Rottach-Egern. Sportdirektor Max Eberl von Borussia Mönchengladbach verfolgte das Trainingslager in Rottach-Egern entspannt. Lesen Sie im großen Interview unter anderem, was Max Eberl über den Vergleich mit dem jungen Uli Hoeneß hält und wie er über Trainer Lucien Favre denkt.

Herr Eberl, man hat sie im Trainingslager am Tegernsse nur glücklich und bis über beide Ohren strahlend gesehen. Sind Sie der glücklichste Manager der Bundesliga?

Max Eberl: Ich strahle deshalb, weil ich gesund bin, weil wir alle Transfers getätigt haben, die wir uns vorgenommen haben und weil wir hier in einer wunderschönen Umgebung trainieren dürfen. Aber ich maße mir nicht an, der glücklichste Manager der Liga zu sein. Ich sträube mich ein bisschen gegen solche Superlative oder Vergleiche. Wir versuchen, bei Borussia Mönchengladbach etwas auf den Weg zu bringen, haben mit der Art und Weise der Transfers momentan eine exponierte Stellung in der Berichterstattung. Aber ich strahle hauptsächlich, weil ich gesund bin.

Redakteur David Nienhaus (l.) und Daniel Gonzales von der WZ im Trainingslager in Rottach-Egern mit Gladbachs Sportdirektor Max Eberl.
Redakteur David Nienhaus (l.) und Daniel Gonzales von der WZ im Trainingslager in Rottach-Egern mit Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. © privat

Ein Superlativ ist, dass man Sie unlängst schon mit dem jungen Bayern-Manager Uli Hoeneß verglichen hat…

Eberl: Uli Hoeneß hat 32 Jahre den Job bei Bayern München in einer sensationellen Art und Weise gemacht und gehört zu den führenden Managern im Weltfußball. Dass ich meine Jugendzeit beim FC Bayern verbringen und Uli Hoeneß auch als Mensch kennenlernen durfte, freut mich besonders. Für einen jungen Manager muss Hoeneß ein Idol sein. Aber vor allem der Mensch Uli Hoeneß ist für mich eine herausragende Persönlichkeit. Wenn viele Leute sagen, sie würden gerne einmal den Papst oder Gorbatschow treffen, bin ich sehr froh, schon häufiger mit Uli Hoeneß gesprochen zu haben.

Bei Hoeneß hieß es „Festgeldkonto“, bei Ihnen heißt es jetzt „Transfermeister“.

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Eberl: Uns als „Transfermeister“ darzustellen, ist eine sehr einseitige Sicht auf die Dinge. Dass wir hinter Borussia Dortmund Einnahmen-Vizemeister im Bereich Transfers sind, wird ein bisschen unter den Tisch fallen gelassen. Diese Einnahmen sind die Grundvoraussetzungen für unsere Investitionen. Es ist auch falsch zu sagen: Wir sind Vierter geworden und investieren 30 Millionen Euro oben drauf auf die Mannschaft. Nein, wir haben die finanziellen Entschädigungen für die eklatanten Abgänge, die wir hinnehmen mussten, plus die Erlöse aus Ticketing und Fernsehgeldern wieder in die Mannschaft investiert. Und man darf auch nicht vergessen: Wir sind in Europa. Wir haben die Gruppenphase in der Europa League sicher. Auch diese Gelder haben wir investiert, das sind mehrere Millionen, die wir ins Team gesteckt haben.

Und das ausschließlich in junge, begehrte Spieler. Warum haben sich zum Beispiel Luuk de Jong und Granit Xhaka für die Borussia entschieden?

Eberl: Dieser Verein geht nachhaltig einen Weg. Wir haben eine große Tradition und wollen jetzt eine neue Geschichte schreiben. Bei uns sieht man, dass sich junge Spieler wunderbar entwickeln können. Wir haben das mit Marko Marin gezeigt, den wir teuer verkauft haben. Dafür sind neue junge Spieler gekommen, die später auch für mehr als den doppelten Betrag wieder weiterverkauft worden sind. Dann können wir wieder entwicklungsfähige neue Spieler hinzunehmen. Aber es ist auch die Art und Weise, wie wir Fußball spielen lassen und der Trainer spielt bei all dem natürlich auch eine große Rolle. Das Gesamtpaket Borussia Mönchengladbach ist einfach sehr spannend.

So lobt Max Eberl Gladbach-Trainer Lucien Favre 

Das Kommen und Gehen der jungen Talente beschreibt allerdings einen typischen Ausbildungsverein.

