Mönchengladbach. .

Gemeinsam mit seiner Frau hat Lucien Favre ein Haus in Mönchengladbach gemietet. Düsseldorf als Wohnort war keine Option. Zu weit weg. Der Trainer will seine Zeit nicht unnötig auf der Autobahn verbringen, sagt er. Er sei der Typ, der sich voll in eine Aufgabe reinkniet, der jede Minute nutzen möchte, um erfolgreich zu sein. Vor dem heutigen Duell beim Kölner Erzrivalen (20.30 Uhr/ Live-Ticker auf DerWesten) sprach die NRZ mit dem Fußball-Lehrer, der aus einem maroden Abstiegskandidaten galoppierende Fohlen gemacht hat.

In Gladbach wird viel über Kontinuität gesprochen. Das Ziel, über Jahre mit einem Trainer zu arbeiten, wurde mit Ihrem Vorgänger Michael Frontzeck nicht erreicht. Ist es vorstellbar, dass Sie in fünf oder sogar in zehn Jahren noch bei Borussia arbeiten?

Favre: Man weiß nie, was kommt. Aber der Fußball ist sehr schnelllebig geworden und er hat einen ungeheuren Stellenwert.

Wollen Sie damit sagen, dass die Wahrscheinlichkeit dermaßen gering ist, dass sich solche Spekulationen über einen so langen Zeitraum verbieten?

Favre: Es fehlt an Zeit, und es fehlt vielerorts an einer klaren Philosophie, wie sie beispielsweise bei einem Verein wie Barcelona über Jahre hinweg von Trainer zu Trainer verfolgt wird.

Neuer Versuch: Wenn Borussia auch in fünf Jahren noch sagt, jawohl, wir wollen mit Favre weiter zusammen arbeiten – wie würden Sie antworten?

Favre: Ich persönlich plane maximal mittelfristig. Auch hier in Gladbach gibt es viele junge Spieler, die eine Perspektive haben und die ich gerne langfristig ausbilden möchte. Aber ich weiß auch, wie schwer das in Deutschland ist. Durchschnittlich bleibt ein Trainer zwischen zehn und 14 Monaten bei einem Klub. Deshalb machen sich die meisten Trainer nicht allzu viele Gedanken über die ferne Zukunft.

Nach Ihrer Zeit als Trainer bei Hertha BSC hat es viele Monate gedauert, bis Sie ein Angebot bekommen haben. Sie haben betont, dass die Pause außerordentlich wichtig war für Sie. Warum?

Favre: Ich hatte 13 Jahre am Stück gearbeitet. Damals habe ich gedacht, ich habe vier Wochen Ferien, das reicht. Aber es reicht nicht. Man wird müde und vor allem, man entwickelt sich nicht weiter. Weil einfach die Zeit fehlt. Insofern war die Pause fantastisch für mich, ein Glücksfall. Ich habe den Kopf wieder frei bekommen, habe mein Deutsch verbessert und mich bei Vereinen in Europa umgeguckt und mich weitergebildet. Als ich nach Gladbach kam, war ich absolut topfit.

Mit dem Ergebnis, dass Borussia jetzt auf Platz drei steht - haben Sie vor der Saison eine Prämie ausgehandelt für den Fall, dass der Höhenflug weitergeht und Gladbach tatsächlich in einen internationalen Wettbewerb kommt?

Favre: Die Frage wurde mir schon einmal gestellt. Und ich habe geantwortet: Ich weiß es nicht. Ich kenne mein Gehalt, weitere Vertragsdetails habe ich nicht gelesen

Das sollen wir glauben?

Favre: Das ist wirklich die Wahrheit. Wenn du ein Angebot von Borussia Mönchengladbach hast, dann musst du zugreifen, dann überlegst du nicht lange und guckst auf Vertragsdetails. Gladbach ist eine Super-Herausforderung.

Die Borussia ist in der Lage, Bremen mit 5:0 zu schlagen - ist jetzt die Zeit gekommen, um mehr als den Klassenerhalt als Saisonziel auszugeben?

