Jerez. Gladbachs Matthias Ginter ist im Gesicht noch immer gezeichnet. Im Interview spricht er über den Unfall und den derzeitigen Erfolg des Teams.

Eine Schramme im Gesicht zeugt noch von dem schlimmen Unfall, den Matthias Ginter (24) in der Bundesliga erlebt hat. Als der Nationalspieler von Borussia Mönchengladbach beim 4:1-Erfolg über Hannover 96 am 25. November mit Noah Sarenren Bazee zusammenprallte, sich den Kiefer und die Augenhöhle brach. Ansonsten wirkt Ginter im spanischen Jerez de la Frontera aber gut erholt, als er es sich auf der Terrasse des Mannschaftshotels bequem macht. Beim Rückrundenauftakt des Tabellendritten bei Bayer Leverkusen (19. Januar, 15.30 Uhr) will er auf dem Rasen stehen.

Herr Ginter, wie fühlt es sich an, ohne die Maske zu spielen?

Matthias Ginter: Wenn ich mich nicht sicher fühlen würde, dann würde ich die Maske noch tragen. Aber ich habe keine Angst vor Kopfballduellen. Und es ist aus ärztlicher Sicht kein Problem, nach fünf, sechs Wochen sind Brüche in der Regel verheilt.

Sind Sie bereit für einen Einsatz gegen Leverkusen?

Ginter: Ja, der Heilungsprozess ist nach Plan verlaufen. Ich habe keine Probleme.

Ihr Zusammenprall sah schrecklich aus. Wie war der Moment der Verletzung?

Ginter: Es hat sich auch schrecklich angefühlt. Ich hatte trotzdem erst noch die Hoffnung, weiterzuspielen, weil ich nicht bewusstlos war. Aber der Arzt hat mir noch auf dem Platz erklärt, dass es wohl schlimmer ist. Ich bin dann am Ende sogar noch glimpflich davongekommen. Wenn es ganz schlecht gelaufen wäre, hätte ich sogar mein Augenlicht verlieren können. Dann wäre eine Not-OP nötig gewesen.

Nach seinem Unfall musste Matthias Ginter mit Maske trainieren.
Nach seinem Unfall musste Matthias Ginter mit Maske trainieren. © dpa

Denkt man in so einem Moment auch mal: Warum tue ich mir das an?

Ginter: Ich wurde zum Glück einige Jahre von schlimmen Verletzungen verschont. Aber die gehören im Fußball einfach dazu. Das ist unser Berufsrisiko.

Was haben Sie während der Verletzungspause gemacht?

Ginter: Ich habe versucht, dass Bestmögliche daraus zu machen. Ich war in der Heimat in Freiburg, bin nach Zürich und nach London gereist. Es war auf jeden Fall mal cool, ein Wochenende frei zu haben.

Wie schalten Sie generell vom Fußball ab?

Ginter: Das schaffe ich relativ gut. Klar, wenn ich auf dem Platz stehe, dann investiere ich sehr viel, bin fast schon überehrgeizig. Wenn ich dann aber zu Hause bin, dann zerbreche ich mir nicht mehr den Kopf über den Fußball. Ich spiele dann gerne Basketball, gehe mal ins Kino, treffe mich mit Freunden.

Müssen Sie als Profi auch auf Dinge verzichten?

Ginter: Gerade in der Jugend musste ich auf viel verzichten. Da gab es nur Fußball und Schule für mich. Heutzutage muss ich mir auch bewusst sein, dass ich in der Öffentlichkeit stehe. Das Handy ist schnell gezückt und ein Foto gemacht, wenn ich irgendwas anstelle.

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Bewegen Sie sich deswegen anders?

Ginter: Nein, ich versuche, mich so normal wie möglich zu bewegen. Wenn ich im Kino bin, mische ich mich unter die Leute.

Vor der Verletzung haben Sie aufgetrumpft, keine Sekunde gefehlt. Was macht Sie so stark?

Ginter: Es gibt viele Dinge, die ich verbessern konnte. Im körperlichen, taktischen und auch mentalen Bereich. Ich versuche, alle Bereich zu trainieren, mich dort weiterzuentwickeln. Außerdem lief es für uns als Mannschaft gut, auch ich habe mich dann gut gefühlt.

Aber Sie wirken auf dem Platz deutlich selbstbewusster, führen die Mannschaft.

Ginter: Das kommt mit der Zeit. In Freiburg war ich immer der jüngste, in Dortmund gehörte ich auch dazu. Ich werde älter, bald bin ich 25. Da will ich jetzt unserer jungen Mannschaft helfen.

Wie versuchen Sie das?

