Mönchengladbach. . Mittelfeldspieler Christoph Kramer ist bei Borussia Mönchengladbach glücklich. Der Weltmeister im Interview über Fußballer-Gehälter, Anstand und Härte im Spiel.

Auch Weltmeister haben noch Träume. Christoph Kramer (26) beispielsweise würde nur zu gerne einmal im Old Trafford auflaufen. Im Theater der Träume, dem ruhmreichen Stadion von Manchester United. „Meine Eltern waren schon drin, ich noch nicht“, sagt der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach. Um dem Ziel ein Stück näherzukommen, wäre am Samstag (18.30 Uhr/Sky) gegen RB Leipzig ein Sieg hilfreich, um in der Bundesliga zumindest Vierter zu werden, und dann mit ein wenig Losglück den Traum von einem Champions-League-Spiel bei Man United wahr werden zu lassen.

Herr Kramer, wäre ein Engagement in England nicht auch etwas für Sie als ein Typ Fußballer, der hart im Nehmen ist?

Christoph Kramer: Ehrlich?

Ja, bitte!

Christoph Kramer: Die Premier League reizt mich nicht so sehr. Ich spiele in Deutschland in einer tollen Liga, in tollen Stadien, bei einem tollen Verein, bin in der Nähe meiner Familie, meiner Freunde. Genau dafür bin ich Gladbach echt dankbar.

In der Premier League gibt es viel mehr Geld zu verdienen, ist es nicht so?

Christoph Kramer (l.) im Gespräch mit  Gladbach-Reporter Michael Ryberg.
Christoph Kramer (l.) im Gespräch mit Gladbach-Reporter Michael Ryberg.

Christoph Kramer: Das ist für mich zu hundert Prozent uninteressant. Ich schätze das, was ich habe und liebe. Ich könnte in England allein der Sprache wegen meinen gefürchteten Wortwitz gar nicht anbringen. Der ist ja eine meiner Stärken und kein kleines Argument. Und: Ich werde sehr gut bezahlt in der Bundesliga.

Andere Spieler denken lange nicht so wie Sie – frag nach bei Borussia Dortmund und Aubameyang!

Christoph Kramer: Ich kann nur für unsere Borussia sprechen. In Gladbach haben wir eine homogene Mannschaft und achten darauf, welche Typen hinzukommen. So ist mein Eindruck. Dazu hat jeder Mensch ein Gespür dafür, ob es einen ehrlichen Umgang miteinander gibt oder nicht. Und auch dafür liebe ich Gladbach. Weil hier die Moral eine Rolle spielt.

Wäre es nicht ein Sieg der Moral gewesen, der BVB hätte Aubameyang wegen seiner Eskapaden mal ein halbes Jahr auf die Tribüne gesetzt?

Christoph Kramer: Das ist leicht gesagt. In diesem Falle verlöre man vermutlich einige Millionen Euro, die ein guter Spieler bei einem Transfer einbringt. Dieser Gedanke spielt immer eine Rolle.

Samstag geht es gegen Leipzig. Ausgangspunkt Ihrer Kopfverletzungsserie in der Hinrunde war Naby Keitas Tritt in Ihr Gesicht, der Rot nach sich zog.

Christoph Kramer: Das stimmt. Es war ein unabsichtlicher Treffer. Der ist im Affekt, aus der Emotion heraus passiert. Keita hat sich entschuldigt, und deshalb ist das Thema auch keines mehr. War ja auch nur eine Risswunde an der Lippe. Also kosmetisches Pech. Schlimm war in der Hinrunde eigentlich nur der Zusammenprall mit Jannik Vestergaard gegen Bayern.

Da wurden Sie vom Platz getragen. Stellt man sein Tun in so einer Situation infrage?

Christoph Kramer: Man denkt drüber nach. Aber was wäre die Alternative? Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wenn man vorsichtiger an die Dinge rangeht, passiert erst recht etwas. Trotzdem sind Kopfverletzungen ein sensibles Thema. Damit muss man sich beschäftigen, wenn es einen trifft. Alles andere wäre naiv und dumm.

Allein um sich zu beruhigen? Profi-Footballer in der NFL stecken schließlich noch viel mehr ein als Fußballer in der Bundesliga.

Christoph Kramer: Natürlich, aber man kann die Sportarten nur schwer vergleichen. Mancher Footballer ist in einem Jahr tausend Situationen ausgesetzt, die eine Gehirnerschütterung zur Folge haben können. Ich hatte in meinem Leben keine fünf. Körperlichkeit gehört zu beiden Sportarten dazu.

Beim 0:2 zuletzt gegen Frankfurt hat Gladbach strikte Körperlichkeit ja wieder zu spüren bekommen.

Christoph Kramer: Körperlichkeit ist das einfachste Mittel, um im Fußball zum Erfolg zu kommen. Die Frage ist nur: Reicht das zu einem großen Erfolg? Nur pressen, laufen, kämpfen, beißen nutzt sich nämlich irgendwann ab.

Die Borussia ist eines der spielstärksten Teams der Bundesliga, dem die Körperlichkeit aber manchmal abgeht. Dafür gab es schon Pfiffe der eigenen Anhänger. Ärgert Sie das?

Christoph Kramer: Ich finde eher, dass die Pfiffe aus einer Erwartungshaltung heraus kommen und irgendwie auch ein Lob für die vergangenen Jahre sind. Natürlich beeinflussen Pfiffe die Spieler auf dem Platz. Aber wir alle sind Profi genug, das nicht als Entschuldigung für weniger gute Leistungen vorzubringen.

Wo landet Gladbach am Saisonende?

Christoph Kramer: (lacht) Die schwierigste Frage kommt zuletzt. Ich sage mal so: Wir müssen uns das Spielglück erarbeiten, das wir zuletzt nicht hatten. Wir sind schließlich nicht die einzige Mannschaft in der Bundesliga hinter Bayern, die einen Europapokalplatz im Tank hat.