeugung, dass es ein großer Strauß von Problemen war, der zu diesem extrem enttäuschenden Saisonergebnis geführt hat. Das nur an zwei Personen festzumachen, halte ich weiterhin für den falschen Weg, auch wenn es einfach und populistisch gewesen wäre. Wir gehen den schwierigeren Weg – wissend, dass diese Entscheidung kontrovers diskutiert wird. Was umso mehr zeigt, dass wir im Wissen darum Ivo und Torsten für die Richtigen für unsere Situation halten.

Nach dem Lizenzentzug 2013 musste der MSV jetzt zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren sportlich runter. Wie geht es Ihnen persönlich damit?

Wald: Es ist für alle Verantwortlichen eine enorme psychische und physische Belastung. Aber nicht nur wir, sondern vor allem auch das Umfeld des Vereins leidet darunter. Für uns ist es schwierig, bei jedem Abstieg erneut zu vermitteln, dass es eine größere Finanzierungslücke gibt, die es zu schließen gilt. Ich denke übrigens, dass wir diese Lücke in diesem Jahr besser schließen konnten als erhofft, ohne viel frisches Geld generieren zu müssen. Dafür haben uns andere Maßnahmen geholfen.

Welche waren das?

Wald: Die wesentlichen Säulen für die Schließung der Finanzierungslücke waren die Stundungen von bestehenden Verbindlichkeiten, die wir in die Zukunft geschoben haben und dass der Rat der Stadt Duisburg dem Stadionkonzept zugestimmt hat. Darüber hinaus haben verschiedene Sponsoren Sonderleistungen erbracht. Und nicht zu vergessen die wieder sehr kreativen Aktionen unserer Fans. Wie sind allen Unterstützern sehr, sehr dankbar.

Wie bewerten Sie aktuell die finanzielle Situation des Klubs?

Wald: Es ist uns gelungen, das negative Eigenkapital von zwölf auf rund sechs Millionen Euro zu drücken. Das heißt aber nicht, dass wir jetzt ‚nur‘ noch sechs Millionen Euro Schulden haben, die liegen wesentlich höher. Aber das negative Eigenkapital ist der Knackpunkt. Denn das bildet den Anteil der Schulden ab, die nicht mit Vermögenswerten gedeckt sind. Wenn wir das negative Eigenkapital abbauen können, haben wir zwar immer noch Verbindlichkeiten. Aber das ist dann etwas ganz Normales. Diese beiden Sachverhalte muss man auseinanderhalten.

MSV-Präsident Ingo Wald im Gespräch mit Dominik Hamers (l.) und Nils Balke.
MSV-Präsident Ingo Wald im Gespräch mit Dominik Hamers (l.) und Nils Balke. © Fabian Strauch/Funke Foto Services

In der 3. Liga werden Sie deutlich weniger Geld einnehmen als in der 2. Bundesliga. Wie lange könnte sich der MSV überhaupt finanziell dort halten?

Wald: Das ist ein hypothetisches Szenario und seriös zurzeit nicht zu beantworten. Allein durch den Wegfall der TV-Gelder werden uns rund acht Millionen Euro fehlen. Wir wissen, dass eine Drittliga-Saison für uns neue Schulden bringen wird. Und es ist immens schwierig, die Kosten so zu reduzieren, dass die 3. Liga für den Verein tragbar ist. Denn das würde bedeuten, dass wir mit einem Kader in die Saison gehen, der allenfalls im Mittelfeld der Liga stehen würde. Und das würden wir auf Dauer nicht überstehen.

Die Differenz zwischen 2. Bundesliga und 3. Liga ist immens. Sehen Sie Institutionen außerhalb des Vereins in der Pflicht, etwas dagegen zu tun?

Wald: Die Diskussion über die Verteilung der Fernsehgelder ist ein dauerhaftes Thema und betrifft aus meiner Sicht die ersten drei Profiligen. Ich glaube, DFL und DFB sind gut beraten, Lösungen zu finden, mit der die Schere zwischen den einzelnen Ligen nicht noch weiter auseinanderklafft. Natürlich liegt der Fokus immer auf den Möglichkeiten und Sorgen des eigenen Vereins – aber mit der derzeitigen Verteilungsstruktur wird man dem deutschen Fußball und seiner Historie auf lange Sicht schaden.

Der Verein hat das Ziel ausgeschrieben, oben mitzuspielen. Dabei muss der Druck doch groß sein, aufzusteigen.

Wald: Der ist auch groß, ja. Aber wir müssen in der Kommunikation realistisch und glaubwürdig sein. Natürlich muss es unser Anspruch sein, in der 2. Bundesliga zu spielen.

Wie muss Ihrer Meinung nach der Kader aussehen, damit die Mannschaft aufsteigen kann?

