Duisburg. Trainer Karsten Neitzel gilt bei Drittligist Holstein Kiel als Vater des Erfolgs. Auch beim Knaller in Duisburg will „Kalle“ mit seinen Jungs powern.
Wer im Jahr 2015 auf die Idee gekommen ist, in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel einen Barbiersalon zu eröffnen, wird vermutlich schon eine neue Geschäftsidee entwickelt haben. Rasiert werden vom Fußball-Drittligisten Holstein Kiel seit Wochen nur die Gegner. Die „Störche“ haben von den letzten 26 Partien nur eine einzige verloren. Im kompletten Jahr 2015 sind die Ostseestädter ohne Niederlage.
Das hat Torjäger Manuel Schäffler dazu bewogen, sich einen Bart sprießen zu lassen. Da sein Bartwuchs jetzt nicht übermäßig üppig ausfällt, sieht der ehemalige MSV-Profi, der im Mai 2011 in der Duisburger Startformation beim DFB-Pokalfinale gegen Schalke 04 stand, noch relativ „normal“ aus. Die Teamkollegen haben Schäffler wegen seines Oberlippenbarts den in Anlehnung an den auf Hawaii ermittelnden 80er-Jahre Kult-Detektiv Thomas Magnum den Spitznamen „Magnum 2.0“ verpasst.
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Aber nicht nur diese witzige Anekdote ist ein Beleg dafür, warum es bei den Holsteinern so gut läuft. Cheftrainer Karsten „Kalle“ Neitzel legt allergrößten Wert auf Disziplin, gilt als akribischer Arbeiter. „Neitzel hat das ganze Ding bei uns angeschoben“, lobte Kiels Kapitän Rafael Kazior nach dem 4:0-Sieg über Fortuna Köln im NDR-Interview, „wir trainieren ein bisschen anders als andere. Kalle Neitzel ist für uns Gold wert. Er hat Leute wie Marlon Krause umgeschult. Was er anfasst, hat Hand und Fuß.“
Kazior steht nach abgelaufener Sperre am Samstag in Duisburg wieder zur Verfügung. Ähnlich wie Manuel Schäffler hat der Holstein-Leitwolf eine MSV-Vergangenheit. Kaziors erste Profistation hieß Duisburg, wo er 2003/2004 in vier Ligaspielen einen kleinen Schnupperkurs belegte, bevor es ihn zu Wacker Burghausen zog. In wenigen Wochen hört der 32-Jährige bei den „Störchen“ auf und wechselt zur Reserve des SV Werder Bremen. Dort will Kazior nach seiner aktiven Laufbahn ins Trainergeschäft einsteigen. Bei den Kielern gilt er als Führungsperson auf und außerhalb des Platzes. „Kapitän bei Holstein zu sein, ist ein leichter Job“, sagt Kazior, „uns wird viel abgenommen und auf mehrere Schultern verteilt. Es macht großen Spaß.“
Nur leise Töne aus Kiel
Genau diesen Spaßfaktor wollen die Kieler auch in den Kracher beim MSV transportieren. „Der MSV hat eine gute Mannschaft“, sagt Knipser Marc Heider (zwölf Saisontore), „aber wir haben eine geile Truppe und fahren selbstbewusst nach Duisburg.“ Egal, wie das Topduell ausgeht: Schon lange ist klar, dass Kiels Saison kaum noch mit Superlativen zu beschreiben ist. Kazior: „Wir haben eine überragende Saison gespielt. Selbst die Relegation wäre ein Riesenerfolg.“
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Nach dem neunten Spieltag hatten nicht mal Mega-Optimisten den KSV Holstein auf dem Zettel. Seinerzeit verloren die Kicker von der Förde 1:2 in Osnabrück und standen nur einen Punkt vor einem Abstiegsplatz. Danach begann der beeindruckende Höhenflug. 13 ungeschlagene Auswärtsspiele in Folge bedeuten Drittligarekord.
Vor der Fahrt zu den Zebras gibt es aus Kiel nur leise Töne. Vollmundige Kampfansagen kommen vom Tabellendritten keine. Karsten Neitzel, der in den vergangenen eineinhalb Jahren eine fein abgestimmte Pressingmaschine ins Leben gerufen hat, fährt mit seinem Team „mit lockerem Fuß“ nach Duisburg. Bei einer Niederlage bekommt niemand den Kopf abgerissen. Alle anderen Spielausgänge können Kiels Fans weiter träumen lassen. Auch die 241 000-Einwohnerstadt ist vom Fußballfieber gepackt. Rund 2000 Anhänger fahren nach Duisburg. Die Handballer vom THW Kiel drücken den Holstein-Kickern die Daumen. Das Kreisligaderby zwischen dem VfB und Comet Kiel wurde von Samstag auf Freitag vorgezogen. So können Spieler und Zuschauer mit Holstein bei der NDR-Liveübertragung mitfiebern.