Gladbach. Vor dem Duell am Freitag mit dem Lieblingsgegner aus Köln ist Gladbach in einer schon atemberaubenden Form.

Einige Minuten nach diesem Spiel stand Marco Reus in den Kellergängen des Borussia-Parks. Um den Hals hatte er ein Trikot von Werder Bremen geknotet. Das Hemd, das er Minuten zuvor von Lukas Schmitz bekommen hatte, diente ihm jetzt als Schal, als Erkältungsschutz nach einer schweißtreibenden Partie. Ob ihm der Gegner beim Trikottausch gratuliert habe, ob Schmitz etwas gesagt habe, wurde Reus gefragt. Und die Antwort des Gladbachers sagt viel aus über diesen 5:0-Triumph der Borussia gegen die Mannschaft von Thomas Schaaf.

Marco Reus räusperte sich kurz, überlegte, ob er den Satz tatsächlich preisgeben soll, ehe er sich entschied, die Sache aufzuklären. „Ich glaube, er hat mich so etwas gefragt wie: Wollt ihr die Liga auseinander nehmen?“ Und dabei nickte der Blondschopf so, als müsse er sich selbst noch einmal klar machen, sich nicht verhört zu haben.

Unglaublich. Man muss sich das vorstellen: Ein Werder-Profi, ein Mitglied eines Teams, das jahrelang auf internationalem Parkett antreten durfte, geht her und fragt einen Spieler von Borussia Mönchengladbach, einem Verein, der seit Ewigkeiten nichts anderes hatte als Abstiegsangst, ob man die Klasse aufmischen möchte.

„Hier kann Einiges entstehen“

So etwas fragt man jemanden von Bayern München, aber doch keinen Gladbacher, der ohnehin darauf programmiert ist, den Ball flach zu halten: „Wir gucken von Spiel zu Spiel, wir wissen wo wir herkommen, wir müssen weiter hart arbeiten.“ Das sind die Floskeln, die jeder Borusse abrufbereit aufsagen kann. Nur, nach einem Triumph, der an Strahlkraft kaum zu überbieten ist, haben solche Sätze etwas Parodistisches.

Mike Hanke gehört zu jenen, die dafür eine Antenne haben. Auf die Frage, wie lange man noch verkaufen könne, lediglich den Klassenerhalt schaffen zu wollen, musste der Mann lächeln. Es war ein zufriedenes, ein selbstbewusstes Lächeln, passend zur Antwort: „Wenn wir so weitermachen“, betonte der Stürmer, „kann hier noch Einiges entstehen.“

Tatsächlich ist Hanke der beste Kronzeuge für diese These. Er stand schließlich auf dem Rasen, er hat besser gesehen als jeder andere, wie Marco Reus und Patrick Herrmann unmittelbar vor ihm ein spielerisches Feuerwerk gezündet hatten gegen eine hilflose Bremer Mannschaft. Herrmann hatte mit einem Kopfballtor den Anfang gemacht, Reus hatte mit einem Hattrick bis auf 4:0 erhöht, und dann kam noch Arango, der den Ball volley mit dem linken Außenrist in den Giebel jagte. Was für ein Treffer, was für eine Fackel, was für ein Ausrufezeichen!

7 Tore in drei Spielen

26 Punkte hat die Borussia jetzt auf dem Konto. Platz drei in der Tabelle. Und am Freitag geht’s zum Erzrivalen nach Köln. Eigentlich Wunschkonzert. Schließlich hatten die Gladbacher in den vergangenen Jahren nie ein Problem, die Geißböcke auszutricksen und jede Menge Tore zu schießen.

Und diesmal kommen die Borussen sogar als Favorit zum Lieblingsgegner. „Wir sind zu einer echten Truppe zusammen gewachsen, mit viel Selbstbewusstsein“, schwärmte Marco Reus, der in diesen Tagen einen schon unglaublichen Lauf hat: Doppelpack, Doppelpack, Dreierpack. Sieben Tore in den vergangenen drei Spielen. Besser geht’s kaum.

Entsprechend wurde der Stürmer, gemeinsam mit seinem Team, in den Sonntagszeitungen gefeiert. Reus verzaubert Deutschland. Mönchengladbach ist wieder sexy. Weißes Ballett tanzt Bremer Trampel aus. Oder: BorREUSsia im Rausch. Die Schlagzeilen überschlugen sich in ihrem Jubel. Kann da noch etwas schief gehen am Dom?

Lucien Favre ist der Erfolg seiner Mannschaft längst unheimlich geworden. Ob die Borussia die Liga aufmischen will? „Ich finde, das 5:0 ist am Ende wirklich viel“, betont der Gladbacher Trainer. „Wir dürfen nicht übertreiben.“