Favre: Nein. Frankfurt hatte vor einem Jahr auch 26 Punkte und ist abgestiegen. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir wollen weiter hart arbeiten, uns entwickeln und wir müssen weiter um jeden Punkt kämpfen. Wenn jeder zehn Prozent mehr Leistung bringt, haben wir einen Spieler mehr auf dem Platz.

In den vergangenen Jahren war es meist so, dass der Kölner Geißbock von Gladbach eins zwischen die Hörner bekommen hat – die Erwartungshaltung dürfte heute vor dem Duell in Köln entsprechend sein.

Favre: Es gibt keinen Grund euphorisch zu sein. Es wird hart für uns. Köln ist fähig, alle Mannschaften zu schlagen. Das haben sie mit dem 4:1-Sieg in Leverkusen nachdrücklich bewiesen. Das Team ist gut organisiert, steht sehr, sehr gut. Köln hat gute Spieler, ohne Diskussion. Es wird nicht einfach.

Wie abhängig ist die Mannschaft von Marco Reus? Sieben Tore in den vergangenen drei Spielen ist eine unglaubliche Quote.

Favre: Die Mischung in der Mannschaft ist sehr gut. Aber natürlich macht Marco den Unterschied. Wenn man sein zweites Tor gegen Bremen sieht, das war wie auf der Playstation. Ich spreche nicht von seiner Technik oder Schnellligkeit, er hat vor allem eine unglaubliche Spielintelligenz. Das habe ich in meiner Karriere sehr selten gesehen. Trotzdem kann auch er noch viel lernen. Nach jedem Spiel spreche ich mit ihm, aber auch mit den anderen Spielern darüber, was man besser machen kann.

Kann er bei Ihnen mehr lernen als bei den Bayern?

Favre: Er kann bei mir viel lernen, aber alles andere kann ich nicht beurteilen. Es ist mein Job, die Spieler besser zu machen, und ich kann das. Aber die Spieler müssen auch bereit sein.

Gladbach spricht "kontinuierlich über den Kader" 

Finden Sie das Verhalten der Bayern, die täglich öffentlich posaunen, Gladbachs Marco Reus und Dortmunds Mario Götze unbedingt kaufen zu wollen, eigentlich sympathisch?

Favre: Ich will das nicht beurteilen.

Waren Sie am Anfang der Saison enttäuscht, dass Gladbach, mit Ausnahme vielleicht von Oscar Wendt, als Abstiegskandidat keine gestandenen Spieler gekauft hat.

Favre: Nein, ich bin zufrieden. Wir wussten erst spät, dass wir in der Bundesliga bleiben würden, und wir haben das Risiko, so spät noch einen teuren Mann zu verpflichten, als zu hoch empfunden. Das war besser so. Zumal es wichtig war, dass alle geblieben sind, auch Reus und Dante. Und Marc-Andre ter Stegen, Tony Jantschke und Roman Neustädter, der ja kein Stammspieler war, sind ja, wenn man so will, alles Neuzugänge.

Das heißt, Gladbach braucht keinen neuen Spieler und wird auch in der Winterpause niemanden kaufen?

Favre: Das können wir definitiv nicht sagen. Wir sprechen kontinuierlich über unseren Kader, wir sind fortwährend auf der Suche und beobachten den Markt. Aber natürlich gucken wir auch sehr genau auf unseren Nachwuchs, da haben wir einige interessante Spieler.

In Ihrer Heimat werden Sie gefeiert. Diese Woche gab’s in der Schweiz die Schlagzeile, „Favre, der König vom Borussia-Park“ – ist das richtig so?

Favre: Wir haben schon Herrn Königs, unseren Präsidenten.

Und ernsthaft...

Favre: Ich bin sicher ein guter Trainer.

Der Satz klingt nach einer guten Überschrift...

Favre: Ich denke, das ist die Wahrheit. Ich habe seit langem Erfolg. Ich arbeite sehr hart. Und deshalb ist dieser Erfolg kein Zufall.