Eberl: Nein, ich sehe Gladbach nicht als Ausbildungsverein. Wir haben im vergangenen Sommer, als wir mit Hängen und Würgen in der Bundesliga geblieben sind, an Marco Reus, Dante, und wie sie alle hießen, festgehalten und wurden dafür belächelt. Wir wollten und wir konnten sie halten. Dass es in der Bundesliga aber immer wieder Spieler gibt, die sich verändern wollen, hat nichts mit Borussia Mönchengladbach zu tun. Das ist normales Bundesligageschäft. Wir wollen uns entwickeln und aber auch wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen, um dann den nächsten Schritt zu gehen.

Den nächsten Schritt werden Sie mit Lucien Favre gehen, der vor kurzem seinen Vertrag bis 2015 verlängert hat.

Eberl: Lucien Favre hat nachgewiesen, dass er eine Mannschaft entwickeln kann. Deshalb haben wir ihn vor 16 Monaten zu uns geholt. Er hat der Mannschaft gezeigt, wie man nachhaltig Fußball spielen kann. Er korrigiert Spieler auf dem Platz, sagt ihnen, wo sie hinzulaufen haben und gibt der Mannschaft ein System, in dem Abläufe aufeinander abgestimmt sind. Es wird viel kommuniziert und manchmal reichen zwei, drei Meter beim Verschieben, um ein System besser umzusetzen. Die Spieler saugen das auf, was ihnen der Trainer beibringt. Auf der anderen Seite ist es enorm wichtig, Spieler zu haben, die einem zuhören. Es ist leicht, Spieler zu finden, die eine gute Qualität mitbringen, schwieriger ist es, die zu finden, die nicht sagen, ,ich habe eh schon alles erlebt’. Wir haben Spieler, die besser werden wollen.

Und davon jetzt genug?

Eberl: Ich fand es schon amüsant, bei jedem Transfer gefragt zu werden, ,wer kommt noch?’ Wir haben einige gute Transfers gemacht, haben nur drei abgegeben und fünf Spieler hinzubekommen und damit steht der Kader der Borussia. Vielleicht geben wir noch jemanden ab: Die Diskussion um Bamba Anderson wird ja sehr öffentlich diskutiert, da gibt es klare Bekenntnisse und wir müssen gucken, ob wir uns vertraglich einigen können. Ähnliches gilt für Yuki Otsu, der momentan in London bei den Olympischen Spielen ist. Wenn er etwas findet, was für ihn interessant ist, werden wir auch darüber nachdenken.

Ist Ihr Kader groß genug, um die zehn bis zwölf englischen Wochen bis Weihnachten durchzuhalten?

Eberl: Wir sprechen immer bewusst von einer Herausforderung. Aber wir freuen uns auf diese Aufgaben, weil wir sie uns erarbeitet haben. Jeder Spielt Fußball, um den größtmöglichen Erfolg zu haben. Jetzt spielen wir in Europa, natürlich wollen wir in die Königklasse, aber es bricht auch keine Welt zusammen, wenn es nur die Europa League wird. Es wird eine ganz neue Situation für uns, das muss jeder hier im Verein wissen. Oft genug haben arriviertere Vereine wie Schalke, Dortmund oder Hamburg unter dem internationalen Wettbewerb gelitten. Die Bundesliga ist und bleibt unser täglich Brot und so müssen wir diese Herausforderung angehen. Die Bundesliga hat zu 100 Prozent Priorität.

Eberl über den Begriff "Nachhaltigkeit der Einstelligkeit" 

Und als Saisonziel haben Sie einen etwas sperrigen Begriff ausgegeben.

Eberl: Wir wollen Nachhaltigkeit der Einstelligkeit und gehen von einer Saison mit 40 plus X Punkten aus. Wie sich das auf den Tabellenplatz auswirkt, kann man jetzt noch nicht sagen. Dortmund, Bayern und Schalke wollen Meister werden, sie müssen das sogar vielleicht, Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim investieren seit Jahren so viel Geld, wie wir es jetzt einmal gemacht haben und dann gibt es Mannschaften wie Stuttgart, Bremen, Hamburg und Hannover. Das ist vor der Saison die grobe Einteilung und dann kann man sich den Platz selbst ausrechnen.

Wenn Sie Hannover ansprechen, noch eine persönliche Frage: Haben Sie Angst, dass so eine Transferperiode vielleicht dazu führen könnte, irgendwann mal leer oder platt zu sein?

Eberl: Ich bin sehr dankbar, dass ich nicht so eine private Situation habe, wie sie der Kollege Jörg Schmadtke zu haben scheint. Ich komme mit Jörg sehr gut klar und fühle mit ihm. Die Gesundheit und die Familie stehen über allem. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn der Verein jemandem entgegenkommt, wenn es eine Situation gibt, die einer Lösung bedarf - es ist etwas Menschlichkeit in der knallharten Medienbranche Bundesliga. Ich wünsche ihm, dass er die Probleme für sich lösen kann und dann wird er wieder in alter Stärke zurückkommen. Dass Fußball gleichbedeutend mit Druck ist, brauche ich niemandem zu erklären.