Ginter: Auf dem Platz versuche ich vor allem, in den letzten Minuten einzuwirken, wenn es eng ist. Mit denen, die nicht so viel spielen, versuche ich, Gespräche zu führen, die Mannschaft zusammenzuhalten.

Gladbach ist Dritter. Hätten Sie das vor der Spielzeit gedacht?

Ginter: Ne, nicht wirklich.

Warum läuft es dann so gut?

Ginter: Es war wichtig, dass wir die alten Mechanismen überarbeitet haben. Unser 4-2-2-System war leicht ausrechenbar, da sind wir mit dem 4-3-3 nicht mehr. Auch die medizinische Abteilung wurde erweitert, damit wir nicht mehr so viele Verletzten haben. Die Neuzugänge wie Alassane Plea haben eingeschlagen. Zudem haben Leverkusen, Schalke und auch Hoffenheim zum Teil etwas geschwächelt.

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Welchen Anteil hat Trainer Dieter Hecking am Erfolg?

Ginter: Der Trainer spricht viel mit uns, auch mit mir. Er hilft uns mit seiner Erfahrung. Es ist gut, dass er verlängert hat.

Erreicht Gladbach so die Champions League?

Ginter: Ich versuche gar nicht, so weit vorauszublicken. Es wird in jedem Fall ein Hauen und Stechen.

Versuchen wir es so: Was müsste passieren, damit diese Saison eine gute wird?

Ginter: Wenn jetzt Ende wäre, würde ich den dritten Platz natürlich unterschreiben. Wir wollen an die starke Hinrunde anknüpfen. Wenn uns das gelingt, dann ist diese Saison gut.

Sie haben mit Ihren 24 Jahren schon eine lange DFB-Karriere hinter sich. Wo positionieren Sie sich jetzt beim Neuanfang?

Ginter: Natürlich will ich auch beim DFB die nächsten Schritte gehen. Vor allem wollen wir aber als Fußball-Nation wieder erfolgreicher spielen, dabei will ich helfen.

Wie haben Sie das seltsame DFB-Jahr erlebt?

Ginter: Es war tatsächlich seltsam. Ich denke, niemand hat vor einem Jahr damit gerechnet, dass es so ausgehen wird. Aber wir sollten jetzt nicht alles schwarzmalen. Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt. Trotzdem war das DFB-Jahr sehr merkwürdig und gerade das WM-Aus war sehr enttäuschend.

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Wie hat sich Bundestrainer Joachim Löw in der Krise verhalten?

Ginter: Ich habe ihn nicht verändert erlebt. Er hatte weiterhin sehr klare Vorstellungen, hat viel mit uns gesprochen. Es ist für uns gut, dass die Kontinuität beibehalten wird. Mich persönlich hat es gefreut, dass Löw weitermacht.

Sind Sie mit Ihrem Wechsel vom BVB zu Gladbach der Beweis, dass sich ein Schritt zurück lohnen kann?

Ginter: Ich hatte vor eineinhalb Jahren beim BVB das Gefühl, eher als Allrounder gesehen zu werden, anstatt eine feste Position zu haben. Bei Gladbach sah ich die größere Wahrscheinlichkeit, regelmäßig in der Innenverteidigung zu spielen. Deswegen ist der Verein immer noch ideal für meine Entwicklung. Für den ein oder anderen war der Wechsel vielleicht etwas unverständlich, aber ich konnte das klar abwägen.

Welche Unterschiede gibt es?

Ginter: Natürlich steht Dortmund noch mal auf einer anderen Stufe, was die öffentliche Wahrnehmung angeht. Aber auch hier ist der Fan-Andrang groß. Gladbach ist ein Traditionsklub mit sehr viel Potenzial. Deswegen bin ich, was die Zukunft angeht, positiv gestimmt.

Was zeichnet den Klub aus?

Ginter: Es geht sehr menschlich zu. Ich habe zu jedem Mitarbeiter ein gutes Verhältnis. Ich fühle mich einfach wohl.

Feiert der BVB im Sommer die Deutsche Meisterschaft?

Ginter: Für mich sind sie der leichte Favorit. Auch wenn man nie weiß, ob der FC Bayern noch mal kommt. Aber ich denke, der BVB hat gute Chancen.

Sie saßen beim Attentat im BVB-Mannschaftsbus. Täter Sergej W. muss 14 Jahre ins Gefängnis. Wie haben Sie das Urteil vor wenigen Wochen erlebt?

Ginter: Ich habe das wahrgenommen. Es war für mich der Schlussstrich unter das Thema. Es hätte deutlich schlimmer kommen können. Und ich denke, es wurde das richtige Urteil gefällt. Da habe ich Vertrauen in die deutsche Justiz.