Wald: Wir wollen uns ein Stück weit wieder auf bestimmte Werte konzentrieren, die den Verein ausmachen. Wir haben meiner Meinung nach ein gutes Leitbild, haben es in der vergangenen Saison aber nicht ausreichend gelebt. Damit haben wir viele Fans enttäuscht. Wir brauchen daher eine Mannschaft, die auf dem Platz dafür arbeitet, dass das Vertrauen in den Verein zurückkehrt. Damit sich jeder Fan mit vollem Herzen mit seinem MSV identifizieren kann.

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Vor zwei Jahren stieg der MSV in die 2.Bundesliga auf, der SC Paderborn in die 3. Liga ab. Sie sagten damals, dass Sie einiges mehr richtig gemacht haben. Was hat Paderborn nun besser gemacht?

Wald: Das ist schwierig zu sagen. Der SC Paderborn hat einen interessanten Weg hinter sich, war praktisch in die 4. Liga abgestiegen und schafft jetzt den Durchmarsch in die Bundesliga. In erster Linie haben sie eine perfekte Kaderzusammenstellung. Aber: Wir hatten auch eine gute, davon sind wir überzeugt. Mit unserem Kader hätten wir nicht absteigen müssen. Auch daran sieht man, dass Fußball nicht immer planbar ist. Es gibt so viele Nuancen innerhalb einer Mannschaft, die nicht wirklich vorhersehbar oder dann nur schwer korrigierbar sind. Paderborn hat mit seiner Idee, Fußball zu spielen, richtig gelegen. Sie haben viele mutige Dinge gemacht. Bei ihnen ist vieles gut gelaufen, das muss man neidlos anerkennen.

Paderborn kooperiert jetzt mit RB Leipzig. Käme so ein Modell für Sie infrage?

Wald: Die Gedankengänge, mit anderen Vereinen zu kooperieren, sind prinzipiell gar nicht schlecht. Ob man hier beim MSV eine Kooperation mit RB Leipzig darstellen könnte, würde ich mehr als bezweifeln. Wenn wir das vereinbaren würden, müssten wir wahrscheinlich unbekannt verziehen (lacht). Aber klar: Wir würden eine Kooperation sicher überlegen, aber nur, wenn wir unsere Identität bewahren. Ein Anhängsel von einem Erstligisten und erst recht nicht von einem Produkt wollen und werden wir nicht sein.

Welche Transferpolitik ist für Sie aus Sicht des MSV die richtige für die Zukunft?

Wald: Je geringer die finanzielle Abhängigkeit ist, desto mutiger können wir entscheiden. Ein Beispiel: Der MSV hat einen jungen, talentierten Spieler und will ihn für drei Jahre an den Klub binden. Dann kann es so oder so kommen. Entweder entwickelt er sich nicht wie erhofft und wir haben ihn dann für diese Zeit auf der Gehaltsliste. Oder er schlägt ein und wir können ihn mit Gewinn verkaufen. Wie es eben ist: Montags kenne ich die Lottozahlen auch.

Einen Zugang benötigen Sie noch: Wie weit ist die Suche nach einem Trikotsponsor?

Wald: Wir sind in guten Gesprächen, die nach meinem Gefühl kurz vor dem Abschluss stehen. Keiner muss befürchten, dass wir mit blanker Brust in die Saison gehen.

Sie kalkulieren mit einem Zuschauerschnitt von 14.000. Ist das realistisch?

Wald: Wir müssen natürlich beweisen, dass es sich lohnt, ins Stadion zu kommen. Mir wäre daher ein Auswärtsspiel, in dem wir uns richtig gut präsentieren, zum Auftakt am liebsten. Dann kommen zum ersten Heimspiel bestimmt deutlich mehr Zuschauer. Ich glaube aber, dass 14.000 eine realistische Zahl ist. Ich habe ja zu Beginn des Gesprächs schon gesagt, dass es mehrere Teams gibt, die oben angreifen wollen. Es ist eine sehr attraktive Liga.

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Welche Klubs sehen Sie ganz oben?

Wald: Braunschweig, Kaiserslautern, 1860 München, Halle, Ingolstadt und auch der KFC Uerdingen mit den Möglichkeiten, die der Investor bietet, sehe ich als Favoriten.

Ist der Weg für einen großen Investor beim MSV Duisburg immer noch versperrt?

Wald: Auf diese Art und Weise wie in Uerdingen definitiv. Das wäre dann nicht mehr mein MSV!

Unter welchen Bedingungen denn?

Wald: Wir würden nur Investoren akzeptieren, die sich nicht ins operative Geschäft einmischen. So leben wir es auch mit Capelli. Das kann beiden Seiten trotzdem Vorteile ermöglichen. Wir haben immer gesagt, dass wir ein Traditionsverein sind, der über Generationen von seinen Mitgliedern geprägt wurde. Das ist ein wertvolles Gut, und das werden wir nicht in die Hände von Einzelpersonen oder kleinen Gruppen geben. Wir stehen zur 50+1-Regel, auch wenn sie vermutlich nicht ewig Bestand haben wird.