Mönchengladbach. Borussia-Torwart Yann Sommer ist ein Aushängeschild seines Vereins. Vor dem Spiel gegen Union Berlin spricht er über Ziele, Musik – und die EM.

Es dauert bei dem Anruf am Freitagmorgen nur wenige Sekunden, bis Yann Sommer (31) sich meldet. Er ist gerade im Auto, auf dem Weg zum Training. Der Torwart tritt mit Borussia Mönchengladbach am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) gegen Union Berlin an, zum zweiten Heimspiel nach dem Wiederbeginn der Bundesliga-Saison inmitten der Corona-Krise. Der Schweizer Nationaltorhüter spricht vor dem Duell mit dem Aufsteiger über Zusammenhalt in einer schwierigen Zeit, den Kampf um einen Champions-League-Platz und Fußball ohne Fans im Stadion.

Herr Sommer, bei Heimspielen haben Sie sonst Tausende Fans zur Unterstützung direkt im Rücken. Jetzt schmücken Papp-Figuren die Tribünen. Wie fühlt sich das an?
Yann Sommer: Emotionen und Fans kann man nicht ersetzen. Aber es ist eine sehr gute Idee und eine tolle Aktion. Das Stadion ist mit ein bisschen Farbe und Gesichtern gefüllt.

Auch die gesamte Mannschaft ist auf den Rängen zu finden. Wo ist Ihr Doppelgänger?
Sommer: Ich sitze in der Südkurve.

Auch interessant

Die Bundesliga spielt seit erst zwei Wochen wieder. Wie nehmen Sie die Stimmung im Team wahr?
Sommer: Am Anfang war es komisch, weil sich viele Abläufe ändern. Man muss Vorsichtsmaßnahmen und Hygienevorschriften beachten. Daran musste sich die Mannschaft erst gewöhnen. Aber wir haben die Situation angenommen und direkt gesagt, dass wir das Konzept der DFL zu 100 Prozent umsetzen werden. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass wirs wieder spielen können. Deshalb ist die Stimmung gut.

Wie gefällt Ihnen die aktuelle Bundesliga-Tabelle?
Sommer: Die gefällt mir sehr gut (lacht).

Gladbach ist Vierter, in der Hinrunde war Ihr Team noch Dauer-Spitzenreiter. Haben Sie jemals an einen Titelgewinn mit Gladbach gedacht?
Sommer: Natürlich träume ich von internationalen Spielen und auch von Titeln. Aber während einer Saison mache ich mir darüber keine großen Gedanken, sondern konzentriere mich auf das nächste Spiel. Wenn man eine so gute Ausgangslage hat wie wir momentan, ist das dennoch toll. Wir wollen auf jeden Fall dort in der Tabelle bleiben.

Ist Borussia jetzt mal wieder reif für die Champions League?
Sommer: Wir können das mit der Mannschaft schaffen. Das ist auch unser Ziel. Wir wollen nicht einfach nur in der Bundesliga ein bisschen mitkicken, sondern international dabei sein. Wir haben noch sechs Spiele vor uns. Die Konkurrenz ist groß. Es kommt jetzt auf unsere Performance an. Wir sind jetzt gefordert.

Auch interessant

Sie sind seit 2014 in Gladbach und schon ein Gesicht des Klubs. Ihren Vertrag haben Sie bis 2023 verlängert. Würden Sie Ihre Karriere auch bei Borussia beenden?
Sommer: Natürlich kann ich mir das vorstellen. Aber man kann nie wissen, wie sich alles entwickelt, wie man selber spielt, wie die Leistungen ausfallen. Deshalb lasse ich mir das offen. Ich bin sehr glücklich in Gladbach.

Viele Torhüter sind über 1,90 Meter groß, sie messen 1,83. Hat Ihnen das jemals Schwierigkeiten bereitet?
Sommer: Auch in der Jugend haben mir immer wieder Leute gesagt, dass man mit der Größe für einen Torwart zu klein wäre. Aber das hat mich nicht gestört. Ich fahre sehr gut mit meinen 1,83.

Sie sind nicht nur Torwart, sondern auch gerade in der Schweiz eine Marke. Unter anderem werben Sie für Hautpflege-Produkte und Uhren. War das Ihr Wunsch?
Sommer: Das fing schon in jungen Jahren an und hat sich ganz natürlich entwickelt. Es macht mich stolz als Marken-Botschafter von tollen Partnern agieren zu dürfen. Es macht mir auch Spaß, einen Einblick in andere Branchen zu gewinnen, zum Beispiel mich beim Shooting für Kampagnen mit den Themen Branding und Vermarktung auseinander zu setzen. Diese Erfahrungen können mir auch nach der Karriere hilfreich sein. Aber das Wichtigste in einer solchen Partnerschaft ist immer, authentisch zu bleiben und sich mit dem Produkt identifizieren zu können.

