Gladbach. .

Wenn es jemanden gibt im deutschen Fußball, dem man immer sofort ansieht, ob sein Team gerade verloren oder gewonnen hat, dann ist das Uli Hoeneß. Der Mann hat alles andere als ein Pokerface. Entweder sagt sein Gesicht: „Wunderbar, wunderbar, wir sind die Größten, kein Ding, selbstverständlich haben wir gewonnen.“ Oder es sagt: „Kruzifix, verdammter Mist, geht mir aus dem Weg, wartet’s ab ihr unfähigen Fußballer, diese Woche gibt es Feuer.“ Ein offenes Buch kann nicht mehr erzählen als die Mimik des Präsidenten des FC Bayern München, der am Dienstag, nach dem Sieg seiner Lederhosen in Mönchengladbach im Keller des Borussia-Parks stand und genüsslich schmunzelte.

Nur wenige Minuten zuvor hatten die Münchner mit 4:2 im Elfmeterschießen triumphiert, und jetzt erklärte der Bayern-Boss, warum in diesem Pokal-Halbfinale alles so kommen musste, wie es gekommen ist. Dieses Elfmeterschießen, so die Kernaussage, hätte man sich getrost sparen können, weil völlig klar, dass die Bayern nicht verlieren konnten. „Ich hatte das Gefühl, dass die Gladbacher völlig kaputt waren“, sagte Honeß. „Und das sind wirklich keine guten Voraussetzungen.“

Hoeneß war bester Laune. Er erzählte von 1976, von damals, als er im Finale der Europameisterschaft 120 Minuten gelaufen war, als er, die Verlängerung in den Beinen, völlig erschöpft war und plötzlich dastand am Elfmeterpunkt. „Dann fehlt dir die Kraft, dann guckst du nicht mehr auf den Torwart, dann willst du das Ding einfach nur reinhämmern.“ Man kennt die Geschichte: Hoeneß lief an, er zimmerte drauf, und der Ball flog in den Nachthimmel von Belgrad.

Auch Matthäus versagte und wechselte dann zu den Bayern

Am Dienstag Abend flog der Ball über das Tor der Münchner. Wenige Zentimeter hatte Gladbachs Dante zu hoch gezielt, und damit entscheidend dazu beigetragen, dass die Bayern am 12. Mai im Finale von Berlin gegen Borussia Dortmund antreten dürfen. Ausgerechnet Dante, ausgerechnet der Innenverteidiger, dem seit Wochen nachgesagt wird, er werde in der kommenden Saison das Trikot der Bayern tragen.

Über den Wahrheitsgehalt dieser Spekulation muss man sich nicht mehr lange unterhalten. Uli Hoeneß, einmal zu Form aufgelaufen, gab sich jedenfalls alle Mühe, den Einkauf zu bestätigen. Nicht offiziell, nein offiziell sei natürlich nichts, aber nur allzu gerne berichtete der Bayern-Boss über seine Nachbarn auf der Tribüne, die ihm soeben erzählt hatten, wie sehr sie Dantes Fehlschuss an Lothar Matthäus erinnert hatte.

Wieder eine alte Geschichte. Diesmal aus dem Jahre 1984. Damals machte Lothar Matthäus sein letztes Spiel für Mönchengladbach, es war das DFB-Pokalfinale gegen die Bayern, und ausgerechnet dieser Matthäus, von dem alle wussten, dass er ein Münchner werden würde, scheiterte an seinen Nerven und versemmelte seinen Elfmeter.

Hoeneß "hätte Dante nicht schießen lassen"

„Ich hätte Dante nicht schießen lassen“, stellte Mister Bayern unmissverständlich klar. „Das war nicht klug, weil der Druck für ihn zu groß war aufgrund der Diskussionen.“ Damals Matthäus, heute Dante, glaubt man Hoeneß, dann hat sich Geschichte wiederholt. Aber, anders als damals, hat diesmal das wirklich bessere Team gewonnen.

Der Rekordmeister siegte letztendlich verdient. Zwar hatten die Gladbacher durchaus gute Möglichkeiten, um ein Tor schießen zu können, aber am Ende mussten sie vor allem froh sein, die Begegnung plus Verlängerung ohne Gegentreffer überstanden zu haben. „Hätten beide Mannschaften alle Möglichkeiten genutzt“, bilanzierte Hoeneß absolut zutreffend, „hätten wir mit 6:2 gewinnen müssen.“

Dem wollte kein Gladbacher widersprechen. Sportdirektor Max Eberl sprach von „einer fantastischen Leistung“, davon dass seine Mannschaft „das Ding unbedingt ziehen“ wollte, selbst am Ende „als alle auf der Felge gelaufen“ seien. Nirgendwo ein Vorwurf, nicht an Dante, und auch nicht an Havard Nordtveit, der es ebenfalls nicht geschafft hatte, den bärenstarken Bayern-Torhüter Manuel Neuer mit einem Elfmeter zu überwinden.

Eberl richtet den Blick auf den Bundesliga-Endspurt

Im Gegenteil. Die Borussen richteten den Blick sofort wieder nach vorn. „Niemand muss sich grämen, wir werden jetzt eine Nacht darüber schlafen, wieder aufstehen und uns auf das Spiel am Samstag gegen Hoffenheim vorbereiten“, kündigte Eberl an. Die volle Konzentration gilt jetzt wieder der Bundesliga.

Die Bayern dagegen dürfen sich weiterhin auf drei Wettbewerbe konzentrieren. „Das wird ein würdiges Pokalfinale“, freute sich Uli Hoeneß auf das Duell mit Borussia Dortmund. „Die beste und die zweitbeste Mannschaft treffen aufeinander, das ist doch wunderbar.“ Die Frage, welches der beiden Teams er derzeit für das beste und welches für das zweitbeste hält, musste man gar nicht stellen.

Sein Gesicht sagte alles. „Seit zwei Wochen haben die Spieler begriffen, was es heißt, das Trikot des FC Bayern München zu tragen“, betonte er zufrieden. „Wir spielen jetzt nicht nur schönen Fußball, wir laufen auch.“