Wie schaffen Sie es, die ganzen Aufgaben und Verpflichtungen zu managen?
Sommer: Ich habe über die Jahre ein sehr professionelles und tolles Team aufgebaut. Aus verschiedenen Bereichen sind Leute dabei, die mir helfen. Sie nehmen mir viel ab. Man braucht Menschen, die einen in der Karriere unterstützen. Darüber bin ich sehr froh. Wir haben ja auch eine kleine Familie seit Oktober.

Auch interessant

Wie hat sich ihr Leben durch der Geburt Ihrer Tochter verändert?
Sommer: Komplett (lacht). Aber das ist natürlich positiv gemeint. Eltern zu werden, ist wunderschön. Meine Frau und ich genießen das sehr. Es ist intensiv. Wir wachsen auch daran. Wir möchten unserer Tochter eine gute Erziehung, viele gute Werte und jede Menge Liebe mitgeben.

Auf welche Dinge legen Sie viel Wert?
Sommer: Ehrlichkeit ist mir sehr wichtig. Auch Solidarität und Zusammenhalt, gerade wenn es um den Fußball geht. Wenn ich in einem Team spiele, will ich professionell und aufgeschlossen zu anderen Leuten sein. Ich will insgesamt offen durchs Leben gehen.

Sie gelten als Multitalent, spielen Gitarre, Klavier und singen auch. Wie sind Sie dazu gekommen?
Sommer: Mit 17 habe ich angefangen, Gitarrenunterricht zu nehmen. Das ist für mich auch eine Erweiterung des Horizonts. Auch da kommt man in eine andere Welt. Man lernt Musik- und Gesangslehre kennen. Das sind Erfahrungen, die mich weiterbringen, die mich auch erfüllen. Ich spiele für die Kleine gerade oft zuhause Gitarre und singe zusammen mit meiner Frau. Das bringt mich auf andere Gedanken.

Hat die Corona-Krise auch für Sie oder an Ihren Sichtweisen etwas geändert?
Sommer: In der spielfreien Zeit war der Fußball komplette Nebensache. Alles kam sehr schnell, niemand hatte damit gerechnet. Man merkt plötzlich, wie wichtig Gesundheit ist. Zudem wird deutlich, wie bedeutend Zusammenhalt ist und wie man einander helfen kann. Das ist eine schöne Erkenntnis in einer schlimmen Situation. Jetzt hoffe ich, dass es Woche für Woche besser wird und es weniger Infizierte gibt. Dafür gilt es sich an die Vorgaben der Wissenschaft und Politik zu halten.

Die Europameisterschaft wurde aufgrund der Pandemie auf das nächste Jahr verschoben. Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Turnier 2021?
Sommer: Ich war traurig, dass es verlegt wurde, aber es war die absolut richtige Entscheidung. Für die Schweiz ein Turnier zu spielen, ist mit das Schönste, was es gibt für mich in diesem Sport. Ich hoffe, dass wir 2021 spielen können und eine tolle Europameisterschaft erleben.

Mit Zuschauern im Stadion?
Sommer: Ich hoffe es sehr.

Auch interessant

Seit dieser Saison sind vier Schweizer Nationalspieler im Gladbacher Team. Was hat die Verpflichtung von Breel Embolo für die Mannschaft bedeutet?
Sommer: Er ist ein toller Typ und toller Spieler, der sehr viel Power hat. Er ist ein Riesenplus für unsere Mannschaft. Er bringt sehr viel Tempo ins Spiel, hat ein unglaubliches Durchsetzungsvermögen. Wir sind froh, dass er bei uns ist und uns weiterhelfen kann.

Am Sonntag kommt Union Berlin. In der Hinrunde verlor Gladbach 0:2. Was erwarten Sie nun im zweiten Duell mit dem Aufsteiger?
Sommer: Union hat bis jetzt eine gute Saison gespielt. Die Berliner spielen sehr kompakt, diszipliniert und körperbetont. Sie haben auch Spieler, die das mit viel Qualität nach vorne umsetzen können. Union hat eine gute Mischung im Team.

Ihre Mannschaft hat nach dem 3:1 in Frankfurt mit 1:3 gegen Leverkusen verloren und 0:0 in Bremen gespielt. Worauf kommt es für Gladbach gegen Union an?
Sommer: Wir müssen uns im Vergleich zu den letzten beiden Spielen steigern. Wir brauchen wieder mehr Tempo und Durchsetzungsvermögen. Das alles hat uns zuletzt ein bisschen gefehlt.